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Gleichberechtigte Teilhabe bei Gesundheit und Pflege

Mehr als 16 Millionen Menschen in Deutschland haben eine Einwanderungsgeschichte. Gesundheit ist ein hohes Gut und eine angemessene kultursensible gesundheitliche Versorgung ist ein Menschenrecht. Alle gesellschaftlichen Institutionen müssen sich daher interkulturell öffnen. Obwohl unser Gesundheits- und Pflegewesen Chancengleichheit und gleichberechtigte Teilhabe für alle - egal welcher Herkunft – sicherstellen soll, profitieren nicht alle gleichermaßen: Menschen mit Einwanderungsgeschichte nehmen seltener ihnen zustehende Gesundheits- und Pflegeleistungen in Anspruch und auch bei der gesundheitlichen Versorgung gibt es Defizite. Kulturelle und kommunikative Barrieren führen zu vielfacher Über-, Unter- oder Fehlversorgung, bewirken in der Folge einen erhöhten Verlust an Lebensqualität und erhöhte Kosten bei Therapie und Pflege.

Leistungen der Gesundheitsförderung und der Prävention werden von Menschen mit Migrationsbiographie unterproportional in Anspruch genommen. Das betrifft beispielsweise die Inanspruchnahme von Angeboten zur Ernährungsberatung und Zahnprophylaxe ebenso wie die Nutzung psychosozialer Beratungsstellen oder die Teilnahme an einer Rehabilitationsmaßnahme.

Die zunehmende Vielfalt in der Gesellschaft macht auch vor den Krankenhäusern, der ambulanten Pflege und den (teil-)stationären Pflegeeinrichtungen nicht halt: Schon heute sind über 1,6 Millionen Menschen mit Migrationsbiografie mindestens 65 Jahre alt, ihre Zahl wird sich bis 2030 nahezu verdoppeln.

Datenlage und Forschungsbedarf

Für eine vorausschauende gesundheitsfördernde und präventive sowie medizinische und pflegerische Versorgungsplanung fehlt es derzeit an repräsentativen Daten und wissenschaftlichen Studien. So ist nicht feststellbar, an welchen spezifischen gesundheitlichen Problemen bestimmte MigrantInnengruppen im Vergleich zu anderen Bevölkerungsgruppen leiden. Migrantinnen und Migranten sind keine homogene Gruppe. Zunehmend wichtiger werden sozialrechtliche Lösungen bei der transnationalen Inanspruchnahme gesundheitlicher und pflegerischer Leistungen in Deutschland und im Herkunftsland sowie zu den Bedürfnissen sogenannter PendelmigrantInnen. Auch hierzu fehlt es an nationaler und europaweiter Forschung. Gemeinsam mit dem Robert Koch-Institut, den Krankenkassen, den Gewerkschaften und dem Statistischen Bundesamt, etc. wollen wir kultursensible Lösungen erarbeiten, um eine Bestandsaufnahme durch repräsentative Daten zu ermöglichen.

Interkulturelle Öffnung

Alle gesellschaftlichen Institutionen des Gesundheitswesens müssen sich nach aktuellen Standards des Diversity Managements interkulturell öffnen, um Menschen mit Zuwanderungsgeschichte gleichberechtigten Zugang zu ermöglichen, damit sie ihre Fähigkeiten und Potenziale sowie ihre Bedürfnisse einbringen können. Dazu zählen z. B. Krankenhäuser, Gesundheitsämter, ambulante und stationäre Pflegeeinrichtungen, Pflegestützpunkte, Fortbildungsstätten oder Arztpraxen. Wir wollen gegenüber den Bundesländern darauf hinwirken, dass es für die Beschäftigten aller Gesundheits- und Pflegeberufe ausreichende Fortbildungsangebote für den Erwerb interkultureller Kompetenzen gibt.

Sprachmittlung

Die ambulante und stationäre Gesundheitsversorgung ist gefordert, auf die gestiegene Vielfalt der Bevölkerung zu reagieren. Mit mehrsprachigen Informations- und Beratungsangeboten können sie besser angesprochen und erreicht werden. In der gesundheitlichen Versorgung, der Pflegeberatung und Pflegebegutachtung bedarf es häufig SprachmittlerInnen- und DolmetscherInnenangebote. Sinnvoll wäre der Aufbau einer bundesweiten Datenbank für Sprachmittlung. Die Finanzierung von Sprachmittlung und Dolmetscherdiensten obliegt bislang den PatientInnen selbst bzw. den Einrichtungen. Wir wollen eine grundlegende Regelung der Finanzierung erarbeiten, um Versorgungslücken zu schließen und die Folgekosten von Über-, Unter- und Fehlversorgung durch kommunikative Barrieren zu vermeiden.

