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Wohlfahrtsverbände für eine baldige Verabschiedung des Pflegeberufereformgesetzes!

Am 4. November 2016 erhielten alle Abgeordneten der Koalitionsfraktionen im Deutschen Bundestag Post von der Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege e.V. (BAGFW). In dem Schreiben setzt sich Dr. Gerhard Timm, BAGFW Geschäftsführer, für eine Verabschiedung des Pflegeberufereformgesetzes ein. Als Sozialdemokratin und Gewerkschafterin, als Berichterstatterin für die Soziale Pflegeversicherung, als engagierte Frauen- und Gleichstellungspolitikerin unterstütze ich die fachlichen Aussagen des Schreibens ausdrücklich.

Die Freie Wohlfahrtspflege organisiert sich überwiegend in ihren sechs Spitzenverbänden:

  • die Arbeiterwohlfahrt (AWO)
  • der Deutsche Caritasverband (DCV)
  • der Paritätische Gesamtverband (Der Paritätische)
  • das Deutsche Rote Kreuz (DRK)
  • die Diakonie Deutschland - Evangelischer Bundesverband Evangelisches Werk für Diakonie und Entwicklung
  • die Zentralwohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland (ZWST)

Die Verbände arbeiten trotz ihrer unterschiedlichen weltanschaulichen oder religiösen Motive und Ziele in vielen Bereichen zusammen.

Die Bevölkerung, die Beschäftigten und vor allem junge Leute, die im Berufsfeld Pflege tätig werden wollen, brauchen dieses Gesetz!

Auch ich bin der festen Überzeugung, dass wir die Versorgungssicherheit der zunehmenden Anzahl von Pflegebedürftigen und PatientInnen nur mit einer Reform der Ausbildung, mit der Zusammenlegung der derzeit drei Ausbildungen mit einem gemeinsamen Berufsabschluss und mit einem Ausbau akademischer Strukturen für die Pflege sicherstellen können. In keinem Berufsfeld darf Bildung und Wissenschaft eine marginalisierte Rolle spielen - auch in der Pflege nicht, auch in einem „Frauenberuf“ nicht.

Ich kämpfe für die „generalistische Ausbildung“, wünsche mir ein systematisiertes und durchlässiges Fort- und Weiterbildungsangebot für die Beschäftigten und Fachkräfte in der Pflege gemäß des Motos „kein Abschluss ohne Anschluss“. Nur mit einer Modernisierung der Bildungsstrukturen in der Pflege werden wir den Beruf attraktiver machen und dem schon heute konstatierten Fachkräftemangel entgegenwirken können.

Das Schreiben der BAGFW

„Sehr geehrte Frau Rawert,

in diesen Tagen wird der Gesetzentwurf zur Reform der Pflegeberufe erneut intensiv debattiert. Die Verbände der Freien Wohlfahrtspflege unterstützen das Gesetzesvorhaben, welches die bisher getrennten Ausbildungen der Alten-, Kranken- und Kinderkrankenpflege zu einer gemeinsamen Pflegeausbildung zusammenführt, nachdrücklich. Die Verbände der Freien Wohlfahrtspflege stellen ca. 700 Pflegeschulen und gehören somit zu den maßgeblichen Trägern der Ausbildung in den Pflegeberufen.

In den meisten europäischen Ländern gibt es keine Differenzierung der Ausbildung in der Pflege nach Versorgungsbereichen. Sie ist auch nicht mehr zeitgemäß. In Krankenhäusern werden immer mehr pflegebedürftige und demenzkranke Patienten behandelt, aber das medizinische und pflegerische Personal ist zu wenig im Umgang und in den Anforderungen dieser spezifischen Personengruppe geschult. In der Altenpflege nimmt der Bedarf an medizinisch-pflegerischer Versorgung aufgrund der zunehmenden Multimorbidität hochbetagter pflegebedürftiger Menschen immer mehr zu. Sowohl die Langzeitpflege als auch die Akutpflege stehen daher vor Herausforderungen, auf die eine an Kompetenzen und Lernfeldern statt an Altersstufen oder Tätigkeitsfeldern orientierte Ausbildung die richtige Weichenstellung ist. Die problemorientierte, an Kompetenzen und Lebenssituationen ausgerichtete und modular aufgebaute Pflegeausbildung ist die richtige Antwort auf diese Fragen. Sie ist der Kern des vorliegenden Gesetzesentwurfs.

Aus Sicht der Verbände der Freien Wohlfahrtspflege steigt das gesellschaftliche Ansehen des Pflegeberufs durch die gemeinsame Ausbildung, denn die Pflegeausbildung wird auf eine breitere Basis gestellt, indem sie für die Pflege von Menschen unabhängig von Altersphasen qualifiziert. Davon wird vor allem die Altenpflege profitieren, der gesellschaftlich tendenziell ein schlechteres Berufsimage zugeschrieben wird als der hoch angesehenen Krankenpflege.

