In meiner Rede habe ich deutlich gemacht: Gute Arbeit in der Pflege und gute Qualität der Pflege sind zwei Seiten einer Medaille. Gute Arbeit bedeutet gute Personalschlüssel, gute Bezahlung, Wertschätzung und Mitspracherechte. Gute Personalschlüssel und bessere Tarife setzen wir mit der großen Pflegreform dieser Legislaturperiode um. Gute Bezahlung und Wertschätzung setzen eine Pflegeausbildung voraus, in der die Pflege aller Altersgruppen gleich viel wert ist. Die SPD will in der generalistischen Pflegeausbildung die Pflege für alle Altersgruppen zusammenführen – für mehr Qualität und bessere berufliche Chancen. Deswegen mein Appell an die Union: Seien Sie kooperativ!
221. Sitzung Berlin, Donnerstag, den 9. März 2017
Mechthild Rawert (SPD):
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich kann es mir nicht verkneifen, zwei Anmerkungen zu meiner Vorrednerin bzw. zu meinem Vorredner zu machen:
(Erich Irlstorfer (CDU/CSU): Das ist jetzt aber sehr überraschend!)
Pflege ist sehr viel mehr als Altenpflege. Dieses Verständnis ist dringend notwendig, damit wir ein professionelles Pflegeverständnis und eine professionelle Pflegebildung umsetzen und durchsetzen. Altenpflege alleine ist ein Sektor, der uns nicht die entsprechende Lebensqualität garantiert, wenn wir einmal - wir sind durchschnittlich ja auch schon ein bisschen älter - vielleicht auf Pflege angewiesen sein werden.
(Volker Kauder (CDU/CSU): Na, na, na!)
Auch ich kenne die Untersuchung des ZQP. Ja, es ist richtig - das ist tatsächlich gesagt worden, und ich finde es gut, dass es gesagt worden ist -: Pflegepolitik gehört nicht nur in die Mitte der Gesellschaft. Pflegepolitik ist Bestandteil eines großen politischen Entscheidungsnetzwerkes; denn Pflege hat nicht nur gesundheitspolitische und bildungspolitische Elemente, sondern auch mikrotechnische Auswirkungen und sozialpolitische Auswirkungen und, und, und. Darauf weist der Bericht zu Recht hin.
Aber die SPD muss sich nicht verstecken.
(Volker Kauder (CDU/CSU): Nein!)
Wir haben bzw. Martin Schulz hat längst angekündigt,
(Jörn Wunderlich (DIE LINKE): Angekündigt! Seit 150 Jahren kündigt ihr an! - Erich Irlstorfer (CDU/CSU): Wie war der Name? - Weitere Zurufe von der CDU/CSU)
dass Pflege zu einem Kernthema des Wahlkampfes werden wird. Und ich sage Ihnen: Wir gehen gut gerüstet in die Auseinandersetzung.
(Beifall bei der SPD)
Grundlage dieser Debatte sind zwei Anträge. Der Antrag der Linken stammt vom Juli 2016, ist also alt, der Antrag der Grünen ist umso frischer, er stammt von gestern. Beide Anträge beschreiben einerseits reale Herausforderungen, vor denen die Pflege noch steht, andererseits wird so getan, als gäbe es die Pflegestärkungsgesetze nicht, als gäbe es das, was wir hier in der Großen Koalition die große Pflegereform nennen, nicht. Da kann ich nur sagen: Dieses Vergessen ist schade!
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Denn wir haben viel erreicht. Der neue Pflegebedürftigkeitsbegriff und das neue Begutachtungsassessment sind in der Mitte der Gesellschaft angekommen und werden von denen, die es betrifft, auch sehr gelobt.
(Volker Kauder (CDU/CSU): Ach was!)
