Hauptmenü

Die parlamentarische Beratung zum Bundesteilhabegesetz hat begonnen

Das Bundesteilhabegesetz ist eine der großen sozialpolitischen Reformen in dieser Legislaturperiode. Nach der in der Öffentlichkeit bereits rege stattfindenden Diskussion sowohl zum Referenten- als auch zum Kabinettsentwurf findet seit der 1. Lesung des „Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der Teilhabe und Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderungen (Bundesteilhabegesetz - BTHG) (Drs. 18/9522) am 22. September 2016 die Debatte nun auch im Deutschen Bundestag statt. Das begrüße ich sehr.

Das Wichtigste zusammengefasst ist: Kernziel des Bundesteilhabegesetzes ist es, mehr Selbstbestimmung für Menschen mit Behinderungen zu ermöglichen, um ihre umfangreichere gesellschaftliche Teilhabe sicherzustellen. In Zukunft soll ein Antrag zur Gewährung von Leistungen ausreichen. Außerdem können Menschen mit Behinderungen mehr von ihrem Einkommen und Vermögen behalten, und es wird mehr Teilhabe durch Arbeit und Bildung ermöglicht. Des Weiteren wird es Verbesserungen bei Mitbestimmung von Menschen mit Behinderungen in den Werkstätten geben.

Kern und Ziele des Bundesteilhabegesetzes

Kern des Bundesteilhabegesetzes (BTHG) ist das Ziel der Ausgliederung der Eingliederungshilfe aus dem „Fürsorgesystem“ der Sozialhilfe des Sozialgesetzbuch XII. Die Eingliederungshilfe soll Menschen mit Behinderungen oder von Behinderung bedrohten Menschen helfen, sich in die Gesellschaft einzugliedern und die Behinderung und deren Folgen zu beseitigen oder zu mildern. Die Eingliederungshilfe soll im Sozialgesetzbuch IX (SGB IX) - Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen - verankert werden.

Mit dem BTHG wird die Behindertenrechtskonvention der Vereinten Nationen (UN-BRK) weiter umgesetzt. Die UN-Konvention fordert als internationales Übereinkommen die Inklusion, also die gleichberechtigte Teilhabe aller Menschen am gesellschaftlichen Leben. Inklusion ist somit ein Menschenrecht. Der Entwurf des Bundesteilhabegesetzes ist gemäß dem Grundsatz der UN-BRK „Nichts über uns ohne uns“ im engen mehrmonatigen Dialog mit Betroffenenorganisationen vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) erarbeitet worden. Er stellt die Person in den Mittelpunkt, damit Menschen mit Behinderungen die Unterstützung bekommen, die sie für ein selbstbestimmtes Leben brauchen.

Mehr ermöglichen - weniger behindern

Bundesozialministerin Andrea Nahles (SPD) stellte in der Debatte klar, dass es wichtig sei, ein bundeseinheitliches Gesetz für eine bessere Teilhabe von Menschen mit Behinderungen zu schaffen. Damit werde eine gute Basis für die Zukunft gelegt. „Wir können es schaffen, mehr möglich zu machen und weniger zu behindern“, bekräftigte Nahles. Sie bezeichnete das Bundesteilhabegesetz als Quantensprung: „Es geht nicht mehr um Politik für Menschen mit Behinderungen, sondern um Politik mit Menschen mit Behinderungen“.

Die Bedenken, die es gegenüber dem BTHG seitens der Betroffenen und ihrer Angehörigen gebe, nehme die SPD-Fraktion ernst, betonte SPD-Fraktionsvizin Carola Reimann. Sie versicherte: „Es wird keine Verschlechterungen für Betroffene geben.“ Carola Reimann hob hervor, dass durch die unabhängige Beratung von Betroffenen durch Menschen mit Behinderungen die Leistungsberechtigten stärker als ExpertInnen in eigener Sache wahrgenommen würden. So werde mehr mit ihnen, anstatt über sie geredet.

Kerstin Tack, Beauftragte für die Belange von Menschen mit Behinderungen der SPD-Bundestagsfraktion, stellte heraus, dass die SPD-Fraktion in der parlamentarischen Beratung Verbesserungen erzielen wolle. Dazu gehöre es, die Schnittstelle zwischen Eingliederungshilfe, Hilfe zur Pflege und der Pflegekassen ordentlich zu regeln. Des Weiteren gehe es darum, dass Menschen mit geistiger Behinderung auch mehr vom Einkommen behalten und mehr Vermögen bilden können sollten. Außerdem werde die SPD-Fraktion ihr Augenmerk auf die Bildung lenken. Zentral sei auch, dass Menschen mit Behinderungen selbst entscheiden könnten, wo und wie sie leben.

