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Meine Persönliche Erklärung zum Dritten Bevölkerungsschutzgesetz

 

Persönliche Erklärung der Abgeordneten Mechthild Rawert zum Abstimmungsverhalten nach § 31 Absatz 1 der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages zu TOP 1 zweite und dritte Lesung zum Entwurf eines Dritten Gesetzes zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemi-schen Lage von nationaler Tragweite am 18.11.2020
Persönliche Erklärung der Abgeordneten Mechthild Rawert zum Abstimmungsverhalten nach § 31 Absatz 1 der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages zu TOP 16, zweite und dritte Beratungen zu den Entwürfen eines … Gesetzes zur Änderung des Bundeswahlgesetzes, Drucksachen 19/22504, 19/22894 und 19/14672 am 8. Oktober 2020.
Nach der Wahl zum 19. Deutschen Bundestag sank der Frauenanteil unter den Abgeordneten von 37,3 Prozent auf 30,7 Prozent. In jedem deutschen Parlament stellen Männer die Mehrheit - mehr als 100 Jahre nach Einführung des Frauenwahlrechts ist das beschämend. 
Leider liegt bisher weder ein zwischen den Koalitionsfraktionen abgestimmter noch von den Oppositionsfraktionen vorgelegter Vorschlag vor, der eine paritätische Vertretung von Frauen und Männern schon bei der nächsten Bundestagswahl 2021 sicherstellt. So wird eine historische Chance verpasst.
Diese fortdauernde, strukturelle Benachteiligung von Frauen in der Politik muss endlich überwunden werden. Sowohl unser Grundgesetz (Art. 3, Abs. 2) als auch internationale Übereinkommen wie die Frauenrechtskonvention der Vereinten Nationen (CEDAW) verlangen bestehende Benachteiligungen von Frauen zu beseitigen. Fakt ist und die gegenwärtige Corona-Krise zeigt es erneut wie im Brennglas: Die Krisenbewältigung sowie Fortschritte zu wichtigen Zukunftsthemen, wie der digitalen Transformation, dem Klimaschutz oder der Stärkung des gesellschaftlichen Zusammenhalts, werden nur gelingen und demokratisch entschieden, wenn Frauen ihre Perspektiven gleichberechtigt einbringen und mitgestalten können. 
Ich bin für die Verankerung der Parität im Wahlrecht für Listen- und Direktmandate. Gleiches fordern gleichstellungsorientierte Frauen* und Männer* aus berufs-, sozial-, gesellschafts- und frauenrechtspolitischen Verbänden, aus Parteien, Gewerkschaften und Kirchen, Sport, Kultur, Medien und Wirtschaft aus allen Regionen Deutschland. 
Fakt ist, dass in vielen europäischen Mitgliedsstaaten Paritätsregelungen bereits erfolgreich angewandt werden, z.B. in Frankreich, Belgien, Spanien, Portugal, Irland, Polen und Slowenien. Diesen guten Beispielen ist zu folgen. Dem Deutschen Bundestag ist ein Paritätsgesetz vorzulegen. Mehr Frauen in den Bundestag - 50:50 ist das Ziel.

Persönliche Erklärung der Abgeordneten Mechthild Rawert zum Abstimmungsverhalten nach § 31 Absatz 1 der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages zu TOP 1 zweite und dritte Lesung zum Entwurf eines Dritten Gesetzes zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite am 18.11.2020.

Die Ausbreitung des neuartigen Coronavirus SARS-CoV-2 hatte und hat Folgen für jede Bürger*in und für den Zusammenhalt unserer gesamten Gesellschaft. Eine der Folgen der am 25. März 2020 im Rahmen des Ersten Bevölkerungsschutzgesetzes vom Deutschen Bundestag erfolgten Feststellung der „epidemischen Lage von nationaler Tragweite“ ist, dass die Exekutive, die Regierungen auf Bundes- und Länderebene, weitreichende Befugnisse zum Erlass von Ver- und Anordnungen erhalten haben. Obgleich sich der Deutsche Bundestag sehr häufig mit den gesundheitlichen, sozialen und wirtschaftlichen Folgen und vor allem auch mit den Herausforderungen einer präventiv orientierten Gesundheitspolitik befasst hat, ist im Laufe der Monate das Spannungsverhältnis von effektiver Pandemiebekämpfung, insbesondere die nicht immer vergleichbaren Maßnahmen der einzelnen Länderregierungen, und das der demokratisch-parlamentarischen Legitimation zunehmend unter Druck geraten. 

Unbestritten ist, dass nur eindämmende Maßnahmen verhindern, dass die Kapazitäten der Krankenhäuser an ihre Grenzen stoßen und bei Überlastung Intensivbetten, Beatmungsgeräte und ausreichend geschultes Personal fehlen. Es gibt das Grundrecht jeder Person auf Leben und körperliche Unversehrtheit, Gesundheitsschutz und soziale Teilhabe für alle waren und sind hochbedeutsam. Notwendig ist es aber auch, gesundheitliche Schutzmaßnahmen kontinuierlich auf ihre Geeignetheit, Erforderlichkeit und Angemessenheit hin zu überprüfen. Dabei dürfen nicht nur gesundheitspolitische Ziele eine Rolle spielen, wichtig sind auch die sozialen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Auswirkungen.

