12. contec forum Pflege und Vernetzung
Pflege wandelt sich. Unter dem Motto „Pflege im Umbruch: Menschen - Strukturen - Finanzen“ kamen am 13. und 14. Januar 2016 EntscheiderInnen aus der Pflegebranche und der Politik zum 12. contec forum Pflege und Vernetzung im Humboldt Carré in Berlin zusammen. In zahlreichen ExpertInnenvorträgen und Foren wurden am ersten Tag sozialpolitische Leitthemen der Pflegebranche und am zweiten Forumstag die wirtschaftspolitische Dimension der Pflege diskutiert. Im Zentrum standen die generalistische Ausbildung, das Pflegeberufereformgesetz, die Ausgestaltung des PSG II, Bestrebungen der Entbürokratisierung und Personalbemessung, die Herausforderung Fachkräftegewinnung und -entwicklung sowie die Entwicklung neuer Versorgungskonzepte und -strukturen. Intendiert war jeweils, theoretische Ansätze mit erprobten Praxismodellen abzugleichen und weitere Herausforderungen zu identifizieren, um im anwesenden großen ExpertInnenkreis gemeinsam Lösungen zu entwickeln.
Ein Highlight war die am ersten Tag stattfindende Podiumsdiskussion mit Auszubildenden der Altenpflege der Bremer Heimstiftung und den pflegepolitischen SprecherInnen der Bundestagsfraktionen. Das Fazit: Die generalistische Ausbildung in der Pflege kommt und wird begrüßt. Seitens der Auszubildenden wurde ein starker Wunsch nach Flexibilität, nach differenzierten Lern- als auch Karrieremöglichkeiten geäußert. Beklagt wird das „negative Image“ der Altenpflege: „Dabei bedeutet Pflege Leben, Zusammenarbeit und Hingabe“. Der Wunsch, Menschen zu helfen, war ein großes Motiv bei der Berufsauswahl, spürbar auch ihre Freude am Beruf. Politik muss dazu beitragen, dass diese Leidenschaft im Beruf lange anhalten kann.
Generalistik bedeutet Qualität: für Pflegebedürftige als auch für Pflegende
2016 ist das Jahr der Tat: Am 13. Januar hat die Bundesregierung den „Entwurf eines Gesetzes zur Reform der Pflegeberufe“ beschlossen. Die parlamentarische Beratung des Pflegeberufereformgesetzes beginnt im Frühjahr. Die Reform soll stufenweise in Kraft treten, der erste Ausbildungsjahrgang 2018 starten.
Bereits im Oktober 2015 veranstaltete ich zusammen mit ExpertInnen die Fraktion vor Ort-Veranstaltung zur „Zukunft der Pflegeberufe“.
Von der Praxis gewollt, in der Praxis bereits bewährt - ExpertInnen, Modellprojekte und Auszubildende begrüßen die Umstellung zur Generalistik
In den Foren als auch während der Podiumsdiskussion äußerten viele ExpertInnen, dass sie die generalistische Ausbildung im Rahmen von Modellprojekten bereits erprobt und für gut befunden haben: Es ist möglich, die notwendigen pflegerischen Kernkompetenzen in diesem Ausbildungssetting zu erwerben.
