(Erschienen in der Berliner Stimme Nr. 22 - 65. Jahrgang, 14. November 2015)
Mechthild Rawert: Krankenhausstrukturgesetz mit sozialdemokratischer Handschrift
Die umfassendste Krankenhausreform seit Jahren trägt eine sozialdemokratische Handschrift: Ausbau des Pflegepersonals, Verbesserung der Versorgung aller PatientInnen, Förderung der Qualität von Leistungen in allen Krankenhäusern - einiges aufgrund der Koalitionsvereinbarung bereits vereinbart, anderes noch im parlamentarischen Beratungsverlauf hineingekämpft.
Der Entwurf des Krankenhaus-Strukturgesetzes (KHSG) aus dem Bundesgesundheitsministerium stand zunächst unter starkem Beschuss. Krankenhausgesellschaften und Gewerkschaften riefen zum Protest auf. So demonstrierten am 23. September 2015 tausende Pflegekräfte und ÄrztInnen gemeinsam vor dem Brandenburger Tor.
Die SPD konnte sich in den anschließenden Verhandlungen in ganz wesentlichen Punkten durchsetzen. Dabei geholfen haben auch viele Besuche vor Ort: So habe ich den kommunalen Berliner Klinikkonzern Vivantes Netzwerk für Gesundheit GmbH aufgesucht, der im KHSG differenzierte Lösungen für Wachstumsregionen forderte. Mit dem letztlich erreichten Verhandlungsergebnis erklärten sich die VertreterInnen der Berliner Krankenhausgesellschaft durchaus zufrieden, wie in weiteren Gesprächen deutlich wurde.
Die SPD setzte sich durch
Die 500 Millionen Euro des bisherigen Versorgungszuschlages werden in einen „Pflegezuschlag“ umgewandelt. Dieses Geld geht vor allem an die Krankenhäuser, die in der Vergangenheit keine Pflegestellen abgebaut haben und die ihr Pflegepersonal anständig bezahlen. In Berlin werden dadurch 500 Stellen gesichert.
Uns ist ganz wichtig: Bis Ende 2017 überprüft eine ExpertInnenkommission den Pflegebedarf der KrankenhauspatientInnen und ob dieser bei der DRG-Bezahlung auch richtig abgebildet wird. Damit erreichen wir Personalmindeststandards, die die Arbeitsbedingungen für die Pflegekräfte in den Krankenhäusern verbessern. In der Zwischenzeit (2016, 2017, 2018) stellen wir insgesamt 660 Millionen Euro für ein Pflegestellen-Förderprogramm bereit, mit dem bundesweit 6350 - für Berlin 250 - neue Stellen geschaffen werden können.
Das Hygieneförderprogramm wird um weitere drei Jahre (2017 bis 2019) verlängert und auf den Bereich Infektionsmedizin ausgedehnt. Krankenhäuser sollen und können damit zusätzliches Personal ausbilden.
Lange hat die SPD für folgende neue Leistung gekämpft: In den Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenkassen wird ein Anspruch auf pflegerische Übergangsversorgung nach einem Krankenhausaufenthalt aufgenommen, die Leistungen bei der häuslichen Krankenpflege und der Haushaltshilfe werden verbessert. Damit schließen wir endlich die bisherige Versorgungslücke zwischen stationärer und ambulanter Behandlung.
Gibt es in Krankenhäusern Tarifabschlüsse, die die Obergrenze für die Preiszuwächse der Krankenhäuser übersteigen, wird nun eine hälftige Re-Finanzierung sichergestellt. Wir SozialdemokratInnen erhoffen uns davon einen Anstieg von Tarifverträgen insbesondere für das Pflegepersonal in Krankenhäusern.
Die ambulante Notfallversorgung wird durch zahlreiche Maßnahmen in Krankenhäusern verbessert.
Auswirkungen für Berlin am Beispiel von Vivantes
Die Auswirkungen des Gesetzes für die Berliner Krankenhauslandschaft diskutierten wir in der Berliner SPD-Landesgruppe zusammen mit Dr. Andrea Grebe, Vorsitzende der Geschäftsführung Vivantes, sowie Dr. Johannes Danckert, Geschäftsführender Direktor des Vivantes Klinikum Am Urban. Die erreichten Änderungen des Gesetzentwurfs bewertete Dr. Andrea Grebe grundsätzlich positiv - gewünscht würde noch mehr, so zum Beispiel eine 100-prozentige Refinanzierung der Tarifverträge. Vivantes unterstütze die mit dem Gesetz angestoßene bundesweite Qualitätsdiskussion. Das Unternehmen versorgt derzeit rund ein Drittel aller Berlinerinnen und Berliner und steht zu seiner besonderen Verantwortung als landeseigenes Unternehmen. Angestrebt werde - gemeinsam mit den Tochterunternehmen - alle Leistungen, inklusive der Reinigungs- und Labortätigkeiten, selbst zu erbringen.
Berlin habe bei der Krankenhausversorgung insgesamt Fortschritte gemacht. Mit 94 Prozent läge die Bettenauslastung in Berlin sehr hoch. Vivantes erwirtschafte - im Gegensatz zu vielen kommunalen Kliniken in anderen Bundesländern - eine schwarze Null. Bei einem Umsatz von einer Milliarde Euro jährlich sei bei ständiger Reinvestition eine Umsatzrendite von 0,8 Prozent erreicht worden.
Vivantes bemühe sich stets um eine Kooperation mit wichtigen gesellschaftlichen Akteuren. So werden Menschen ohne Versicherung oder ohne Aufenthaltsstatus in den Rettungsstellen mitversorgt.
Berlin investiert in die Krankenhäuser
Ich begrüße es sehr, dass der Berliner Senat aus dem Sondervermögen Infrastruktur der Wachsenden Stadt (SIWA) für 2016 endlich einen großen Schwerpunkt in die Krankenhausförderung legt. So werden für die Erneuerung der Infrastruktur der Charité 53 Millionen Euro und für die Krankenhausförderung 55 Millionen Euro investiert.