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Heißt schlechte Gesundheit gleich Armut?

Wie wirkt sich die Gesundheit auf das Armutsrisiko aus? Wie wirkt sich die Armut auf die Gesundheit aus? Macht Krankheit arm und Armut krank? Für diese und noch viele weitere Fragen bietet der vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales jüngst in die erste Ressortabstimmung der Bundesregierung gegebene 5. Armuts-und Reichtumsbericht (ARB) Antworten. Dieser wird nun dort, aber auch bereits in der Gesellschaft breit diskutiert. Nach einer zweiten Ressortabstimmung zur Endfassung des 5. ARB wird dieser voraussichtlich im Frühjahr 2017 vom Bundeskabinett beschlossen werden. Anschließend wird der 5. ARB dem Deutschen Bundestag zugeleitet.

5. Armuts- und Reichtumsbericht: Das Markenzeichen ist mehr Transparenz

Neu ist das Markenzeichen mehr Transparenz, der Beratungsprozess fand öffentlich statt, zahlreiche Verbände waren eingebunden. Grundlagen für den Bericht sind eine Reihe von Studien und Forschungsberichten, in denen das Vermögen und Einkommen unterschiedlicher Bevölkerungsgruppen verglichen wird. In diesen werden unter anderem auch die Zusammenhänge von Gesundheit mit atypischer Beschäftigungsformen, der subjektiven Wahrnehmung der hiesigen Armut und Reichtum sowie der Entwicklung der Armutsrisiken analysiert. Als Skandal empfinde ich es, dass beispielsweise Sozialpflegeberufe einer um 14 Prozent höheren Wahrscheinlichkeit für atypische Beschäftigung ausgesetzt sind als beispielsweise Büro- und Verwaltungsberufe.

Wir wissen alle, dass es in Deutschland nicht allen hier lebenden Menschen gut geht. Die Schere zwischen Arm und Reich klafft in Deutschland zu weit auseinander - und sie schließt sich auch nicht so, wie wir Sozialdemokrat*innen es uns wünschen. Deshalb ist es uns sehr wichtig, intensiv hinzuschauen. Die Armuts- und Reichtumsberichterstattung ist daher ein wichtiges und geeignetes Instrument zur Analyse der sozialen Wirklichkeit in Deutschland. Wir brauchen dessen Daten und Fakten, um die jeweilige Wirklichkeit zum Besseren zu verändern. Wir dürfen aber auch nicht bei der Analyse von Daten und Fakten stehenbleiben, sondern müssen Armut aktiv bekämpfen, indem frühzeitig und präventiv Hilfen angeboten werden. Das erwarte ich von uns Sozialdemokrat*innen zum Beispiel im Hinblick auf die kommende Bundestagswahl.

Dringende politische Konsequenzen müssen wir unter anderem aus folgenden Sachverhalten ziehen: Jede fünfte Person mit schlechtem Gesundheitszustand gilt als armutsgefährdet, die meisten davon sind sogar dauerhaft arm. Besonders von Armutsgefährdung und Leistungsbezug betroffen sind Alleinerziehende und Arbeitslose. Bei Frauen sinkt die Aufstiegswahrscheinlichkeit aus dem Leistungsbezug, je schlechter ihr Gesundheitszustand ist.

Kongress Armut und Gesundheit

Der diesjährige Kongress Armut und Gesundheit - Der Public Health-Kongress in Deutschland steht unter dem Motto „Gesundheit solidarisch gestalten“. Dieser 22. Kongress Armut und Gesundheit findet am Donnerstag und Freitag, 16. und 17. März 2017 an der TU Berlin statt. Aus vielen Perspektiven wird der Zusammenhang Arbeit und Gesundheit diskutiert. Sie sind herzlich eingeladen. Nehmen Sie teil, melden Sie sich an.

