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Wir gestalten unsere Einwanderungsgesellschaft

Wie viele Menschen sind seit 1950 nach Deutschland eingewandert? Mit dieser Frage überraschte Rüdiger Veit die Teilnehmer*innen des Fachgesprächs „Wie gestalten wir unsere Einwanderungsgesellschaft“. Die richtige Antwort: über 46 Millionen Menschen haben in Deutschland eine dauerhafte oder temporäre neue Heimat gesucht. Damit steht fest, Deutschland ist und war auch in der Vergangenheit schon ein Einwanderungsland.

Unter dem Motto „Wie gestalten wir unsere Einwanderungsgesellschaft“ habe ich gemeinsam mit Rüdiger Veit, MdB und Sprecher der Arbeitsgruppe Migration und Integration, zu einem Fachgespräch am 29.5.2017 in die SPD-Presselobby geladen. Gekommen waren Expert*innen aus verschiedenen Institutionen und Vereinen, die in ihrer täglichen Arbeit mit der Integration von Geflüchteten und Menschen mit Migrationsbiographie zu tun haben. Neben den persönlichen Erfahrungen konnten die Teilnehmenden auch interessante Fakten austauschen.

Höchste Zeit für ein Einwanderungsgesetz             

Einwanderung bringt neue Herausforderungen mit sich, für die es eine verständliche und nachvollziehbare gesetzliche Grundlage geben muss. Es gibt zwar bereits jetzt viele Möglichkeiten der Zuwanderung. Aber in der Praxis zeigt sich, dass die Vorschriften zu wenig bekannt sind und daher kaum zur Anwendung kommen. Die SPD hat daher einen Gesetzentwurf für ein neues Einwanderungsgesetz verfasst, durch das Einwanderung in Zukunft nachvollziehbarer gestaltet werden soll. Sämtliche Vorschriften sollen in ein Gesetz gegossen werden. Rüdiger Veit wies daraufhin, dass die SPD bereits 2001 einen ersten Vorstoß für ein Einwanderungsgesetz gestartet hatte. Bereits damals ist dieser Vorstoß leider am Widerstand von CDU/CSU gescheitert.

Asylrecht ist unantastbar

Das Asylrecht ist unantastbar, dass ist in der SPD unumstritten, das machten Rüdiger Veit und ich deutlich.

Bis Mitte 2015 war es der SPD gelungen eine Reihe von Verbesserungen für Geflüchtete durchzusetzen. Dazu zählte Veit die Aufhebung der Residenzpflicht, die Aufhebung des Arbeitsverbots für Asylsuchende, den unbeschränkten Familiennachzug für Menschen, die subsidiären Schutz genießen sowie die stichtagsunabhängige Bleiberegelung für Geduldete.

Seit dem September 2015 hat in der Asylpolitik ein „Rollback“ stattgefunden, obwohl sich Bundeskanzlerin Merkel für die Grenzöffnung national und international feiern ließ. Ziel der SPD ist es, zu den ursprünglichen Verbesserungen zurückzukehren.

Das Dublin-Verfahren hat sich nicht bewährt, erklärte Veit. Viele Jahre sind die Geflüchteten über die Landgrenze nach Griechenland in die EU gekommen. Griechenland wurde damals mit der Problematik allein gelassen, wie später auch Italien, als die Menschen von Afrika über das Mittelmeer flüchteten. Die Situation für Geflüchtete in Griechenland war so miserabel, dass das deutsche Bundesverfassungsgericht Abschiebungen nach Griechenland 2011 untersagte.

Mittlerweile ist der Landweg durch einen hohen Zaun gesichert, sodass die Menschen die gefährliche Route über das Mittelmeer nehmen müssen. Doch dieser Weg ist gefährlich, jede*r Zehnte kommt bei dem Versuch ums Leben. Wanderungsbewegungen können nicht per Gesetz gestoppt werden, weder in der Sahara noch im Mittelmeer.

Der Ruf nach europäischer Solidarität wurde von der Bundesregierung erst seit September 2015 laut, erklärte Veit. Vorher ignorierte sie die Thematik. Nichtsdestotrotz bedarf es einer europäischen Lösung. Er schlug vor, dass die europäischen Staaten, die keine oder zu wenig Geflüchtete aufnehmen, wenigstens finanziell in einen Solidaritätsfonds einzahlen müssen.

Ein weiteres Problem sind die sehr unterschiedlich Anerkennungsraten zwischen den EU-Ländern, aber auch selbst zwischen den einzelnen Bundesländern. So wird das Asylrecht zu einer Art Schutzlotterie.

Um die Gefahren auf der Flucht zu reduzieren schlug Veit Schutzvisas bereits im Heimatland vor.

Für problematisch hielt Veit Regelung, dass die Verpflichtungserklärung von Pat*innen für Geflüchtete fünf Jahre lang gelten sollen. Das zieht zum Beispiel nach sich, dass Flüchtlingspat*innen unter Umständen die Kosten von Job Center übernehmen müssen.

Ebenso strittig sind die Abschiebungen nach Afghanistan, die erst in der letzten Woche vom Deutschen Bundestag nach dem furchtbaren Anschlag auf die deutsche Botschaft in Kabul ausgesetzt wurden.

Wünsche an die Politik

Bis zum August/September diesen Jahres soll der Antragsberg beim BAMF endlich abgearbeitet sein, informierte Veit. Es war ein hartes Stück Arbeit zu erreichen, dass der Bund einen Großteil der Kosten über die Unterbringung und Integrationsmaßnahmen für die Geflüchteten übernimmt, berichtete Veit. Denn die Integration findet vor Ort statt, daher ist eine bessere finanzielle Ausstattung der Kommunen unumgänglich.

Aus ihren Erfahrungen bei der Vermittlung in Arbeit berichtete eine Mitarbeiterin eines Job-Centers in Berlin. Frühere Ingenieur*innen und Ärzt*innen hätten gute Chancen in Arbeit zu kommen. Große Probleme gäbe es jedoch auch bei Akademiker*innen wie Jurist*innen oder Geisteswissenschaftler*innen, deren Kenntnisse hier in Deutschland nicht anwendbar seien. Viele Geflüchtete seinen bereits sind anderthalb Jahre in Notunterkünften. Hier sinkt die Motivation an den Deutsch- und Integrationskursen teilzunehmen. Frauen und Kinder leiden besonders unter der Situation, werden bei den Integrationsmaßnahmen oft vergessen. Hier sind mehr psychosoziale Maßnahmen notwendig. So sollten Integrationskurse mit Kinderbetreuung angeboten werden, um gerade Frauen zu erreichen.

Eine bessere Vernetzung der Träger, aber auch Erfahrungsaustausche von Vereinen, die in der Geflüchtetenarbeit aktiv sind und insbesondere der ehrenamtlich Tätigen wurde gewünscht. Die Teilnehmenden waren sich einig, dass es mehr finanzieller Unterstützung bedarf damit Wohnraum, Integrationskurse und die psychologische Betreuung von Menschen mit Traumata ausgebaut werden können.

Abschied aus dem Bundestag für Rüdiger Veit

Die Veranstaltung bot für mich die Gelegenheit mich noch einmal bei Rüdiger Veit zu verabschieden, da er den Bundestag zum Ende der Legislaturperiode verlässt. Für seine langjährige Arbeit im Deutschen Bundestag und den unermüdlichen Einsatz als Sprecher der Arbeitsgruppe Migration und Integration der SPD-Bundestagsfraktion für die Interessen von Flüchtlingen und Migranten, danke ich ihm besonders.