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25 Jahre „Europäischer Protesttag zur Gleichstellung von Menschen mit Behinderung“ unter dem Motto „Wir gestalten unsere Stadt. Einfach machen - für alle“

„Nicht länger über uns, ohne uns!“ ist ein Satz, dem auf dem Europäischen Protesttag zur Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen am 5. Mai 2017 besondere Bedeutung zu teil wurde. Ein Satz, der von einer langen Geschichte der Diskriminierung und von der bis heute noch nicht vollständig erlangten Gleichstellung zeugt. Ein kämpferischer Satz. Und so war auch die Stimmung auf dem 25. Europäischen Protesttag zur Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen - kämpferisch. Es schwang in den Worten einzelner Demonstrierender auch hier und da ein wenig Stolz mit ob des hohen Einsatzes und der schon erreichten Erfolge.

Mich hat sehr gefreut, dass Martin Schulz, SPD-Parteivorsitzender und Kanzlerkandidat, den Teilnehmenden eine klare Botschaft zukommen ließ: „Eine gerechte Gesellschaft muss eine inklusive Gesellschaft sein“. Also: Packen wir es an!

Niemand darf wegen einer Behinderung benachteiligt werden

Der Protesttag wurde im Jahr 1992 ins Leben gerufen und wird seitdem europaweit begangen. Ziel ist die Schaffung der Gleichstellung von Menschen mit Behinderung. Seit einigen Jahren wird der Protesttag in Berlin vorbereitet von einem breiten Organisationsbündnis, zu dem unter anderem der Paritätische, der Berliner Behinderten Verband e.V., das Netzwerk für Inklusion, Teilhabe, Selbstbestimmung und Assistenz (NITSA), dynamis e.V. und der Deutsche Gehörlosen-Bund e.V. gehören.

In Deutschland begann der Kampf vor 25 Jahren mit der Forderung nach einer Ergänzung des Grundgesetzes Artikel 3 Absatz 3. Seit 1994 steht nun im Grundgesetz der Satz: „Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden“ angehängt. Einige Jahre später verabschiedete der Deutsche Bundestag das Behindertengleichstellungsgesetz, kurz BGG, und danach folgte das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG). 2006 wurde die UN-Behindertenrechtskonvention von der UN-Generalsversammlung beschlossen. Dieses ist am 26. März 2009 in Deutschland in Kraft getreten. Seitdem ist einiges umgesetzt worden. So hat die Bundesregierung ihren nationalen Aktionsplan zur Umsetzung der Konvention veröffentlicht und auch in einigen Bundesländern gibt es Aktionspläne. Trotz all dieser Erfolge ist der Kampf um die Gleichstellung aber weder gewonnen, noch zu Ende. Wir befinden uns auf einem guten Weg, sind aber noch lange nicht am Ziel.

Freude am Leben durch gerechte Teilhabe

Die Forderung nach einer flächendeckenden, vollständigen und verpflichtenden Barrierefreiheit sei alt - aber noch nicht in allem umgesetzt, so Dr. Sigrid Arnade von der Interessenvertretung Selbstbestimmt Leben in Deutschland e. V. - ISL. Dazu gehört auch die Forderung nach Gebärdendolmetscher*innen für den privaten Bereich und die ehrenamtliche Arbeit. Im Fernsehen beispielsweise seien bis heute nur 60 Prozent der Sender untertitelt und eine Gebärdendolmetschung würde nur in den seltensten Fällen eingeblendet. Die Sensibilität für das Thema Barrierefreiheit sei zwar gewachsen und die sich immer weiterentwickelnde Technik sorge für den Fall einiger Hürden, trotzdem könne in Deutschland noch nicht von einer gänzlichen Barrierefreiheit gesprochen werden. So fordert Sigrid Arnade unter anderem:

  • die Umsetzung des Menschenrechtes auf freie Wahl von Wohnort und Wohnform
  • eine Einkommens- und Vermögensunabhängige Erbringung der behinderungsbedingten Unterstützungsleistungen
  • keine Zwangsmaßnahmen aufgrund von Behinderung
  • die Partizipation von Selbstvertretungsorganisationen behinderter Menschen auf Augenhöhe und die Entwicklung verbindlicher Standards für eine Zusammenarbeit.

Gefordert wird die Einrichtung einer Enquete-Kommission im Bundestag. Diese solle sich mit der Umsetzung der noch ausstehenden Aspekte der Behindertenrechtskonvention beschäftigen.

