Juliane Gleitze, Praktikantin im Wahlkreisbüro von Mechthild Rawert:
Mit über 300 Teilnehmer*innen war die Betriebs- und Personalrätekonferenz der SPD-Bundestagsfraktion am 30. November wieder sehr gut besucht. Angesichts des äußerst aktuellen Themas “Alterssicherung - sicher und gerecht gestalten” und den profunden Gesprächspartner*innen Andrea Nahles, Bundesministerin für Arbeit und Soziales (BMAS), Thomas Oppermann, Vorsitzender der SPD-Bundestagsfraktion und Gundula Roßbach, Direktorin der Deutschen Rentenversicherung Bund, nicht verwunderlich. Intensiv zur Diskussion genutzt wurden auch die vielen Werkstattgespräche.
Alterssicherung 2030+
“Ein besseres Rentenniveau wird etwas kosten”, so Bundesministerin Andrea Nahles. Wenn man allerdings die aktuelle Lage in Deutschland betrachte, werde auch schnell klar, warum.
Knapp 15 Jahre nach der letzten Rentenreform hätten sich die Rahmenbedingungen deutlich verändert. Wirtschaft und Arbeitsmarkt stehen in Deutschland stark da, der Beschäftigungsstand hat Rekordniveau erreicht. Der demografische Wandel bedeutet für den Sozialstaat allerdings die nächste große Herausforderung. Immer weniger Junge müssten für immer mehr Ältere die Rente finanzieren. Dies gilt besonders ab dem Jahr 2020, wenn die geburtenstarken Jahrgänge (1955-1969) in Rente gehen. Aktuell stehen 100 Personen im erwerbsfähigen Alter etwa 35 Menschen im Rentenalter gegenüber, im Jahr 2045 sind dieses allerdings bereits 55 RentnerInnen. Damit auch zukünftig eine ausreichende Absicherung im Alter existiert, ist eine Reform der Alterssicherung überfällig.
Die wichtigsten Punkte aus dem Konzept zur Alterssicherung 2030+:
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Haltelinie für dauerhaft garantiertes Rentenniveau von mindestens 46%
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Haltelinie für einen maximalen Beitragssatz von 22% bis 2030 und 25% bis 2045
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Anpassung an den Wandel der Arbeitswelt durch umfassende Absicherung von Selbstständigen
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Verbesserte Leistungen bei Erwerbsminderung
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Gleiche Renten in Ost und West
In dieser Legislaturperiode können nicht mehr alle Teile des Gesamtkonzeptes umgesetzt werden. Umgesetzt werden soll aber auf jeden Fall die Erwerbsminderungsrente, die durch die Anhebung der Zurechnungszeit auf 65 Jahre gestärkt wird. Damit wird dem deutlich höheren Armutsrisiko von erwerbsgeminderten Menschen entgegengewirkt. Als Teil des Betriebsrentenstärkungsgesetzes sollen außerdem Freibeträge von bis zu 200 Euro eingeführt werden. Vielen der Betriebs- und Personalräte reichen diese Fortschritte noch lange nicht. “Es ist mit 25% nicht 100% möglich!”, konnten Andrea Nahles und Thomas Oppermann darauf nur antworten. Trotzdem wird sich Andrea Nahles weiterhin dafür einsetzen, das System der Alterssicherung weiterhin an veränderte Rahmenbedingungen anzupassen und somit eine verlässliche Altersversorgung zu schaffen.
Weitere Informationen zum Gesamtkonzept zur Alterssicherung finden Sie auf der Webseite des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales.
Die Flexi-Rente - individueller Übergang statt festem Rentenalters
Dr. Martin Rosemann (SPD), MdB, leitete das Werkstattgespräch “Flexible Übergänge in Rente”. Er war federführend am Gesetzentwurf zur Flexi-Rente beteiligt. Die wichtigsten Punkte zur Flexi-Rente:
Weiterarbeiten nach dem 65. Geburtstag lohnt sich. Es gibt 6% Zuschuss für jedes weitergearbeitete Jahr. Bei 2 zusätzlich gearbeiteten Jahren sind das schon 12% mehr Rente. Außerdem gibt es die Möglichkeit Rente in Anspruch zu nehmen, trotzdem aber weiterzuarbeiten. Der Arbeitgeberbeitrag läuft dann weiter, der Arbeitnehmerbeitrag nicht.
