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Nein heißt Nein

(Erschienen in der Berliner Stimme Nr. 1 - 66. Jahrgang,  16. Januar 2016)

Mechthild Rawert über Gewalt, Sexismus und Rassismus

Gewalt gegen Frauen ist eine extreme Menschenrechtsverletzung – in Köln, Deutschland- und weltweit. Die massiven sexuellen Belästigungen, Übergriffe und Vergewaltigungen auf Frauen in der Silvesternacht sind ein widerwärtiges Geschehen und durch nichts zu rechtfertigen. Gut, dass immer mehr Frauen Strafanzeige stellen. Eine Strafverfolgung muss konsequent erfolgen - und zwar immer und überall unabhängig von Herkunft, Ethnie, Religion, Alter und Aussehen.

Vor allem aber bedarf es wirksamer Strategien zur Prävention und zum Schutz vor sexualisierter Gewalt. Es braucht gesetzliche Grundlagen, die Gewalttaten gegen „Nein heißt Nein“ als Straftat ahnden. So verlangt es auch die vom Europarat 2011 verabschiedete Istanbul-Konvention.

Breite Teile der derzeitigen öffentlichen und auch politischen Debatte instrumentalisieren die abscheuliche gegen Frauen vorgenommene sexualisierte Gewalt. Der Schutz der Frauen und ihr Recht auf sexuelle Selbstbestimmung werden an den Rand gedrängt. Dass ist eine erneute Demütigung! Debattiert wird über die „Täterseite“: mehr Polizei, mehr Videoüberwachung, vorbeugende Aufklärung, eine schnellere Justiz, härtere Strafen und verschärfte Abschieberegelung für kriminelle Asylbewerber.

Rechtspopulisten führen eine Angstdebatte mit dem Zweck, die bestehende Willkommenskultur in Deutschland zu schwächen. Das ist rassistisch und geschieht nicht im Namen eines gemeinsamen Kampfes für sexuelle Selbstbestimmung und gegen den in Deutschland existierenden Sexismus.

Frauenrechtsverletzungen und sexuelle Gewalt gegen Mädchen und Frauen verletzen das Vertrauen zwischen den Menschen und beschädigen unsere gesellschaftlichen Strukturen. Sexualisierte Gewalt ist kein erst jüngst nach Deutschland „eingewandertes“ Phänomen. Schon 2004 belegte eine Studie des BMFSFJ, dass jede siebte Frau schwere sexuelle Nötigung oder eine Vergewaltigung in der Mehrzahl durch Partner im häuslichen Umfeld erlebt hat. Mehr als jede zweite Frau kennt sexuelle Belästigung in den unterschiedlichen Lebensbereichen.

Bereits Mitte Juli 2015 legte Justizminister Heiko Maas (SPD) einen Gesetzentwurf „zur Verbesserung des Schutzes der sexuellen Selbstbestimmung“ vor, der einzelne Strafbarkeitslücken bei sexueller Gewalt gegen Frauen schließen will. Ein Täter, der sexuelle Handlungen „nur“ gegen den Willen einer erwachsenen und nichtbehinderten Frau durchführt, macht sich derzeit nicht strafbar - entsprechend hoch ist die Dunkelziffer. Das Bundeskanzleramt blockierte bis jetzt, da kein Reformbedarf gegeben sei. Nun beginnt die parlamentarische Beratung.

Frauenorganisationen und Opferverbände kritisieren zu Recht den strafrechtlichen Skandal: „Nein heißt Nein“ gilt mit dem neuen Gesetz immer noch nicht – Männermacht im Rechtswesen. Dabei hat die Bundesregierung die Istanbuler Konvention des Europarates zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen unterzeichnet und sich verpflichtet, jede „nicht einverständliche sexuell bestimmte Handlung“ unter Strafe zu stellen. Eine Kommission soll nun darüber befinden, ob ein 'Paradigmenwechsel, der bei der Strafbarkeit allein auf das Einverständnis der Betroffenen abstellt, überhaupt angestrebt werden soll. Für mich als Frau, SPD-Politikerin und Mitglied des Europarates darf es nur ein Ergebnis geben: Nein heißt Nein! Es muss zu einer grundlegenden Überarbeitung sämtlicher Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung von Mädchen und Frauen kommen!

Viele nutzen die abscheuliche sexualisierte Gewalt in der Silvesternacht zu ausländerfeindlichen Parolen. Ziel ist die Vergiftung des gesellschaftlichen Klimas und eine Schwächung des Rückhalts in der Zivilbevölkerung für die Aufnahme von Geflüchteten. Rechtspopulisten haben sich bisher hasserfüllt gegen jedes Gleichstellungs- und Gender-Vorhaben gewandt. Sich nun für mehr Schutz für „deutsche Frauen“ einzusetzen, de facto aber Hass und geistige Brandstiftung gegen Geflüchtete zum Ausdruck zu bringen, ist schäbig und rassistisch. Frauen werden zu StatistInnen degradiert - Frauenrechte so nicht gestärkt.