Gesundheitsförderung/Prävention

Mit dem 2016 in Kraft tretenden Präventionsgesetz richten wir eine Nationale Präventionskonferenz ein. Diese setzt sich zusammen aus den Spitzenorganisationen der Leistungsträger (gesetzliche Renten- und Unfallversicherung, Kranken- und Pflegekassen) und ist beauftragt, eine nationale Präventionsstrategie zu erarbeiten. Zur Stärkung kultursensibler Angebote der Gesundheitsförderung und Prävention insbesondere in den Lebenswelten ist bei ihrer Entwicklung die Beteiligung von MigrantInnenorganisationen unerlässlich. So auch bei der Erarbeitung von Präventionsstrategien auf Landes- und kommunaler Ebene. Dafür setzen wir uns ein.

Kultursensible Angebote in der Pflege

Insbesondere ältere Menschen brauchen eine kulturell vertraute Umgebung, in der z.B. Ernährungsgewohnheiten oder religiöse Traditionen berücksichtigt werden. Demenzielle Erkrankungen nehmen auch bei älteren Migrantinnen und Migranten zu. Wir wollen bestehende kultursensible Angebote in Krankenhäusern, Pflegeeinrichtungen, von Pflegediensten,  in der Pflegeberatung und in der Pflegeausbildung wissenschaftlich evaluieren, um gut funktionierende bedürfnisorientierte und nicht stigmatisierende Ansätze zu identifizieren und flächendeckend umzusetzen. Dies betrifft insbesondere die Situation von Menschen mit Demenz und ihrer pflegenden Angehörigen. Wir werden darauf hinwirken, dass im Curriculum der generalistischen Ausbildung Kultursensibilität eine größere Rolle spielt. Gegenüber den Bundesländern wollen wir uns dafür einsetzen, dass diese auch in den Schulungen für Begleitpersonen und AlltagshelferInnen bedeutungsvoller wird.

Zuwanderung in die Gesundheitsberufe

Die Integration von ZuwanderInnen und Geflüchteten in die Gesundheitsberufe ist mit großen  gesellschaftlichen Chancen verbunden, wenn es uns gelingt, einschlägig qualifizierten und interessierten Menschen erfolgreiche Wege in die Gesundheitsberufe zu ebnen. Wir wollen insbesondere die rechtlichen Rahmenbedingungen, die Qualifikationserfordernisse an ausländische Auszubildende und ArbeitnehmerInnen sowie die Anforderungen an die ArbeitgeberInnen stärker thematisieren. Wir sind davon überzeugt, dass so zur Überwindung vielerorts befürchteter Fachkräfteengpässe beigetragen werden kann.

Gesundheit und Prävention im Programm soziale Stadt verankern

Beim Ausbau des Programms „Soziale Stadt“ zu einem Leitprogramm der sozialen Integration und dessen Weiterentwicklung zu einer ressortübergreifenden Strategie wollen wir die Aspekte von kultursensibler Gesundheitsförderung und Pflegeberatung einbeziehen.

Gesundheitsversorgung von Geflüchteten und Asylsuchenden

Geflüchtete Menschen zählen in Bezug auf die Gesundheitsversorgung zu den besonders vulnerablen Gruppen. Geflüchtete müssen oft viel zu lange auf eine Untersuchung warten. Deswegen wollen wir uns dafür einsetzen, dass die Erstuntersuchung so schnell wie möglich nach Ankunft in Deutschland erfolgen kann. Dazu soll in den vom Bund betriebenen Bedarfserstaufnahmen und in den Landeserstaufnahmen die Errichtung kleiner Gesundheitszentren vom Bund koordiniert werden. Die Teams in diesen Gesundheitszentren sollten aus ÄrztInnen, Pflegekräften, PsychotherapeutInnen, SozialarbeiterInnen und in Gesundheitsberufen ausgebildeten Geflüchteten bestehen. Des Weiteren setzen wir uns dafür ein, das Asylbewerberleistungsgesetz so zu reformieren, dass ein schneller und unbürokratischer Zugang zu medizinischen Leistungen für Flüchtlinge ermöglicht wird, beispielsweise durch die Einführung der Gesundheitskarte für Flüchtlinge.