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Stärkung der Verantwortung der Kommunen für die Pflege

 Unsere Gesellschaft wird älter, die Geburtsziffern sinken, die Herausforderungen an die sozialen Sicherungssysteme und damit auch die gesetzliche Pflegeversicherung steigen. Nach der Ausweitung der Pflegeleistungen, der Einführung eines neuen Pflegebedürftigkeitsbegriffs und der damit einhergehenden Umstellung auf ein neues Begutachtungsverfahren durch die Pflegestärkungsgesetze I und II, soll den Kommunen mit dem Pflegestärkungsgesetz III wieder eine stärkere Rolle bei der Pflege zugewiesen werden, vor allem in der Beratung von Pflegebedürftigen und deren Angehörigen. Vor allem bei der Koordination, Kooperation und der Steuerung stoßen die Beteiligten in der Pflege vor Ort heute schnell an Grenzen. Mit dem Pflegestärkungsgesetz III (PSG III) sollen die Beratungsangebote und die niedrigschwelligen Angebote für die Pflege ausgebaut und besser verzahnt werden. Die Versorgung soll sichergestellt sein.

Pflegebedürftigen wollen so lange wie möglich in ihrer vertrauten Umgebung leben können, Bund, Länder, Kommunen, Pflegekassen und weitere Kostenträger sowie Pflegeeinrichtungen sollen dieses möglich machen. Der Ausbau der Pflegeinfrastruktur ist notwendig. Schätzungen gehen davon aus, dass die Zahl der Pflegebedürftigen von heute rund 2,7 Millionen auf mehr als vier Millionen im Jahr 2050 ansteigt.

Drittes Pflegestärkungsgesetz - PSG III

Das Bundesgesundheitsministerium hat den Referentenentwurf „Entwurf eines Dritten Gesetzes zur Stärkung der pflegerischen Versorgung und zur Änderung weiterer Gesetze (Drittes Pflegestärkungsgesetz - PSG III)“ fertiggestellt und in die Ressortabstimmung gegeben. Die Fachanhörung des Ministeriums ist für den 30. Mai geplant. Das Gesetzgebungsverfahren ist zustimmungspflichtig und soll zum 1. Januar 2017 in Kraft treten.

Zentrale Inhalte sind unter anderem: 

  • Ab dem 1. Januar 2017 wird nicht nur die durch die Pflegekassen finanzierte Pflege nach dem SGB XI nach dem neuen Pflegebedürftigkeitsbegriff arbeiten, sondern auch die Sozialhilfe (SGB XII) und die Entschädigungsstellen nach dem Bundesversorgungsgesetz. Die Hilfe zur Pflege bleibt in ihrer Funktion als ergänzende Leistung erhalten und übernimmt ebenfalls den neuen Pflegebedürftigkeitsbegriff.
  • Optional können Länder und Kommunen regionale Pflegekonferenzen und sektorenübergreifende Landespflegeausschüsse einrichten. Die Pflegekassen müssen dann an den Beratungen mitwirken. Diese Gremien sollen dann mit den gemeinsamen Landesgremien nach Paragraf 90a zusammengeführt werden, in denen auch die Kassenärztlichen Vereinigungen, die Landesverbände der Kassen und die Landeskrankenhausgesellschaften vertreten sind.
  • Die Bundesländer können bis zu 60 "Modellvorhaben Pflege" einrichten. In diesen insgesamt 60 Modellvorhaben sollen die Kommunen eine "Beratung zur Pflege, Hilfe zur Pflege, Eingliederungshilfe und Altenhilfe aus einer Hand" testen. So sollen die kommunalen Beratungsangebote für die Pflege, die Sozialhilfe und für die Hilfen nach dem Bundesversorgungsgesetz verzahnt werden. Ziel: Die Beratungsgutscheine sollen möglichst schon auf Gemeindeebene eingelöst werden können. Die Modellvorhaben sollen nach dem Königsteiner Schlüssel unter den Ländern verteilt werden.
  • Kreise und kreisfreie Städte können von sich aus aktiv werden und von den Kranken- und Pflegekassen den Abschluss von Vereinbarungen zur Einrichtung von Pflegestützpunkten verlangen.
  • Auch bisher nicht vom geltenden Pflegebedürftigkeitsbegriff erfasste  Betreuungsleistungen werden Bestandteil des neuen Pflegebedürftigkeitsbegriffs und werden als neue Leistung im Rahmen der Hilfe zur Pflege auch durch die Träger der Sozialhilfe sowie die Träger der Kriegsopferfürsorge erbracht.
  • Die Pflegekassen sind verpflichtet, an den Pflegestrukturplanungsempfehlungen mitzuwirken.
  • Kommunale Stellen erhalten die Möglichkeit, ihren Finanzierungsbeitrag zur Förderung des Auf- und Ausbaus niedrigschwelliger Betreuungs- und Entlastungsangebote nicht nur durch liquide Geldmittel, sondern auch durch sonstige Leistungen (Personal- und Sachmittel) erbringen zu können.
  • Kommunale Stellen erhalten zeitlich befristet bei finanzieller Beteiligung die Möglichkeit, Pflegestützpunkte zu initiieren. Verpflichtende Rahmenverträge  mit Schiedsstelle werden eingeführt.
  • Das Aufgabenspektrum der Pflegestützpunkte wird um die Erbringung der individuellen Beratung nach § 7a SGB XI ergänzt.
  • Die Regelungen zur Altenhilfe nach § 71 SGB XII werden weiterentwickelt und konkretisiert.

Die Regelung soll bis Ende 2021 gelten. Die Kosten sollen geteilt werden. Kommunen können eigenes Personal und Sachmittel für Aufbau und Betrieb der Stützpunkte einsetzen und anrechnen lassen.

Was das Gesetz die Pflegekassen kosten könnte, hängt davon ab, wie viele Kommunen wegen des Aufbaus von Pflegestützpunkten auf sie zukommen werden. Die Träger der Sozialhilfe werden mit rund 200 Millionen Euro im Jahr belastet. Die Autoren des Entwurfs rechnen Entlastungen von 330 Millionen Euro gegen, weil die Ausweitung des Pflegebegriffs Kosten in Richtung Pflegekassen verschiebt. Die öffentliche Verwaltung muss mit einer einmaligen Belastung von fünf Millionen Euro rechnen.

Vor der Einführung der Sozialen Pflegeversicherung 1995 mussten die Träger der Sozialhilfe deutlich häufiger einspringen, um pflegebedürftigen Menschen in Notlagen zu helfen. Nach einem deutlichen Rückgang mit Einführung der Pflegeversicherung steigt die Zahl der notleidenden Pflegebedürftigen wieder an und liegt heute laut Gesetzentwurf bei 13 Prozent aller Pflegebedürftigen.