Drohender Behinderung entgegenwirken

Mit dem BTHG sollen die Träger von Rehabilitationsmaßnahmen wie die Bundesagentur für Arbeit oder die gesetzliche Rentenversicherung verpflichtet werden, drohende Behinderungen frühzeitig zu erkennen und gezielte Prävention zu ermöglichen. Ziel ist, die Erwerbsfähigkeit zu erhalten. Um das zu unterstützen, will der Bund Modellvorhaben mit den Jobcentern und der gesetzlichen Rentenversicherung befristet auf fünf Jahre finanziell fördern. Dabei wird geprüft, mit welchen Maßnahmen einer drohenden Behinderung entgegengewirkt werden kann.

BezieherInnen der Eingliederungshilfe sollen deutlich mehr von ihrem eigenen Einkommen behalten können. Ab 2017 sollen die Freibeträge für Erwerbseinkommen um bis zu 260 Euro monatlich erhöht werden. Die Vermögensfreigrenze soll um 25.000 Euro erhöht werden. Sie liegt dann bei 27.600 Euro. Bis 2020 wird die Freigrenze für Barvermögen auf rund 50.000 Euro angehoben werden. EhegattInnen und LebenspartnerInnen werden künftig weder mit ihrem Einkommen noch mit ihrem Vermögen herangezogen. Diese Verbesserungen gelten auch beim gleichzeitigen Bezug von Eingliederungshilfe und Hilfe zur Pflege, wenn die betroffene Person erwerbstätig ist. Auch Beschäftigten in einer Werkstatt für behinderte Menschen (WfbM) wird künftig ein geringerer Teil ihres Arbeitsentgeltes auf die Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung angerechnet.

Leistungen wie aus einer Hand

Wir wollen auch, dass künftig ein einziger Reha-Antrag ausreichen soll, um ein umfassendes Prüf- und Entscheidungsverfahren zu starten, auch wenn Sozialamt, Rentenversicherung, Bundesagentur für Arbeit, Unfall-, Kranken- und Pflegeversicherung für unterschiedliche Leistungen zuständig bleiben. Dank dieses Teilhabeverfahrens wird es nicht mehr nötig sein, sich mit verschiedenen Behörden auseinandersetzen zu müssen, denn es wird Hilfen wie aus einer Hand geben. Dabei steht die Unterstützung, die jemand benötigt, im Vordergrund. Die trägerübergreifende und unabhängige Teilhabeberatung will dazu beitragen, dass Betroffene ihre Rechte besser wahrnehmen können. In den Beratungsstellen soll auch die sogenannte „Peer-Counseling-Methode“ angewandt werden. Das bedeutet Beratung von Menschen mit Behinderungen durch Menschen mit Behinderungen. Das Angebot soll auf bestehenden Strukturen aufsetzen.

Mehr Teilhabe durch Arbeit und Bildung

Menschen mit Behinderungen sollen wählen können, ob sie in einer Werkstatt für behinderte Menschen (WfbM), bei einem anderen Leistungsanbieter oder auf dem ersten Arbeitsmarkt arbeiten wollen. Mit dem „Budget für Arbeit“ werden ArbeitgeberInnen unterstützt, wenn sie Menschen mit wesentlicher Behinderung beschäftigen. Sie erhalten dann Lohnkostenzuschüsse von bis zu 75 Prozent. Ergänzend dazu werden die Kosten für die notwendige Anleitung und Begleitung an der Arbeitsstelle übernommen.

Außerdem wird die Teilhabe an Bildung eine eigene Reha-Leistung. Somit können Assistenzleistungen für höhere Studienabschlüsse wie ein Masterstudium oder in bestimmten Fällen eine Promotion ermöglicht werden.

Mit der Elternassistenz erhalten Eltern mit Behinderungen einen Anspruch auf erforderliche Leistungen bei der Versorgung und Betreuung ihrer Kinder.

Mehr Mitbestimmung und Vertretungsrechte

Gestärkt werden die Schwerbehindertenvertretungen in Unternehmen. Sie erhalten mehr Ansprüche auf Freistellungen und Fortbildungen. Auch die Werkstatträte in den WfbM erhalten mehr Rechte. Für besonders wichtige Angelegenheiten wie Entlohnungsgrundsätze hat der Werkstattrat künftig ein Mitbestimmungsrecht. Zudem werden ab Herbst 2017 Frauenbeauftragte in den WfbM gewählt. Sie vertreten die Anliegen der weiblichen Beschäftigten.

Leistungen gemeinsam in Anspruch nehmen - Poolen

Es ist vorgesehen, dass bestimmte Leistungen für eine Gruppe von Menschen mit Behinderungen zusammengelegt werden können (Poolen), wie die Beförderung über einen Fahrdienst. Damit wird sowohl die Wirtschaftlichkeit der Leistungen im Auge behalten, aber es werden auch Leistungsangebote geschaffen, die für Einzelpersonen gar nicht erbracht werden könnten. Das Poolen soll nur dann zum Zuge kommen, wenn es den Betroffenen zuzumuten ist. Das für die Eingliederungshilfe geltende individuelle Bedarfsdeckungsprinzip wird durch das Poolen nicht eingeschränkt.