„Klassentreffen“ lautet der Titel der Kurzgeschichte, mit der Stefan Endeward aus Berlin-Reinickendorf den 1. Preis des bundesweiten Jugendkreativwettbewerbs „Otto-Wels-Preis für Demokratie“ gewonnen hat. Ich freue mich, Stefan kennengelernt zu haben. Vielleicht sehen wir uns in Zukunft ja noch häufiger: Er zieht demnächst in meinem Wahlkreis Tempelhof-Schöneberg.
Der von der SPD-Bundestagsfraktion bereits zum vierten Mal verliehene Preis stand dieses Jahr unter dem Motto „Zukunft Europa(s)“. 60 Jugendliche und junge Erwachsene haben sich unter den Themenstellungen: „Europa 2030“, „Die Faszination der europäischen Idee“ oder „Demokratie stärken“ mit der Zukunft der europäischen Idee beeindruckend auseinandergesetzt. Die Preisverleihung geschah im Rahmen des Frühjahrsempfangs der SPD-Bundestagsfraktion am 11. Mai 2016.
Die Laudatio auf die drei PreisträgerInnen hielt die im Iran geborene Schauspielerin und Sängerin Jasmin Tabatabai. Sie nahm zu Beginn ihrer Laudatio Bezug auf ihr eigenes Leben. Europa bedeute für sie insbesondere „Freiheit und Demokratie“. Hier könne sie selbst entscheiden, welche Kleidung sie trage, hier könne sie sagen, wen sie liebe. „Das alles sind Errungenschaften von Europa“ - und diese gilt es zu verteidigen.
Stefan Endeward habe die Jury mit seiner literarischen, sprachlich eindrucksvollen und kritisch-reflektierenden Kurzgeschichte „Klassentreffen“ überzeugt: Das im „Europa 2030“ angesiedelte Klassentreffen mit seiner ehemaligen Abiturklasse, bringt Jörn wieder nach Berlin zurück. Die Gefühle zu den ehemaligen MitschülerInnen sind gemischt, wie auch die zu den historischen Veränderungen in den nunmehr „Vereinigten Europäischen Staaten“. Er reflektiert über ein Europa, das sich wieder zu einer Idee und einer Gemeinschaft entwickelt hat, die zusammensteht, aus ihren Fehlern gelernt hat und die sich ständig neu erfindet und dabei die ureuropäische Idee fest im Blick hat.
Diejenigen, die mit Spannung an die Entscheidung der Briten am 23. Juni 2016 können zumindest auf längere Strecke beruhigt sein. Die frühere Mitschülerin Jörns, Maria Giesinger, sitzt im Ausschuss für die Angelegenheiten der EU des Deutschen Bundestages. Sie berichtet ihm: „Das ist wirklich das verrückteste bei uns im Ausschuss. Ich bin da ja seit letztem Jahr, nach den Wahlen. Und seitdem diskutieren wir mehr über die Rückaufnahme der ausgetretenen Länder, als über Montenegro, Serbien, Mazedonien und so weiter die schon seit mehr als zwanzig Jahren dabei sein wollen. Verrückt. Aber da wir mit der Türkei einen starken Partner in der EU haben, haben wir jetzt eine ganz andere Position als früher. Schau dir mal Großbritannien an. 2016 kam der Brexit, weil das Volk es so wollte, jetzt reden alle wieder vom Brintro. Ist das nicht verrückt. Ich muss da ja vorsichtig sein, aber ich kann so viel sagen: Wenn die zurückkommen, schlagen wir ein paar Fliegen mit einer Klappe. Und zwar nach unseren Regeln! Die merken ja auch, dass wir die gar nicht mehr so dringend brauchen, sondern die uns. Das haben Deutschland und Frankreich ja schon immer verstanden. Naja wie dem auch sei. Wir würden wirtschaftlich stärker werden, hätten ein weiteres Land mit großem weltpolitischem Einfluss und, das will ich dir versprechen, der Pfund, der kommt mir nicht ins Haus. Entweder ganz in die EU oder gar nicht. Das Verrückte daran ist, die Briten machen scheinbar mit!“. Also nicht an Brexit sondern an Brintro denken.
Frühjahrsempfang unter dem Motto „Zukunft Europa(s)“
Ein „Klassentreffen“ anderer Art war der Frühjahrsempfang der SPD-Bundestagsfraktion für die rund 1000 Gäste auch. Gastgeber Thomas Oppermann betonte, dass die SozialdemokratInnen von jeher „leidenschaftliche und überzeugte Europäer“ seien. Zwar stehe das Fundament des europäischen Hauses, aber das Haus habe Risse. Wenn es gelinge, „die zentralen sozialen und ökonomischen Probleme Europas zu lösen, und wenn wir die EU zu einer politischen Union weiterentwickeln, dann können wir ein wirklich geeintes, solidarisches Europa schaffen“. Das wäre ein Europa, in dem „alle Bürgerinnen und Bürger in Freiheit, Sicherheit und Wohlstand leben können“.
Diese Meinung vertrat auch der Ehrengast des Abends, der französische Außenminister Jean-Marc Ayrault, der als „Sozialdemokrat mit deutscher Prägung“ seine Rede in fließendem Deutsch vortrug. Für diesen ist jene „Energie, die wir aus den Traumata der Kriege gewonnen haben: ein Europa des Friedens schaffen“ die zentrale Verbindung von Europas Ländern. Die Europäische Union sei weltweit ein „einzigartiges Modell“. Europa müsse sich hinter seine Werte stellen, das sei unsere Verpflichtung. Ayrault: „Europa ist nicht das Problem, sondern die Lösung! Jetzt brauchen wir eine Neu-Definition des historischen Kompromisses auf aktuelle Ereignisse für eine europäische Zukunft“.
Wer könnte diese Neu-Definition für die Zukunft besser vornehmen als die Zukunft selbst. So habe ich mich sehr über die Beiträge der Jugendlichen gefreut, die sich kreativ mit Europa auseinandergesetzt haben und diese neuen Ideen entwickelt haben. Damit pflegen sie die europäische Idee, wie es der Außenminister Frank-Walter Steinmeier wegweisend sagte: „Europa ist keine Trophäe, sondern ein Garten, der gepflegt werden muss.“ Der Kreativwettbewerb hat mit gezeigt: guten Dünger haben wir!
Fotos: Andreas Amman