Sich mit Umstrukturierungen im Ausbildungsbereich der Pflege auseinanderzusetzen bedeutet sich realistisch und verantwortungsvoll der Zukunft zuzuwenden
Der demographische Wandel bewirkt einen Alterungsprozess der europäischen, also auch deutschen Gesellschaft, der den Pflegebedarf und die Versorgungsstrukturen grundlegend verändern wird. Der pflegerische Versorgungsbedarf in der Langzeitpflege wird komplexer, die Liegezeiten in Krankenhäusern werden kürzer. Außerdem wird der Anteil an älteren und demenziell erkrankten Patienten steigen, was sehr spezifischer pflegerischer Versorgung bedarf. Die ambulanten Versorgungsformen müssen sich dem Wandel anpassen. Pflegekräfte müssen umfassend ausgebildet und flexibel einsetzbar sein. Auch dank der wachsenden Erkenntnisse der Pflegewissenschaft findet eine zunehmende Professionalisierung der Pflege statt: Die neuen Erkenntnisse im Forschungsbereich bringen mit sich, dass das Wissen differenzierter und umfangreicher wird - ein Trend, der international schon längst Gang und Gäbe ist. Auf all diese Entwicklungen muss angemessen reagiert werden, zumal dem europaweit gegenüber ein prognostizierter Mangel an Auszubildenden von rund einer Million Gesundheitsfachkräften steht.
Laut Pflegeberufereformgesetz ist eine generalistische Ausbildung vorgesehen. Es wird einen einheitlichen Berufsabschluss als „Pflegefachfrau“ oder „Pflegefachmann“ geben, also eine übergreifende Qualifikation zur Pflege von Menschen aller Altersgruppen. Das schafft eine Durchlässigkeit, wie sie schon längst in anderen Berufen existiert. Die Ausbildung gewinnt an Attraktivität, denn der Weg ist nicht von Anfang an vorgezeichnet, individuelle Präferenzen können zum späteren Zeitpunkt mit Spezialisierungen ausgestaltet werden. Einsatz- und Aufstiegsmöglichkeiten sind leichter realisierbar. Zudem gewinnt der Pflegeberuf in der Gesellschaft eine wichtige Aufwertung: Es gibt ein einheitliches Berufsbild „Pflege“, mit dem sich Fachkräfte in diesem Bereich klar identifizieren können - anstatt im Wettbewerb untereinander zu sein. Zudem wird die Ausbildung kostenfrei gestaltet und durch die Landesausbildungsfonds finanziell gedeckt.
Wichtig ist allerdings auch die qualitätvolle Ausgestaltung der Pflege. KritikerInnen sprachen auf dem 12. contec forum an, dass durch die Zusammenlegung wichtiges Fachwissen auf der Strecke bleibe. Das darf nicht passieren und wird es nicht: Weiterqualifizierungen und Spezialisierungen sind möglich. Zudem belegen Modellprojekte, dass die Qualität des Berufs nicht leidet - ganz im Gegenteil. Der Qualitätsstandard soll sogar erhöht werden und eine finanzielle Absicherung eines angemessenen Umfangs an Praxisleitung in den einzelnen Betrieben stattfinden. Damit wird einer anderen Sorge, nämlich der der fehlenden Bezugsperson für die Auszubildenen, begegnet. Der Zunahme des komplexer werdenen Pflegebedarfs wird außerdem noch in anderer Weise Abhilfe geschaffen. Erstmalig in Deutschland (nicht im internationalen Bereich, wo dies schon längst Standard ist) wird ein Pflegestudium eingeführt. Gewährleistet werden die Erweiterung der pflegewissenschaftlichen Erkenntnisse und ein Transfer zur Praxis.
Expertise vom europäischen Expertennetzwerk zum Aufbau einer Ausbildung von „Healthcare Assistants“
Für eine bessere Versorgungssicherheit brauchen wir viele kompetente Menschen - auch unterhalb der dreijährigen Fachausbildung. Wie hier eine systematisierte Ausbildung stattfinden könnte, zeigt das EU-Projekt Pflegenetzwerk „Healthcare assistants“. Die contec GmbH als auch das Institut für europäische Gesundheits- und Sozialwirtschaft GmbH (IEGUS) sind maßgeblich an der Realisierung beteiligt gewesen. Ziel ist es, europaweit einheitliche Standards zur Ausbildungsdauer, Lerninhalten und Beziehungen von sogenannten „Healthcare Assistants“ zu verwirklichen. Damit würde auch eine flächendeckende PatientInnensicherheit gewährleistet.