Die vorgezogene Voll- oder Teilrente ab dem 63. Geburtstag war bis jetzt nur stufenweise möglich. Dies soll geändert werden, sodass die Teilrente nun stufenlos möglich ist. Außerdem können von nun an bis zu 6.300€ hinzuverdient werden. Jeder weitere hinzu verdiente Euro wird zu 40% an die Rente angerechnet.
Im 45. Lebensjahr wird ein berufsbezogener Gesundheitscheck mit Beratung eingeführt. Mit 45 gibt es ausreichend Zeit für Präventionsarbeit, wie beispielsweise eine Veränderung der Arbeitssituation, oder präventive Sportmaßnahmen. Es gibt Zeit, die richtigen Weichen zu stellen, um den verfrühten Einstieg in die Erwerbsminderungsrente zu verhindern.
Verbesserungsbedarf sieht auch Rosemann noch für Menschen, die zwar nicht gesund genug sind, um das Vollzeitrentenalter zu erreichen, aber „zu gesund“ für die Erwerbsminderungsrente. Diese Menschen, die aufgrund körperlich oder psychisch anspruchsvoller Jobs, nicht mehr bis zum Regelrentenalter arbeiten können, landen mehrheitlich in der Arbeitslosigkeit.
Insgesamt soll die Flexi-Rente jedoch einen flexiblen Übergang in die Rente ermöglichen und eine Verbesserung in der Prävention und Rehabilitation bis Nachsorge bewirken.
Streitgespräch: Arbeitgeber*innen versus Arbeitnehmer*innen
Den Fragen von Kerstin Griese (SPD), MdB, stellten sich Annelie Buntenbach vom Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) und Alexander Gunkel von der Bundesvereinigung der Arbeitgeberverbände (BDA).
„Was ist der wichtigste Aspekt in der Rentenpolitik?“ – schon bei dieser ersten Frage wurden Unterscheidungen deutlich: Der DGB sieht eindeutig die hauptsächliche Herausforderung in der Rentenpolitik im sinkenden Rentenniveau der gesetzlichen Rentenversicherung und fordert gegenteilig eine Stabilisierung und eine anschließende Anhebung. Für den BDA ist nicht das Rentenniveau die Hauptherausforderung, sondern der hohe Anteil von Menschen, die in Abhängigkeit von der Grundsicherung leben. Ein Problem bestehe darin, dass viele Menschen wenige oder nur geringe Qualifikationen hätten oder gar nicht arbeiten würden, so Gunkel.
Annelie Buntenbach kritisierte das Gesamtkonzept zur Alterssicherung. Es sei sehr wichtig, das Rentenniveau zu stabilisieren und auch die von Bundesministerin Andrea Nahles vorgesehene Haltelinie sei begrüßenswert - die Ziellinie der Ministerin von 48% sei aber zu niedrig. Die Gewerkschaften wollen das Rentenniveau auf 48% stabilisieren und dann auf 50% anheben.
Die vom BMAS geplante Haltelinie für das Rentenniveau sei “in Ordnung”, so Alexander Gunkel. Für den BDA ist auch “in Ordnung” die Anhebung der Zurechnungszeit von 62 auf 65 Jahre. Der DGB fordert darüber hinaus noch die Abschaffung der Abschläge bei der Erwerbsminderungsrente.
Der zweiten geplanten Haltelinie im BMAS-Konzept für den Beitragssatz in der gesetzlichen Rentenversicherung, stimmte Alexander Gunkel zu. Langfristig dürfe der Beitragssatz nicht über 22% steigen. Für Annelie Buntenbach stehen nicht so sehr die Prozentzahlen sondern die Gerechtigkeit im Mittelpunkt. Natürlich dürfe der Beitragssatz nicht ins unendliche steigen. Am wichtigsten sei aber, dass der Beitrag gerecht zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer abgeführt werde.
Thematisiert wurde auch die Solidarrente. Die Menschen, die von der Solidarrente profitieren würden, seien, laut Gunkel, doch nicht die Gruppe, die dann Grundsicherung beziehen würden. Das hier investierte Geld sei an anderer Stelle besser eingesetzt, zum Beispiel um die Qualifizierung von Arbeitnehmer*innen zu ermöglichen.
Zusammenfassend kann man sagen, dass es Unterschiede in den Meinungen von DGB und BDA gibt– grundsätzlich wurde das neue Konzept zur Alterssicherung jedoch sowohl von Annelie Buntenbach und Alexander Gunkel, als auch den anwesenden Betriebs- und Personalrät*innen als “ein Schritt nach vorne” bezeichnet, worauf jedoch noch viele weitere Schritte folgen werden.