Insofern stellt das heute vom Deutschen Bundestag beschlossene Dritte Bevölkerungsschutzgesetz eine Zäsur dar: Nicht alle, aber viele Forderungen des Positionspapiers der SPD-Bundestagsfraktion „Rechtssicher durch die Corona-Krise – für mehr Parlamentsbefugnisse, Einheitlichkeit und Rechtsicherheit im Krisenmanagement“ werden mit diesem Gesetz umgesetzt. Die Befugnisse der Regierung werden eingeschränkt, die Grundrechte der Bürger*innen gestärkt.

Die Beteiligung des Deutschen Bundestages an der Festlegung der großen Linien der Corona-Politik und der damit verbundenen Entscheidungen über wesentliche Grundrechtseingriffe ist ausgebaut. Die Transparenz, Nachvollziehbarkeit und Schlüssigkeit einzelner Schutzmaßnahmen selbst, aber auch ihre Wirkungen zueinander werden gefördert. Wir Parlamentarier*innen kommen sowohl unserer Pflicht zur Kontrolle der Regierung als auch zur Grundlagengestaltung gesellschaftspolitischer Herausforderungen nach. Als Gesetzgeber definieren wir den Spielraum, innerhalb dessen sich die Regierung bewegen darf. Mit den demokratisch-parlamentarischen Entscheidungen stärken wir die Akzeptanz und das Vertrauen der Bevölkerung in zu treffende Schutzmaßnahmen und in die Abwägung der Eingriffe in unterschiedliche Grundrechte. Aus diesem Grunde stimme ich für das 3. Bevölkerungsschutzgesetz.

Neuer § 28 a Infektionsschutzgesetz (IfSG)

Künftig muss jede Schutzmaßnahme begründet, zeitlich befristet und jeweils durch ein Regelbeispiel im Infektionsschutzgesetz unterlegt werden. Der neue § 28 a Infektionsschutzgesetz (IfSG) ist ein gesetzlich vorgegebener Regelkatalog von 17 möglichen grundrechtseinschränkenden Schutzmaßnahmen. Zudem wird konkretisiert, welche Maßnahmen mit welcher Eingriffsschwere bei welchem Infektionsgeschehen in den Blick zu nehmen sind. Die Länder haben bei Entscheidungen über Schutzmaßnahmen auch soziale, gesellschaftliche und wirtschaftliche Auswirkungen auf den Einzelnen und die Allgemeinheit zu berücksichtigen. Sie sind nun darüber hinaus verpflichtet, die von ihnen getroffenen Rechtsverordnungen über Schutzmaßnahmen mit einer allgemeinen Begründung zu versehen und zeitlich grundsätzlich auf vier Wochen zu befristen und bei einer Verlängerung erneut politisch zu entscheiden. Das schafft Rechtssicherheit. 

Um die Länder, die Gesundheitsämter, die Krankenhäuser oder die Pflege-, Vorsorge- und Rehabilitationseinrichtungen bei der Bekämpfung der Pandemie weiter zu unterstützen, werden weitere Anpassungen im Infektionsschutzgesetz vorgenommen. So wird der Start der Impfstrategie zum 16. Dezember vorbereitet, die Testkapazitäten beispielsweise durch die Einbeziehung der veterinär-medizinischen Labore erhöht, die Überwachung der Impfungen in den Impfzentren sichergestellt. Außerdem werden Voraussetzungen dafür geschaffen, dass Krankenhäuser noch im Dezember weitere finanzielle Hilfe erhalten, um diese bei der Bereithaltung personeller und sachlicher Kapazitäten zur erneut steigenden Behandlung von COVID-19-Patienten zu unterstützen. 

Ich bedauere, dass die Einführung eines Parlamentsvorbehalts von der CDU/CSU blockiert wurde. Die Bundesregierung ist mit dem 3. Bevölkerungsschutzgesetz aber nun verpflichtet, den Bundestag künftig regelmäßig mündlich über die Entwicklung der epidemischen Lage zu informieren. Wir Parlamentarier*innen werden von unseren Informationsrechten gegenüber der Regierung rege Gebrauch machen und diese effektiv nutzen. Zudem darf nicht vergessen werden: Wir Parlamentarier*innen haben immer und grundsätzlich ein Initiativrecht, dem Parlament einen Gesetzesentwurf vorzulegen. Es kommt also auf uns als Abgeordnete an, in lebendigem Streit und mit kritischem Blick die Bundesregierung zu kontrollieren und dem Parlament auch und gerade in der Corona-Krise eine starke Stellung zu sichern. 

