In meiner Rede habe ich deutlich gemacht, dass ich mit der einseitigen Intention des vorgelegten Berichtes „Die Übersexualisierung von Kindern bekämpfen“ nicht übereinstimme. Deshalb habe ich einer Reihe von Änderungsanträgen zugestimmt.
Parlamentarische Versammlung des Europarats
SITZUNGSPERIODE 2016 (3. Teil)
22. Sitzung
Dienstag, 21. Juni 2016, 15.30 Uhr
Mechthild RAWERT, Deutschland, SOC
Fighting the over-sexualisation of children (Doc. 14080)
Sehr geehrte Präsidentin,
liebe Kolleginnen und Kollegen!
Ich danke dem Berichterstatter, vor allem aber auch Frau de Boer-Buquicchio für ihre differenzierten Ausführungen.
Der Bericht behandelt das Phänomen der Sexualisierung von Kindern in der Öffentlichkeit und verortet das Problem zu Recht nicht in der schulischen Aufklärung über sexuelle und geschlechtliche Vielfalt, sondern in der klischeehaften Darstellung von Geschlechterrollen in den Medien. Diese Unterscheidung ist allerdings sehr viel stärker herauszuarbeiten.
Der Bericht benennt – allerdings nur bei Mädchen – mögliche Folgen dieser Sexualisierung: geringe Selbstachtung, gestörtes Verhältnis zum Körper, gesundheitliche Schäden.
Sexualisierung von Kindern ist aber kein Mädchenproblem. Diese Betrachtungsweise wäre falsch und ist auch eine Schwäche des Berichts.
Die Sexualisierung von Jungen sowie die Wirkung der Sexualisierung von Mädchen auf Jungen werden im Bericht durchgehend heruntergespielt und als nachrangig beachtet, dabei sind Jungen und Mädchen nachweislich gleichermaßen von der Sexualisierung betroffen. Folgen männlicher Sexualisierung werden erst gar nicht angesprochen.
Der Bericht geht zwar darauf ein, dass unrealistische, sexualisierte Vorbilder bei Mädchen und heranwachsenden Frauen Gewalt gegen den eigenen Körper erzeugen können, behandelt aber mit keinem Wort, welche Art von Gewalt bei Jungen und heranwachsenden Männern als Folge von unrealistischen, sexualisierten männlichen Vorbildern entstehen kann.
Auch bei Jungen kann die Sexualisierung zu negativen körperlichen Folgen führen, etwa durch Einnahme von Anabolika zum Muskelaufbau. Im Zusammenhang mit männlicher Gewalt gegen Frauen und queere Menschen wird in der Forschung zudem von „toxic masculinity“ gesprochen, einer übersexualisierten Darstellung von Männlichkeit als gewaltbereit, emotionslos, homophob und gegenüber Frauen sexuell aggressiv.
Inzwischen wird „toxic masculinity“ mit männlicher Gewalt in Verbindung gebracht, wie z.B. auch bei Anschlägen wie in Orlando.
Der Bericht driftet öfters in patriarchale Denkmuster; das sollte abgestellt werden. Auch Prinzessinnen, zumindest die modernen heute, treten selbstbewusst und eigenständig auf.
Insgesamt tendiert der Bericht dazu, Sexualität auf den privaten Bereich zu begrenzen und sieht Eltern als die wichtigsten Ansprechpartner von Kindern in Sachen Sexualität. Aber soll die Sexualaufklärung, wie wir sie vielleicht im Kindesalter noch genossen haben, auch die der Zukunft sein? Wir brauchen eine positive Auseinandersetzung mit Sexualität in den Medien und den Schulen – wir brauchen eine „comprehensive sexual education“, so wie es jetzt auch gerade die UN-Vollversammlung gefordert hat.
Homosexualität, Bisexualität, Transgeschlechtlichkeit, Intersex und andere queere Identitäten werden in dem Bericht komplett tabuisiert, obwohl auch hier Kinder und Heranwachsende betroffen sind. Diese Beschreibung sexueller Identität ist unzureichend.
Fotos: Felix Zahn Copyright: ©Council of Europe