Verena Bentele, Beauftragte der Bundesregierung für die Belange von Menschen mit Behinderungen war ebenfalls anwesend. Sie forderte auf der Abschlusskundgebung vor dem Brandenburger Tor den Abbau vorhandener Barrieren insbesondere im privaten Sektor ein. Eine auch ihrer Hauptforderungen ist die Abschaffung des pauschalen Wahlrechtsausschluss von über 80.000 Menschen in Deutschland, die eine Betreuung für alle Angelegenheiten haben. Bürgerliche Rechte dürften keinem Menschen aufgrund einer Behinderung entzogen werden. Andere Länder machen es uns vor. Ein inklusives Wahlrecht ist möglich.


Ein bunter Protesttag: Es sollte auch gelacht werden

Frieder und Lukas, zwei Brüder sind das einzige inklusive, professionell arbeitende Clownsduo Deutschlands. Sie unterhielten die Teilnehmer*innen der Abschlusskundgebung auf das Köstlichste. Herzlichen Dank dafür.

Inklusion geht uns alle an

Selbstverständlich habe auch ich wieder an der Demonstration und der Kundgebung zum „Europäischen Protesttag zur Gleichstellung von Menschen mit Behinderung“ teilgenommen. Denn ich setze mich dafür ein, dass alle Menschen gleichberechtigt an unserer Gesellschaft teilhaben können.

Auf der Bühne habe ich zahlreiche Forderungen entgegen genommen, für die auch ich kämpfe:

  • gegen den pauschalen Wahlrechtsschluss von Menschen mit Behinderungen,
  • für den Ausbau des Peer Counseling,
  • für ein Bundesteilhabegesetz, welches sich an der Menschenwürde der Menschen mit Behinderungen orientiert,
  • für barrierefreie Wahllokale und für barrierefreie Gesundheitseinrichtungen.

Die Forderungen wurden mir vom Paritätischen Landesverband Berlin und der Lebenshilfe e.V. Berlin überreicht. Erarbeitet worden sind sie auf dem einen Tag zuvor stattfindenden Fachtag „Politische Teilhabe – Inklusiv gestalten“, an dem Selbstvertreter*innen, Unterstützungsanbieter*innen für Menschen mit Behinderung sowie Vertreter*innen aus Politik, Verwaltung, den Stadtteilzentren und Nachbarschaftseinrichtungen teilgenommen haben. Die Forderungen sind Anregungen für die Wahlprogramme der Parteien und für die Politik der Bundesregierung in der nächsten Legislaturperiode.

Martin Schulz (SPD): „Eine gerechte Gesellschaft muss eine inklusive Gesellschaft sein

Es war mir eine besondere Ehre, den Organisator*innen des Europäisches Protesttags das Grußwort von Martin Schulz zu überreichen. Seine Botschaft ist klar: „Eine gerechte Gesellschaft muss eine inklusive Gesellschaft sein“.

Sehr geehrte Teilnehmerinnen und Teilnehmer,

Am heutigen europäischen Protesttag zur Gleichstellung müssen wir uns daran erinnern: es ist noch viel zu tun, wenn die Ziele der UN-Behindertenrechtskonvention für Inklusion und Teilhabe in allen Lebensbereichen verwirklicht werden sollen.

Die SPD hat sich stets als gestaltende politische Kraft für eine selbstbestimmte Teilhabe aller Menschen eingesetzt. Unser Bundesteilhabegesetz ist ein Meilenstein, der die konkrete Lebenssituation vieler Menschen mit Behinderungen nachhaltig verbessern wird. In unserer Politik folgen wir dem Motto „Nichts über uns ohne uns“. Menschen mit Behinderungen und ihre Organisationen sollen mitentscheiden, wenn es um die Verwirklichung umfassender Teilhabe für alle geht.

Ich denke, dass wir gemeinsam schon viel erreichen konnten. Trotzdem bleibt einiges zu tun. Gerade in diesem Wahljahr, in dem wir über Gerechtigkeit sprechen wollen, muss es heißen: eine gerechte Gesellschaft muss eine inklusive Gesellschaft sein. Dafür wollen wir weiter einstehen.

Ich wünsche Ihnen eine erfolgreiche Veranstaltung und weiterhin alles Gute für Ihre Arbeit.

Herzliche Grüße

Martin Schulz