Armutsrisiko von Menschen mit Behinderung

Etwa jeder Zehnte in der Bevölkerung Deutschlands hat eine körperliche Beeinträchtigung. Das sollte für die entsprechende Person keine Auswirkungen auf deren Armut oder Reichtum haben -  eigentlich. Zwar ist die Gruppe der körperbehinderten Menschen im Durschnitt nicht weniger vermögend als der Bevölkerungsdurchschnitt. Trotzdem weisen sie aber ein erhöhtes Armutsrisiko auf, etwa 2 Prozent höher als der Bevölkerungsdurschnitt. Die Quote persistenter Armut (verfestigte Armut) ist sogar deutlich höher als der Durchschnitt. Das Medianeinkommen der Menschen mit einer Körperbehinderung betrug 2011 noch 18.388 Euro, allerdings zeigt die Trendlinie für den betrachteten Zeitraum von 2001 bis 2011 nach unten. In diesen Zeitraum fällt aber auch die Zeit der Weltwirtschaftskrise. Zwischen 2002 und 2012 konnten die körperbehinderten Menschen allerdings sowohl Brutto- als auch beim Nettovermögen einen Zugewinn von rund 10.000 Euro verzeichnen.

Macht Krankheit arm?

Jede fünfte Person mit schlechtem Gesundheitszustand muss als armutsgefährdet gelten, die meisten davon sogar als dauerhaft arm. In Deutschland bewertete 2011 etwa jede/r Siebte seinen Gesundheitszustand als „schlecht“ oder „eher schlecht“. Im Durchschnitt war diese Personengruppe etwas über sechzig Jahre alt und nur in geringem Maße erwerbstätig. Der Anteil dauerhaft Armer hat deutlich zugenommen, so war der Wert aus dem Jahr 2011 mit knapp 16 Prozent doppelt so hoch wie zehn Jahre zuvor. Das Einkommen von Menschen mit schlechtem Gesundheitszustand lag um etwa 2.500 Euro niedriger als das Durchschnittseinkommen. Seit 2001 sind die realen Einkommen in dieser Bevölkerungsgruppe um beinahe 1.000 Euro zurückgegangen. Dass zudem 35 Prozent unter den Erkrankten kein und 7 Prozent ein negatives Vermögen besaßen, bedeutet, dass es eine relativ große Gruppe von Personen mit gesundheitlichen Beschwerden gibt, die zugleich vermögensarm sind. Ein überproportional großer Anteil dieser Personen ist über 65 Jahre alt, hier manifestiert sich Altersarmut.

Für die reichsten 10 Prozent der Bevölkerung fallen die Wohnkosten deutlich geringer aus als für den Rest der Gesellschaft. Während die ärmsten 10 Prozent mindestens ein Drittel ihrer Ausgaben für ihre Miete und Wohnkosten aufbringen müssen, sind es bei der reicheren Bevölkerungsschicht nur noch 10-15 Prozent. Bei der Betrachtung der Ausgabenentwicklung lässt sich überdies eine steigende Rolle der Kosten für Gesundheitspflege erkennen.

Die Wahrnehmung von Armut und Reichtum in Deutschland

Anders als Zahlen und Fakten vielleicht vermuten lassen, fühlen sich die meisten Befragten selbst vor allem im Hinblick auf ihren Gesundheitszustand und ihren Status bessergestellt als andere. Die eigene Gesundheitsversorgung wird insbesondere von älteren Menschen nicht besonders stark durch Armut gefährdet gesehen, wie es möglicherweise hätte erwartet werden können. Vielmehr ist diese Angst im mittleren Erwachsenenalter am größten (57 Prozent) und sinkt in der Ruhestandsphase mit 50% auf den niedrigsten Wert aller Lebensphasen. Erstaunlich ist außerdem, dass sich der gefühlte Gesundheitszustand im mittleren Erwachsenenalter deutlich verschlechtert. Gegenüber dem jüngeren Erwachsenenalter fühlen sich die Menschen in dieser Alterskohorte gesundheitlich schlechter als der Rest der Bevölkerung und nur wenige gesünder. In der Ruhestandsphase ist hingegen keine weitere Verschlechterung des relativen Gesundheitszustands ermittelt worden. Gerade hier lässt sich feststellen, dass Gesundheit, Glück und gute soziale Kontakte für die Bürger*innen ebenfalls zum Reichtumsbegriff zählen. Dabei verschieben sich die Ansichten im Laufe der Jahre allerdings. War 2011 die Gesundheit mit 87 Prozent noch der wichtigste Ausdruck von Reichtum, lag sie 2015 mit 73 Prozent nur noch im Mittelfeld.