Gestreute Lügen zur Spaltung der Gesellschaft

Auch im neu überarbeiteten Infektionsschutzgesetz ist keine Impfpflicht gegen das Coronavirus SARS-CoV-2 enthalten. Nach wie vor gilt, dass die Nachweispflicht bei Masern - seit dem 1. März 2020 müssen alle Kinder ab dem ersten Geburtstag beim Eintritt in den Kindergarten oder die Schule eine Masern-Impfung vorweisen - die einzige Verpflichtung in Bezug auf das Impfen ist. Auch die Behauptung, dass bei der Einreise nach Deutschland eine Impfdokumentation vorzulegen ist, ansonsten werde eine Einreise verweigert, ist falsch. Wir regeln ausschließlich die Frage, ob und gegebenenfalls wie lange Rückkehrer*innen aus einem Risikogebiet in Quarantäne müssen bzw. was zu tun ist, wenn diese ein negatives Testergebnis vorlegen können. Meiner Wahrnehmung nach gibt es eine hohe Akzeptanz in der Bevölkerung, sich gegen das Coronavirus impfen zu lassen – sobald ein solcher Impfstoff denn vorliegt und entsprechende Impfzentren aufgebaut sind.

Verhöhnung der Opfer der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft

Es ist politisch widerwärtig, das Dritte Bevölkerungsschutzgesetz auch nur in die Nähe des „Ermächtigungsgesetzes“ von 1933 zu rücken. Das zeugt von gewollter Geschichtsvergessenheit. Auch im heutigen Bundestag sitzen Abgeordnete, die diese politische Widerwärtigkeit kundtun. Braunes Gedankengut in der AfD zeigt hier deutlich seine Fratze. 

 

Als Demokratin und sozialdemokratische Abgeordnete, die vor wenigen Tagen noch anlässlich der Reichspogromnacht Stolpersteine zur Erinnerung an die Millionen jüdischer Opfer nationalsozialistischer Willkür geputzt hat, ist diese Verhöhnung unerträglich. Unerträglich sind die Anmutungen auch, weil die SPD-Reichstagsfraktion am 23.3.1933 die einzige Fraktion war, die geschlossen das Ermächtigungsgesetz der Nazis abgelehnt hat und somit das Ansehen der deutschen Demokratie rettete. Nur die verbliebenen 94 SPD-Abgeordneten stimmten gegen die Selbstenthauptung der Weimarer Republik. 26 sozialdemokratische Abgeordnete waren bereits inhaftiert oder vor dem Nazi-Terror geflohen. Die 81 Abgeordnete der KPD-Fraktion konnten an der Abstimmung nicht mehr teilnehmen, da diese entweder in Haft, untergetaucht oder auf der Flucht waren.

Das Strucksche Gesetz gilt auch bei sehr zügigen Abstimmungsverfahren

Ja, es ist richtig, dass die Einbringung, die Beratungen und die Verabschiedung des Dritten Bevölkerungsschutzgesetzes im Deutschen Bundestag sehr zügig erfolgt sind. Und dass dieses von Seiten der demokratischen Oppositionsfraktionen kritisiert wird, kann ich nachvollziehen. Das Strucksche Gesetz, nach dem nichts den Bundestag so verlässt wie es eingebracht worden ist, hat sich auch dieses Mal bewahrheitet. Nicht nur Änderungsanträge der Opposition, sondern auch zahlreiche der Koalition selbst, führten zu intensiver Wochenend- und Nachtarbeit. Die aus dem Parlament vorgenommenen Veränderungen waren umfangreich. Das aber gerade zeigt die Stärke unseres Parlamentes: Die Arbeit in den Ausschüssen, die Einholung von Expert*innensachverstand in einer Öffentlichen Anhörung, hat funktioniert. Das ist demokratische Entscheidungskultur. Auch dass am gleichen Tag der Bundestag und der Bundesrat entscheiden und das Gesetz dem Bundespräsidenten zur Unterschrift zugeleitet wird, passiert selten, ist aber keineswegs einmalig. Die Verkündung im Bundesgesetzblatt und die in Kraftsetzung soll sehr zügig erfolgen, u.a. damit die Grundlagen für die Errichtung der Testzentren ab dem 16. Dezember ermöglicht werden.

Die gesellschaftspolitische Daueraufgabe

Meine Sorge, dass die Corona-Krise zu einer Re-Traditionalisierung der Geschlechterverhältnisse beiträgt, ist groß. Ich unterstütze die Forderungen des Deutschen Frauenrates und vieler anderer gesellschaftlicher Organisationen nach tiefgreifenden wirtschafts-, finanz- und sozialpolitischen Veränderungen. Frauen* und Männer* brauchen und wollen gleiche Verwirklichungschancen in allen Lebens- und Arbeitsbereichen. Kämpfen wir gemeinsam für den Abbau des Equal Care Gaps, des Gender Pay Gaps, des Gender Pension Gaps, um nur einige der ungerechten Benachteiligungen von Frauen zu fokussieren.