Dass die Altenpflege damit abgeschafft würde, ist eine Behauptung, die nicht belegt ist. Die Inhalte der Altenpflegeausbildung sind Bestandteil des Kompetenzmodells in der neuen gemeinsamen Ausbildung. Durch das Pflegeberufegesetz entsteht ein neuer Pflegeberuf.

Kritiker der gemeinsamen Pflegeausbildung führen ins Feld, dass künftige Pflegefachkräfte durch die gemeinsame Ausbildung von allem ein bisschen und nichts so richtig könnten. Sie würden entsprechend auch nicht in der Lage sein, nach Beendigung ihrer Ausbildung ihren Beruf unmittelbar ausüben zu können. Die gemeinsame Pflegeausbildung wurde über viele Jahre modellhaft erprobt. In Nordrhein-Westfalen wurde das Curriculum der Altenpflegeausbildung auf der Grundlage dieser Modellvorhaben um Kompetenzen aus der Krankenpflegeausbildung erweitert. Dabei hat sich gezeigt, dass es nicht zu einem Verlust wesentlicher Ausbildungsinhalte kommt, sondern dass ein solides Fundament pflegerischer Qualifikationen erworben wird, welches ein schnelles Einarbeiten in den fachlichen Kontext des jeweiligen Arbeitsbereichs ermöglicht. Verschiedene Pflegeschulen bieten gegenwärtig erfolgreich eine gemeinsame Pflegeausbildung an. Diese Schulen berichten über gute Erfahrungen ihrer Absolventen bei der Berufsintegration. Im Übrigen zeigt sich auch bei den heute noch getrennten Ausbildungen, dass es nach Abschluss der Ausbildung in allen Bereichen der Pflege einer intensiven Einarbeitungszeit („training on the job“) der Berufsanfänger bedarf. Im Sinne des lebenslangen Lernens gehören Fort- und Weiterbildung zur beruflichen Entwicklung dazu, um die Kenntnisse in den erlernten Bereichen zu vertiefen.

Kritiker der gemeinsamen Pflegeausbildung führen als weiteres Argument an, dass durch eine gemeinsame Ausbildung Fachkräfte eine Tätigkeit in der Krankenpflege bevorzugen, weil dort besser bezahlt werde. Dem ist entgegen zu halten, dass auch heute schon Auszubildenden in der Pflege bei gleicher schulischer Zugangsvoraussetzung des Hauptschulabschlusses bzw. mittleren Bildungsabschlusses die Ausbildung in allen drei Berufen möglich ist und dass die Anzahl der Altenpflegeschüler/innen in den letzten Jahren angestiegen ist.

Kommt das Pflegeberufegesetz nicht, können wesentliche Fortschritte, die neben dem gemeinsamen Kompetenzerwerb mit diesem Gesetz auf den Weg gebracht werden, nicht realisiert werden. Zu nennen sind hier beispielsweise:

  • die Schulgeldfreiheit für alle Pflegeberufe in allen Bundesländern
  • verpflichtende Praxisanleitung und deren Finanzierung in der praktischen Ausbildung der Altenpflege, die bisher nur in der Krankenpflege gewährleistet ist
  • die Festlegung von Aufgaben, die allein Pflegefachkräften vorbehalten sind und die zu der dringlich erforderlichen Aufwertung der Pflegeberufe gegenüber anderen Gesundheitsberufen, wie den Ärzten, führen wird
  • die EU-weite Anerkennung des Berufsabschlusses.

Gegenwärtig wird auch eine gemeinsame Pflegeausbildung, die jedoch weiterhin getrennte Berufsabschlüsse vorsieht, politisch diskutiert. Angesichts der Tatsache, dass bereits heute große Anteile der Kompetenzen in der Altenpflege und der Krankenpflege identisch sind, würde ein solcher Ansatz keinen Fortschritt bedeuten.

Wir bitten Sie, in der weiteren Debatte und bei Ihren Entscheidungen, diese Argumente zu wägen. Des Weiteren bitten wir die Fraktionen des Deutschen Bundestages, schnellstmöglich eine Entscheidung bzgl. der Pflegeberufsreform zu treffen. Die Hängepartie für die Einrichtungen, Dienste und Schulen muss beendet werden.

Gerne stehen wir und die Einrichtungen und Dienste der unter dem Dach der BAGFW zusammengeschlossenen Wohlfahrtsverbände für Gespräche und Diskussionen zur Verfügung.“

Ich hoffe, dass tatsächlich alle Abgeordneten von CDU/CSU und SPD den fachlichen Argumenten  folgen - in unser aller Interesse.

Dr. Gerhard Timm,

Geschäftsführer der Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege e.V. (BAGFW)"