Wir wollen, dass die Pflegegrade die Grundlage sind, und - das ist auch richtig ausgeführt worden - wir wollen die entsprechenden personellen Zumessungen. Das passiert auch. Sowohl die Einrichtungen in der stationären Langzeitpflege als auch die der ambulanten Dienste sind darüber genauso hocherfreut wie letztendlich die Pflege empfangenden Menschen selbst; denn es funktioniert. Das sagen mir alle Gesprächspartner bei den Besuchen.
Zum Thema Personalbemessung. Wer uns vorwirft, nichts zu tun, zeigt damit nur, dass er noch nicht einmal die Zeitung von dieser Woche gelesen hat. Die Expertinnen- und Expertenkommission „Pflegepersonal im Krankenhaus“ hat die Personaluntergrenzen, die in bestimmten Bereichen nicht unterschritten werden dürfen, genau definiert. Das ist doch genau das, was wir wollen. Auch die Pflege im Krankenhaus gehört zum Bereich Pflege. Meine Bitte lautet: Lesen Sie das nach. Sie können dabei auch Wesentliches über die entsprechenden Indikatoren lesen.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD - Harald Weinberg (DIE LINKE): Noch sehr nebulös!)
Weiterhin geht es mir um Folgendes: Sie haben zu Recht gesagt, dass die Pflegeberufe aufgewertet werden müssen, dass wir eine bessere Bezahlung brauchen. Es stimmt, dass die Pflegequalität mit einer besseren Ausbildung beginnt. Dazu findet man im Antrag der Linken kein Wort,
(Elisabeth Scharfenberg (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Bei uns schon!)
im Antrag der Grünen
(Elisabeth Scharfenberg (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Mehrere Worte!)
findet man das falsche Rezept und bei unserem Koalitionspartner totale Uneinigkeit; dort stellt man sich ja sogar gegen den eigenen Gesundheitsminister Gröhe. Fakt ist doch: Wir brauchen eine zukunftsfähige Ausbildung im Bereich Pflege; wir brauchen die Generalistik; wir brauchen das Pflegeberufereformgesetz;
(Beifall bei der SPD)
und wir brauchen diese Qualifizierung für alle Bereiche der Pflege - nicht mehr segmentiert nach Alter, nicht mehr segmentiert nach Pflegeorten. Nein, was macht denn der jüngere oder der ältere Mensch, wenn er aufgrund von Pflegebedürftigkeit seine Häuslichkeit verlässt, wenn er ins Krankenhaus muss, gegebenenfalls auch noch in die Rehabilitation, möglicherweise sogar in eine stationäre Einrichtung? Der jüngere und der ältere Mensch brauchen die gleiche hochqualifizierte Pflege. Die Grundlage für diese Pflege schaffen wir mit dem Pflegeberufereformgesetz. Wir brauchen also eine Ausbildung für das gesamte Berufsfeld der Pflege, und wir brauchen darauf ausgerichtete Fort- und Weiterbildungsangebote.
Wir haben auch viele Verbesserungen für das Personal erreicht: bessere Personalschlüssel, bessere tarifliche Anerkennung. Als Gewerkschafterin sage ich aber: Selbstverständlich ist noch viel zu tun. Ich fordere uns alle auf, auch die in der Pflege und den Gesundheitsberufen Tätigen,
(Volker Kauder (CDU/CSU): Ach so!)
uns hier verstärkt zu organisieren. Wir stehen ja auch für die Pflegekammern. Es geht um ein gutes Mitspracherecht beim Thema „Qualität in der Pflege“. Dieses Thema betrifft ja nicht nur die Gewerkschaften, sondern auch die Unternehmen.
Wie gesagt, wir haben viel erreicht, aber vieles bleibt auch noch zu tun. Seien Sie gewiss, wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten wollen Qualität in der Pflege. Wir wollen nämlich den Schutz der pflegebedürftigen Menschen gewährleisten. Seien Sie kooperativ. Ich bitte um das Pflegeberufereformgesetz.
Danke schön.
(Beifall bei der SPD - Erich Irlstorfer (CDU/CSU): Das Leben ist kein Wunschkonzert!)