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Die Bekämpfung sexualisierter Gewalt gegen Kinder wird verschärft

Am 08. September 2020 stellte Bundesjustizministerin Christine Lambrecht ihren Ende August veröffentlichten Referentenentwurf für ein Gesetz zur Bekämpfung sexualisierter Gewalt gegen Kinder den Mitgliedern der Arbeitsgruppen Recht und Verbraucherschutz (RuV) sowie Familie, Senioren, Frauen und Jugend (FSFJ) der SPD-Fraktion vor. Eines wird sehr deutlich: Die effektive Bekämpfung sexualisierter Gewalt gegen Kinder ist für sie eine der wichtigsten gesellschaftspolitischen Herausforderungen und eine zentrale Aufgabe des Staates. Beabsichtigt ist, dass der Gesetzentwurf in Bälde ins Parlament kommt. Ich bin mir sicher: Für uns alle muss der Schutz von Kindern vor solch schlimmen, traumatisierenden Gräueltaten oberste Priorität haben, was sich auch im Strafrahmen widerspiegeln muss.

Der Entwurf beinhaltet Vorschläge zu schärferen Strafen, einer effektiveren Strafverfolgung, Prävention und Qualifizierung der Justiz. Dabei geht es zum einen um weitgehende Reformen im Strafrecht. Da Strafrecht alleine aber nicht ausreicht, liegt ein weiterer Fokus auf Prävention, Stärkung von Kinderrechten und einer besseren und gezielteren Aus- und Weiterbildung der Jugend- und Familienrichter*innen sowie der Staatsanwält*innen. 

Zahl der Kinderpornografiefälle in 2019 deutlich gestiegen

Der Anstieg der bekanntgewordenen Fälle der sexualisierten Gewalt und der Verbreitung und des Besitzes von Kinderpornographie zeigen uns in aller Deutlichkeit die Dringlichkeit eines effektiveren Vorgehen gegen die Täter. Die Polizeiliche Kriminalstatistik 2019 zeigt einen Anstieg für die Delikte der Kinderpornografie um rund 65 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Auch die Zahl der bekanntgeworde-nen Fälle des sexuellen Missbrauchs sind 2019 um elf Prozent im Vergleich zum Jahr 2018 gestiegen. Das Erschreckende ist: Diese Zahlen zeigen aber nur das Hellfeld – viele Taten bleiben unentdeckt. Die Dunkelziffern liegen weitaus höher. Noch nicht erfasst sind in diesen Zahlen die Auswirkungen der Beschränkungen und häuslichen Isolation auf Grund der Corona-Pandemie. Alle Expert*innen rechnen mit dem Bekanntwerden eines weiteren Anstiegs von Gewalt in Familien. Das zeigt: Der Handlungsbedarf ist größer denn je. Der umfassende Gesetzentwurf aus dem Bundesministerium für Justiz und Verbraucherschutz beinhaltet wichtige Maßnahmen und Reformen.

Das Gefährdungspotential für Kinder in der virtuellen und in der realen Welt bekämpfen

Der Gesetzentwurf beinhaltet zunächst eine begriffliche Neufassung der Straftaten als sexualisierte Gewalt gegen Kinder. Dies ist längst überfällig, denn der aktuell verwendete Begriff im Strafrecht „Sexueller Missbrauch“ (§§ 174 ff. StGB) erweckt den Anschein, es könne so etwas wie einen hin-nehmbaren Gebrauch gebe. Des Weiteren blendet der Begriff psychische und emotionale Folgen der sexualisierten Gewalt aus. 

 Es finden Anpassungen im Strafrecht und eine Verschärfung der Straftat-bestände dar:

  • Alle Straftaten der sexualisierten Gewalt gegen Kinder sollen als Verbrechen hochgestuft und gleichzeitig mit höheren Freiheitsstrafen bis zu fünfzehn Jahren geahndet werden. 
  • Bisher existierende Regelungen zu „minder schweren Fällen“ sollen ausnahmslos gestrichen werden. 
  • Die Verbreitung, der Besitz und die Besitzverschaffung von Kinderpornografie soll ein Verbrechen sein, welches mit einer Freiheitsstrafe von bis zu zehn Jahren geahndet werden kann. 
  • Die Verjährungsfrist für die Herstellung kinderpornographischer Inhalte, die ein tatsächliches Geschehen wiedergeben, soll erst mit der Vollendung des 30. Lebensjahrs des Opfers beginnen. 

Prävention und Maßnahmen zur zusätzlichen Qualifizierung der Justiz sind weitere Gesetzesmaßnahmen: 

  • Qualifikationsanforderungen für Familien- und Jugendrichter*innen, Jugendstaatsanwält*innen sowie Verfahrensbeistände von Kindern sollen gesetzlich geregelt und damit konkreter und verbindlicher gefasst werden.
  • Die persönliche Anhörung von Kindern in Kindschaftsverfahren soll auch für Kinder unter vierzehn Jahren vorgeschrieben werden. Es bedarf einer hinreichenden Begründung, falls die Anhörung ausgesetzt wird. Damit sollen die Rechte und Belange der Kinder in den Vordergrund gestellt werden, die bislang bei vielen Verfahren deutlich zu kurz gekommen sind. 
  • Die Fristen für die Aufnahme von relevanten Verurteilungen in das Erweiterte Führungszeugnis werden erheblich angehoben. 

Außerdem wird eine effektivere Strafverfolgung durch eine erleichterte Anordnung von Untersuchungshaft für Fälle schwerer sexualisierter Gewalt angestrebt. 

Wie geht es weiter? 

Ich erwarte noch im Oktober einen diesbezüglichen Kabinettsentwurf. Wir könnten dann im bereits im November die parlamentarischen Beratungen im Deutschen Bundestag durchführen. Ich hoffe, wir haben die 2./3. Lesung noch in diesem Jahr. Wir müssen die Kinder und Jugendlichen stärken und schützen. Ich begrüße es daher sehr, dass auch seitens des Bundesministeriums Familie, Senioren, Frauen und Jugend an neuen Gesetzen zum Schutz der Kinder gearbeitet wird.

Bild 1: vl.n.r.: Dr. Johannes Fechner, Sprecher der Arbeitsgruppe Recht und Verbraucherschutz der SPD-Bundestagsfraktion; Christine Lambrecht, Bundesjustizministerin; Christian Lange, Parlamentarischer Staatssekretär im BMJV

Bild 2: v.l.n.r.: Rieke Sturzenegger, meine Referentin für den Ausschuss Recht und Verbraucherschutz; Mechthild Rawert; Louisa Utschakowski, studentische Mitarbeiterin im Bundestagsbüro