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Martin Schulz: Deutschland muss zur Einwanderungsgesellschaft der gleichen Chancen und Teilhabe werden

„Deutschland muss zur Einwanderungsgesellschaft mit gleichen Chancen auf politische, soziale und kulturelle Teilhabe werden“. Das forderte der SPD-Parteivorsitzende und Kanzlerkandidat Martin Schulz in seiner Rede „Zusammen wachsen - ohne Angst und Illusionen gemeinsam die Einwanderungsgesellschaft gestalten“. Seine „Berliner Rede zur Integrationspolitik“ hielt Martin auf Einladung des Berliner Instituts für empirische Integrations- und Migrationsforschung (BIM) und des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin) am 15. August 2017 im Auditorium Friedrichstraße. In seiner rund 50minütigen Rede, die mehrfach durch Applaus unterbrochen wurde, sprach er verschiedene Themenfelder an. Am Anfang als auch am Ende der Rede steht aber das eindeutige Bekenntnis zu Deutschland als Einwanderungsland und Einwanderungsgesellschaft.

Martin Schulz verwies auf Internationalität, Offenheit und Solidarität als Markenzeichen der SPD. Vielfalt ist ein Reichtum. Das Grundgesetz mit seinen Werten, Rechten und Pflichten ist von allen in Deutschland Lebenden zu akzeptieren.

Integration und Teilhabe: Gleiche Chancen ermöglichen

Die Gestaltung von Migration, Integration und gleicher Teilhabe für alle ist die zentrale gesellschaftspolitische Herausforderung der kommenden Jahre, vielleicht Jahrzehnte. Darüber liess Martin Schulz gar keinen Zweifel aufkommen. Ob mit oder ohne eigene oder familiäre Migrationsbiographie: Wir brauchen eine Bildungsoffensive für mehr Gerechtigkeit, wir müssen den Zugang zur gebührenfreien Bildung vor allem denjenigen ermöglichen, bei denen die Eltern nicht unterstützend tätig werden können. „Ich will ein Deutschland, in dem die Herkunft kein Schicksal mehr ist und die Herkunft nicht über die Zukunft entscheidet.“ Während konservative Politiker*innen immer noch von „uns“ und „den anderen“ sprechen, will er faire und gerechte Chancen für alle in der Gesellschaft.

Unser SPD-Kanzlerkandidat hat Recht, wenn er die Diskriminierung auf dem Arbeits- und Wohnungsmarkt - „häufig allein schon wegen eines ausländisch klingenden Namens“ – kritisiert oder die langen Asylverfahren beklagt. Er scheute auch nicht darauf zu verweisen, dass in der Vergangenheit gesellschaftspolitisch etwas schiefgelaufen sein muss, wenn Menschen, die hier aufgewachsen sind oder schon lange in Deutschland leben, einem Autokraten wie Recep Tayyip Erdogan zujubeln.

Integration und Teilhabe sind vorrangig Gesellschaftspolitik – weniger Sicherheitspolitik

Für uns Sozialdemokrat*innen sind Migration, Integration und Teilhabe in erster Linie Aufgaben, die uns alle betrifft. Es gibt nur das gemeinschaftliche Wir der Gesamtgesellschaft. In unseren ministeriellen Strukturen seien wir dafür aber noch nicht gut aufgestellt - hier muss umgesteuert werden. Integration und Teilhabe sind gesellschaftspolitische Themen und keine Frage der inneren Sicherheit", sagte der SPD-Parteichef. Er hält es für einen "fatalen Fehler", wie derzeit die Integrations- und Teilhabedebatten mit Sicherheitspolitik vermischt werde. Die Union mache damit Wahlkampf zulasten des gesellschaftlichen Zusammenhalts in Deutschland.

Das Thema ist derzeit auf zu viele Ministerien verteilt, es braucht mehr Gewicht und Bedeutung, "Wir wollen diese Zuständigkeit künftig an ein starkes Fachministerium andocken." Damit soll gewährleistet werden, "dass die Integrationsdebatte zu mehr Zusammenhalt und nicht zu mehr Spaltung führt". "Natürlich müssen wir unsere Gesellschaft schützen", aber unsere Gesellschaft muss nicht vor Menschen mit Migrationshintergrund geschützt werden, "sondern vor Feinden aller Art, die unsere offene Gesellschaft angreifen". Wir müssen Demokratiefeindlichkeit bekämpfen, egal welche Motive dahinterstehen.

