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Rede zum Pflegestärkungsgesetz III

In meiner Rede zum Pflegestärkungsgesetz III habe ich betont: "Wir stärken mit dem Ausbau der Pflegestützpunkte die unabhängige Beratung. Wir stärken die Rolle der Kommunen in der Pflege, um den Pflegebedürftigen, den Menschen mit Beeinträchtigungen und Handicaps und ihren Angehörigen in ihrer vertrauten Umgebung eine erstklassige Pflegeinfrastruktur mit einer umfassenden Pflegeberatung anzubieten.

 40. a) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Dritten Gesetzes zur Stärkung der pflegerischen Versorgung und zur Änderung weiterer Vorschriften (Drittes Pflegestärkungsgesetz – PSG III) Drucksache 18/9518.


 

191. Sitzung Berlin, Freitag, den 23. September 2016

Mechthild Rawert (SPD):

Liebe Bürgerinnen und Bürger! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Unser Ziel, die Vollendung einer großen Pflegereform mit ihren zahlreichen Gesetzen, ist in Sichtweite, und das ist auch gut so.

An der Stelle, Frau Zimmermann, muss ich doch auf Ihren Beitrag eingehen. Erstens ist heute noch nicht die Zeit für großes Wahlkampfgetöse. Zweitens empfehle ich Ihnen, Ihr Recht als Versicherte auf Pflegeberatung - das haben Sie seit 2009 - auch in Anspruch zu nehmen; denn dann würden Sie erfahren, wie viel Gutes im PSG I, wie viel Gutes im PSG II und auch im PSG III steht. Ich kann sagen: Beratung erhöht das Wissen - und das gilt für uns alle.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU - Pia Zimmermann (DIE LINKE): Sagen Sie mal, was Sie vor der letzten Wahl versprochen haben!)

Mit den Pflegestärkungsgesetzen I bis III stellen wir uns den demografischen Herausforderungen in unserer immer älter werdenden Gesellschaft. Wir machen Ernst mit der Aussage „Gute Pflege ist ein Menschenrecht“. Und das ist auch gut so; denn wir brauchen eine zukunftsfeste Pflege im Interesse der heute schon über 2,5 Millionen pflegebedürftigen Menschen - mit stark steigender Tendenz -, im Interesse der pflegenden Angehörigen inklusive ihrer besseren sozialversicherungsrechtlichen Absicherung und im Interesse der Hauptamtlichen, die da, wo es einen Tariflohn gibt, tatsächlich den Tariflohn bezahlt bekommen. All das haben wir geregelt, und das ist gut so und stärkt die Pflege.

Beim Pflegestärkungsgesetz III werden wir auf jeden Fall in diesem Jahr noch die Zielgerade erreichen - das garantiere ich hier -, obwohl wir im parlamentarischen Verfahren noch große Baustellen zu bearbeiten haben und das Struck’sche Gesetz auch hier gilt, das lautet: „Kein Gesetz kommt aus dem Parlament so heraus, wie es eingebracht worden ist.“

Frau Fischbach hat schon ganz verschiedene Bereiche und Felder dieses Gesetzes erwähnt, auf die ich an dieser Stelle nicht mehr eingehen möchte.

Neu ist - das wird also noch kommen -: Dieses Gesetz dient auch als ein Omnibusgesetz. Denn wir senden mit ihm berufspolitische Signale aus, indem wir vorhandene Modellklauseln für die Ergotherapeutinnen und Ergotherapeuten, für die Hebammen und Entbindungspfleger, für die Logopädinnen und Logopäden, für die Masseure und Physiotherapeuten verlängern. Wir treffen Regelungen für die Verbesserung der Qualität unter den Heilpraktikerinnen und Heilpraktikern.

An dieser Stelle eine Anmerkung von mir als sozialdemokratische Gesundheits- und Gleichstellungspolitikerin: Ich verstehe nicht, dass wir den Medizinerinnen und Medizinern rund 1 Milliarde Euro Honorar mehr geben, aber für die vielen zumeist von Frauen ausgeübten Gesundheitsberufe keine professionelleren Strukturen von nachhaltigem Bestand schaffen.

