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Bundespräsident Dr. Frank-Walter Steinmeier vereidigt

Bei vollem Plenarsaal, voller Regierungsbank und voller Bundesratsbank hat die Eidesleistung des Bundespräsidenten Dr. Frank-Walter Steinmeier in einer gemeinsamen Sitzung des Deutschen Bundestages und des Bundesrates am 22. März 2017 stattgefunden. Frank-Walter Steinmeier ist am 12. Februar von der 16. Bundesversammlung zum 12. Bundespräsidenten im ersten Wahlgang gewählt worden. Ich gratuliere ihm von Herzen.

Frank-Walter Steinmeier leistete den in Artikel 56 des Grundgesetzes vorgegebenen Amtseid: „Ich schwöre, dass ich meine Kraft dem Wohle des deutschen Volkes widmen, seinen Nutzen mehren, Schaden von ihm wenden, das Grundgesetz und die Gesetze des Bundes wahren und verteidigen, meine Pflichten gewissenhaft erfüllen und Gerechtigkeit gegen jedermann üben werde. So wahr mir Gott helfe.“

„Parteiisch, wenn es um die Sache der Demokratie selbst geht“

In seiner Rede kündigte Steinmeier an, ein zwar überparteilicher, aber kein neutraler Präsident sein zu wollen: „Ich werde parteiisch sein, wenn es um die Sache der Demokratie selbst geht.“ Demokratie sei eine anstrengende Staatsform und die einzige, die Fehler erlaube, weil die Korrekturfähigkeit eingebaut sei. Nie wieder dürfe eine politische Kraft so tun, als habe sie den politischen Willen des Volkes gepachtet: „Lassen Sie uns gemeinsam einstimmig dagegenhalten.“

Das Lebenselixier der Demokratie sei Mut, Demokratie die „Staatsform der Mutigen“. Aber nur die Person kann andere ermutigen und selber Mut erwarten, die selber Mut hat. Die Flucht in die Verzagtheit aus Angst vor der Zukunft ist „nicht unser Weg“. Unter großem Applaus forderte Steinmeier weiter: „Wir müssen über Demokratie nicht nur reden, wir müssen wieder lernen, für Demokratie zu streiten.“ Die deutsche Geschichte habe gezeigt, dass „Demokratie weder selbstverständlich noch mit Ewigkeitsgarantie ausgestattet“ ist. Wir müssen uns um unsere Demokratie kümmern.

Der neuen Faszination für das Autoritäre will Steinmeier den Mut zur Demokratie und zu Europa entgegensetzen. Er werde Partei ergreifen, wenn es um Europa geht: „Mut zu Europa brauchen wir wohl auch heute.“ Für Steinmeier geht aufgeklärter Patriotismus und Einstehen für Europa Hand in Hand.

Unsere Demokratie stehe unter lautem Beschuss, außerdem gebe es eine „Erosion von innen“. Populist*innen riefen zum Kampf gegen das Establishment auf. Steinmeier warb für eine „Kultur des demokratischen Streits“, warb für ein „Dauergespräch unter Demokraten“. Er rügte die Aggressivität der Sprache in der Anonymität des Netzes und appellierte, am „Unterschied zwischen Fakt und Lüge“ festzuhalten.

Engagiert warb Steinmeier die Deutschen dazu auf, populistischen Strömungen offen entgegenzutreten. Die Stärke der Demokratie liege in der Fähigkeit zu Selbstkritik und Selbstverbesserung, sagte Steinmeier. „Demokratie braucht Mut auf beiden Seiten - auf der Seite der Regierten ebenso wie auf der Seite der Regierenden.“

Über Fehlentwicklungen und Probleme müsse offen geredet werden. Ein Beispiel seien ethische Standards in der Wirtschaft. Kritik an hohen Abfindungen und Bonuszahlungen sind keine einfach abzutuenden Neiddebatten.

Bemerkenswert waren die Ausführungen Steinmeiers zur Türkei. Ohne „Hochmut und Besserwisserei“ wolle er auf die Türkei schauen. Er betonte die schwierige Situation des Landes zwischen den Krisensituationen Syrien und Irak ebenso, wie er an die positiven Entwicklungen in der Türkei in den vergangenen Jahrzahnten erinnerte. Der geforderte Mut zur Klarheit zeigte sich aber auch in seinem an den türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdoğan gerichteten Appell: „Beenden sie die unsäglichen Nazi-Vergleiche! Zerschneiden Sie nicht das Band zu denen, die Partnerschaft mit der Türkei wollen! Respektieren Sie den Rechtsstaat und die Freiheit von Medien und Journalisten! Und geben Sie Deniz Yücel frei!“

Deutschland, eine wehrhafte Demokratie

Auch der scheidende Bundespräsident Joachim Gauck sprach in seiner Rede von einer wehrhaften Demokratie, sprach davon, dass sich viele Länder am deutschen Modell des Rechtsstaats, am friedlichen Wechsel von Regierungen, am Sozialstaat orientierten. Deutschland werde als verlässlicher Bündnispartner und Stabilitätsanker geschätzt. Seiner Einschätzung nach empfinden viele in Deutschland lebende Menschen das Erstarken antidemokratischer Kräfte als „Weckruf“: „Viele von uns lernen wieder: Frieden und Demokratie können gewinnen, weil wir sie wollen.“ Demokrat*innen müssten die Freiheit notfalls auch dadurch verteidigen, dass sie für die Feinde der Freiheit begrenzt wird. Gauck rief zu einer Bürger*innengesellschaft auf, die „Einheimische und Eingewanderte“ vereint. „Wir wollen nicht Hass, sondern Dialog, Einbindung und Mitwirkung aller.“

Auch Malu Dreyer, amtierende Bundesratspräsidentin und rheinland­pfälzische Ministerpräsidentin, hatte zuvor darauf verwiesen: „Wir dürfen die Kraft der Emotionen nicht denen überlassen, die unsere offene Gesellschaft bekämpfen“. Sie würdigte unter großem stehendem Beifall des ganzen Hauses die Leistungen von Joachim Gauck, verwies darauf, dass er mit seiner klaren und herzlichen Art das Vertrauen der Menschen gewonnen habe. „Joachim Gauck hat sich um unser Land verdient gemacht.“

Sowohl der scheidende als auch der jetzige Bundespräsident verweisen auf den Wert von Freiheit und Demokratie, beschrieben "Ordnungen, die unverrückbar erschienen“ als sich auflösend. "Freiheit, Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechte verteidigen - diese Aufgabe bleibt!", so ihre eindringliche Mahnung.

Steinmeier will ein „Bürger*innenpräsident“ sein, will bei seiner ersten Deutschlandreise dort hingehen, wo die Demokratie gemacht wird, zu den Kommunalpolitiker*innen, den Ehrenamtlichen, den Flüchtlingshelfer*innen.