Unmissverständlich erfolgt auch ein Bekenntnis zur doppelten Staatsbürgerschaft bzw. zur Mehrstaatlichkeit. Schulz kritisierte mit Verve die Union, die in der Debatte um Islamist*innen oder türkeistämmige Erdoğan-Anhänger*innen das Thema Mehrstaatlichkeit "hochgekocht" habe. CDU und CSU führten einen Wahlkampf zulasten unseres gesellschaftlichen Zusammenhalts. „Das ist gefährlich.“

Mehr Demokratie- und aktive Antidiskriminierungspolitik

Martin Schulz forderte zudem mehr Schutz vor Diskriminierung. Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes muss gestärkt werden. Außerdem muss das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) weiterentwickelt und sein Anwendungsbereich auf staatliches Handeln (etwa im Bereich Schule, Polizei, Verwaltungsbehörden) ausgeweitet werden.

Es sind neue Instrumente umzusetzen, so die interkulturelle Öffnung aller Wohlfahrtsverbände, öffentlichen Verwaltungen und auch der SPD selbst. Verstärkt umzusetzen sind auch anonymisierte Bewerbungsverfahren und auch Zielvorgaben.

Für Sozialdemokrat*innen unverzichtbar ist auch ein Demokratiefördergesetz, welches für lokale Initiativen und Einrichtungen, die sich für eine friedliche, demokratische Gesellschaft und gegen gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit und Rassismus einsetzen, eine gesicherte Finanzierung und verlässliche Rahmenbedingungen gewährleistet. Bundesministerin Manuela Schwesig hatte bereits im August 2016 einen Entwurf für ein Demokratieförder- und Extremismuspräventionsgesetz vorgelegt, welches leider von der Union blockiert wurde.

Schnellere Asylentscheidungen und ein Einwanderungsgesetz für Deutschland und Europa

Der SPD-Vorsitzende und Kanzlerkandidat mahnte auch schnellere Asylentscheidungen in Deutschland an. Es ist "beschämend", wenn Menschen bis zu zwei Jahre auf eine Entscheidung, ob sie Asyl bekommen oder aus anderen Gründen in Deutschland bleiben dürfen, warten müssten. Es ist eine Frage der "Menschenwürde", dass Menschen nicht über Jahre im Unklaren gelassen würden, so Schulz. Er verwies auch darauf, dass nicht jede Bewerber*in Deutschland bleiben könne.

Wir werden ein Einwanderungsgesetz schaffen, mit dem wir die Einwanderung qualifizierter Arbeitskräfte nach Deutschland besser steuern können. Wer ausreichend fachliche Qualifikationen und ein Jobangebot hat, kann nach Deutschland einwandern. Durch eine flexible Quote wird dieser sich an der Lage auf dem deutschen Arbeitsmarkt orientierende Prozess gesteuert. Sowohl für potenzielle Einwanderer*innen als auch für die hiesige Bevölkerung wird transparent dargestellt, nach welchen Kriterien Erwerbsmigration in Deutschland geregelt wird. Außerdem wollen wir einen „Spurwechsel“ ermöglichen. Wer nach Deutschland flieht, soll unter den entsprechenden Umständen auch einwandern können. „Migration und die Suche nach einer guten Zukunft ist kein Verbrechen. Das hat es in Deutschland schon immer gegeben.“

Die Verteilung von Geflüchteten muss innerhalb Europas gerecht erfolgen. "Solidarität ist keine Rosinenpickerei, sondern ein Prinzip." Erneut erläuterte Martin Schulz seinen Plan, für die Verteilung von Geflüchteten zwischen den EU-Staaten finanzielle Anreize zu nutzen. Mitgliedsstaaten, die vielen Asylsuchenden Schutz bieten, sollen mit finanziellen Mitteln etwa für den Aufbau von Gemeindeeinrichtungen, Schulen oder für die medizinische Versorgung unterstützt werden, diejenigen Staaten, die sich nicht beteiligen, sollen bei der Verteilung von EU-Geld schlechter gestellt werden. Solidarität sei keine Einbahnstraße.

Dank an die Zivilgesellschaft

Martin Schulz dankte den Ehrenamtlichen und Kommunen für ihr Engagement und betonte: "Es reicht nicht zu sagen: Wir schaffen das! und anschließend anderen die Lösung der Probleme zu überlassen.“ Sichergestellt werden müssen auch die notwendigen Investitionen – und dafür steht die SPD.