(Beifall bei der SPD)

Wir wollen eine Stärkung der Gesundheitsfachberufe. Das ist auf jeden Fall unser Credo. Dazu sage ich auch: Das sich ärgerlicherweise immer noch im parlamentarischen Verfahren befindliche Pflegeberufereformgesetz soll dazu dienen, dass wir auch hier zu einer besseren Qualität kommen. Hier hoffe ich doch auf professionelle Einsicht in Teilen der Reihen unseres Koalitionspartners.

Eingehen will ich auf einige Punkte zum PSG III. Ein Thema sind die Hilfen zur Pflege. Das Ziel ist, dass die Regelungen aus dem PSG II, die wir bis jetzt beschlossen haben, auch für die Menschen Wirklichkeit werden, die Hilfen zur Pflege laut SGB XII, also dem Sozialhilferecht, erhalten. Das heißt, der neue Pflegebedürftigkeitsbegriff und das neue Begutachtungsverfahren gelten auch hier. Weiterhin soll gelten: Körperlich, kognitiv und psychisch Pflegebedürftige werden gleichgestellt, mit dem Ergebnis, dass mehr Individualität und Gerechtigkeit für alle, unabhängig vom Geldbeutel, gelten.

(Pia Zimmermann (DIE LINKE): Das kommt dann im Pflegestärkungsgesetz IV, oder was?)

Zum PSG III gehören auch die Stärkung der örtlichen Pflegeinfrastruktur und der Ausbau der Pflegeberatung; Fälle, in denen das notwendig ist, habe ich schon erwähnt. Mit diesen Punkten setzen wir Forderungen der SPD aus der letzten Legislaturperiode um. Wir stärken die kommunale Verantwortung. Wir stärken die Infrastruktur vor Ort.

Auf eines möchte ich Sie hinweisen: Viele von Ihnen mögen den Begriff „Pflegestützpunkt“ noch gar nicht gehört haben, aber auch in Ihren Kommunen gibt es diese Pflegestützpunkte.

(Elisabeth Scharfenberg (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Nicht unbedingt!)

Aber es gibt noch nicht genug davon. Hier muss noch mehr Beratung erfolgen. Daher sind auch die 60 Modellvorhaben von so herausragender Bedeutung. Wir wollen die Vernetzung vor Ort stärken.

(Jörn Wunderlich (DIE LINKE): Zum Teil gab es die!)

Wir wollen die individuellen Bedarfe besser abdecken. Wir wollen natürlich auch dazu beitragen, dass kulturelle Hintergründe berücksichtigt und alle Menschen über alle Möglichkeiten vor Ort umfassend informiert werden.

Mit dem PSG III machen wir deutlich: Die Pflegeberatung spielt in der Politik eine zentrale Rolle. Wir wollen, wie gesagt, mehr Pflegestützpunkte vor Ort, initiiert von den Kommunen. Wir wollen mehr Qualität durch bessere Beratung. Dabei soll nicht nur über Angebote der Pflege beraten werden, sondern auch über Angebote der Altenhilfe, der Eingliederungshilfe und auch über die der Pflegeversicherung. Es soll eine „Beratung aus einer Hand“ erfolgen.

Vizepräsidentin Edelgard Bulmahn:

Frau Kollegin, lassen Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Zimmermann zu?

Mechthild Rawert (SPD):

Selbstverständlich, ja.

Pia Zimmermann (DIE LINKE):

Liebe Mechthild Rawert, ich mache kein Wahlkampfgetöse, wenn ich Wahrheiten ausspreche. Mir hätte es eigentlich schon gereicht, wenn die Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten das umgesetzt hätten, was sie vor der letzten Wahl versprochen haben, statt sich durch die Koalition Fußfesseln anlegen zu lassen.

(Beifall des Abg. Matthias W. Birkwald (DIE LINKE))

Aber meine Frage zielt ganz direkt auf die Beteiligung und auf die Beratungsangebote in den Kommunen. Wir wissen doch ganz genau - Mechthild, auch du weißt das -, dass viele von diesen Beratungsstellen gar nicht mehr geöffnet haben. Da muss man sich einmal fragen, woran das liegt.

Jetzt sollen 60 Modellkommunen von insgesamt über 11 000 Kommunen in unserem Land verstärkt Beratungsangebote bereitstellen; das habe ich in meinem Redebeitrag gesagt. Da frage ich mich: Was ist das für ein Ansatz? Das ist ja Kleckern und nicht Klotzen. Wir müssen in der Pflege aber klotzen, um einen Paradigmenwechsel tatsächlich zu erreichen.

Zudem ist für eine Pflegekampagne, mit der wir darauf aufmerksam machen könnten, was wir alles haben - du hast es so schön gesagt: die Vernetzung soll wiederhergestellt werden -, im Haushalt kein Geld eingestellt. Im Haushalt steht an dieser Stelle eine Null. Wie soll ich das denn verstehen?

(Beifall bei der LINKEN)

Mechthild Rawert (SPD):

Es täte mir leid, wenn in Niedersachsen Pflegestützpunkte tatsächlich schließen. Ich kann nur sagen: Hier in Berlin eröffnen wir stetig welche. Ich bin erst vor kurzem bei der Eröffnung des dritten Pflegestützpunktes in meinem Bezirk gewesen.

Zum Thema Wahlkampfgetöse. Ich bin mir nicht ganz sicher, ob es nicht doch Wahlkampfgetöse gewesen ist.

(Maria Michalk (CDU/CSU): Doch, doch!)

Zum Thema Beratung und Vernetzung. Ja, ich fordere jede Kommune auf, sich hier starkzumachen. Wie man weiß, hatten wir hier in Berlin Wahlkampf und auch eine Wahl. Im Vorfeld habe ich zum Beispiel stetig versucht, für den Begriff „Ausbau der Pflegeinfrastruktur“ in meiner Partei zu werben, weil wir - dem Ziel stimme ich zu - eine stärkere Vernetzung brauchen. Wir brauchen eine Aufhebung der Unterteilung in Bereiche; denn das Ziel ist eine „Beratung aus einer Hand“. Mit den Modellprojekten erproben wir diese Beratung. Sie sind dazu da, qualitativ bessere Schritte zu gehen und qualitativ bessere Strukturen zu etablieren. Das soll dann auf alle Kommunen übertragen werden. Ich wünsche mir, dass nach Abschluss der Modellvorhaben jede der 11 000 Kommunen in Deutschland über ein, zwei Pflegestützpunkte in guter bis hoher Qualität verfügt. Dazu sind die Modellvorhaben gut.

(Beifall bei der SPD sowie der Abg. Maria Michalk (CDU/CSU))

Die SPD will eine erstklassige Pflegeinfrastruktur. Mit den neu einzurichtenden Pflegeausschüssen verzahnen wir die ambulante und die stationäre, die medizinische und die pflegerische Versorgung besser miteinander - für eine lückenlose, wohnortnahe und effektive Versorgung. Das ist ein großer Fortschritt, liebe Bürgerinnen und Bürger. Wir wollen eine gute und würdige Pflege für alle. Wir schaffen die Voraussetzungen, dass alle Verbesserungen auch für alle gelten; denn wir wollen in Deutschland gleiche Lebensverhältnisse für alle - unabhängig vom Wohnort - auch in der Pflege. Wir wollen eine hohe Versorgungsqualität überall und für jede und jeden, und das in allen Lebensbereichen, unabhängig davon, ob ein Mensch über ein eigenes Einkommen verfügt oder Hilfen zur Pflege empfängt. Dafür setzt sich die SPD im Rahmen dieses Dritten Pflegestärkungsgesetzes ein. Ich danke der Koalition, dass das im Wesentlichen gelungen ist. Die große Pflegereform greift. Über alles andere wird im weiteren parlamentarischen Verfahren entschieden.

Danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)