So wie die allgemeine Zufriedenheit mit der Lebenssituation mit steigendem Bildungsgrad und höherem Einkommen zunimmt, verbessert sich auch der gefühlte Gesundheitszustand mit steigendem Einkommen deutlich.

Dynamik von Armutsrisiken – alleinerziehende Frauen sind besonders gefährdet

Besonders von Armutsgefährdung und Leistungsbezug betroffen sind Alleinerziehende und Arbeitslose. Menschen mit geringem Bildungsniveau, Behinderung und eher schlechtem Gesundheitszustand gelingt der Aufstieg aus dem Leistungsbezug nur selten. Dabei spielt das Vorliegen einer Behinderung weder für die Abstiege in Leistungsbezug noch in Armutsgefährdung eine relevante Rolle. Ein schlechter Gesundheitszustand hingegen erhöht das Eintrittsrisiko in Armutsgefährdung um fast 19 Prozent verglichen mit einer sehr guten gesundheitlichen Situation. Zudem verbleiben Personen mit schlechtem Gesundheitszustand gegenüber anderen auch mit erhöhter Wahrscheinlichkeit in der Armutsgefährdung. Fest steht, dass je schlechter der Gesundheitszustand einer Person ist, die Aufstiegshäufigkeit aus dem Leistungsbezug desto geringer ausfällt. Zwischen den Generationen von Menschen mit eher schlechtem Gesundheitszustand beim Anteil der Leistungsbezieher*innen gibt es kaum Unterschiede. Unterschiede sind dagegen bei Männern und Frauen zu verzeichnen. So erweist sich der Gesundheitszustand bei Männern beispielsweise als kein wichtiger Faktor von Aufstiegen aus dem SGB II-Leistungsbezug. Bei Frauen hingegen sinkt die Aufstiegswahrscheinlichkeit, je schlechter der Gesundheitszustand ist. Bei ihnen tritt der abstiegsbegünstigende und aufstiegshemmende Effekt eines eher schlechten Gesundheitszustands stärker zutage als bei Männern.

Relevant ist der Gesundheitszustand vor allem für Übergänge in die Armutsgefährdung. Studien weisen darauf hin, dass eine physische Benachteiligung bereits im Kindesalter im Allgemeinen mit einer geringeren Leistungsfähigkeit und einem niedrigeren Gesundheitszustand im Erwachsenenalter assoziiert ist und, dass gesundheitsschädliches Verhalten der Mutter während der Schwangerschaft deutlich die Leistungsfähigkeit des Kindes reduziert.

Auch verschiedene Beschäftigungsformen haben Auswirkungen auf Armut und Reichtum in Deutschland. Nicht nur ein schlechter Gesundheitszustand erhöht also das Risiko der Armutsgefährdung. Unternehmen der Branchen Erziehung und Bildung sowie Gesundheits- und Sozialwesen machen besonders oft Gebrauch von atypischen Beschäftigungsformen. Atypische Beschäftigungen bezeichnen dabei Beschäftigungsformen, die vom Normalarbeitsverhältnis wie z.B. unbefristeter, sozialversicherungspflichtiger Vollzeitbeschäftigung abweichen und häufig zur Flexibilisierung eingesetzt werden. So sind Sozialpflegeberufe einer um 14 Prozent höheren Wahrscheinlichkeit für atypische Beschäftigung ausgesetzt als beispielsweise Büro- und Verwaltungsberufe.

Quellen: