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Bei Kontaktbeschränkungen besondere Bedürfnisse berücksichtigen

Erste Anhörung des Parlamentarischen Begleitgremiums Covid-19-Pandemie zu Kontaktreduzierung und Kontaktsettings

Das Parlamentarische Begleitgremium Covid-19-Pandemie (PBG) hat sich am Donnerstag, dem 29. April 2021 in einer Öffentlichen Anhörung mit dem Thema „Evidenzbasierte Kontaktreduzierung und risikoarme Kontaktsettings im Alltag“ befasst.
Dieses Gremium wurde jüngst vom Deutschen Bundestag als Unterausschuss des Gesundheitsausschuss eingerichtet, um sich intensiver mit den zahlreichen gesundheitlichen und sozialen Fragen zu befassen, die die Bewältigung der Covid-19-Pandemie als gesamtgesellschaftliche Herausforderung mit sich bringt. Ihm gehören 21 Mitglieder aus allen Fachausschüssen an.
Als Ordentliches Mitglied des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz nehme ich als stellvertretendes Mitglied an den von nun bis zur Bundestagswahl wöchentlichen Sitzungen des PBG Covid-19-Pandemie teil.

Zusammenspiel der Maßnahmen

In den Eingangsstatements der Sachverständigen ging es zunächst um Forschungsergebnisse zur Effektivität von kontaktbeschränkenden Maßnahmen, um Modelle zur Beschreibung des Infektionsgeschehens und um wirksame Möglichkeiten zur Eindämmung der Pandemie. Schwer identifizierbar sei der genaue Anteil einzelner der bundesweit geltenden Regelungen des vom in der vergangenen Woche im Deutschen Bundestag beschlossenen 4. Infektionsschutzgesetzes am Anstieg oder Rückgang der Inzidenzzahlen. Sicher sei aber die Wirksamkeit des Verbots von Großveranstaltungen. Einigkeit bestand darin, dass nur ein „Bündel von Maßnahmen“ dazu führen wird, die Corona-Pandemie in absehbarer Zeit zu besiegen. Dazu gehören auch Schutzmaßnahmen wie das Tragen der Masken und eben auch die Beschränkungen von Kontakten. 

In der anschließenden Fragerunde wurde unter anderem darauf hingewiesen, dass bei den getroffenen Maßnahmen – u.a. bei den vorübergehenden Kontaktbeschränkungen, den flächendeckenden Testungen oder dem Fortschritt bei den Impfungen – immer auch die sozio-ökonomischen Verhältnisse berücksichtigt werden müssen. So trage nach den vorliegenden Erkenntnissen beispielsweise eine enge Wohnsituation maßgeblich zur Ausbreitung von Infektionen bei. Überzeugend fand ich die Warnung von möglichen Jojo-Effekten. Gemeint ist letztlich, dass wir die Inzidenzzahlen erst wirklich niedrig bekommen müssen, bevor es zu einer großen Aufhebung der kontaktreduzierenden Maßnahmen kommen kann. Ansonsten würde es ein fortwährendes Auf und Zu, Auf und zu der Lockdown-Maßnahmen.  

Besondere Bevölkerungsgruppen

Seitens der SPD-Fraktion wurde auf meine Initiative hin im Kontext der Angemessenheit von Kontaktbeschränkungen darauf verwiesen, dass besondere Bevölkerungsgruppen gesondert in den Blick zu nehmen sind, da sie im Hinblick auf ihre Lebensgestaltung und ihr soziales Umfeld spezifische Bedingungen und Bedürfnisse haben.

So werden beispielsweise bei den derzeitigen Debatten über Öffnungen und Privilegien für Geimpfte und Genesende ausgerechnet Kinder und Jugendliche – für die noch kein zugelassener Impfstoff vorliegt - nicht genügend berücksichtigt. Diese mussten im zurückliegenden Jahr auf vielerlei Dinge – nicht nur die Schule! – verzichten. Während (junge) Erwachsene manche Einschränkungen wie eine nächtliche Ausgangssperre schon als Zumutung empfinden, befinden sich Kinder und Jugendliche in einer wichtigen Lebensphase, in der sie für ihre Identitätsfindung, Persönlichkeitsentwicklung usw. auf unterschiedliche Bezugspersonen (bspw. Lehrer*innen, Trainer*innen, Gleichaltrige) angewiesen sind. Natürlich muss es in allererster Linie darum gehen, sie zu schützen, aber irgendwann brauchen sie ihre Normalität zurück. Dass geimpfte Erwachsene meinen, sich nun auf einen Sommer im Schwimmbad freuen zu können, die Kontaktbeschränkungen am Arbeitsplatz aber noch nicht wirksam genug sind, während Kinder und Jugendliche weiter Verzicht üben sollen, empfinge ich als ungerecht.

Auch andere Gruppen wie Menschen mit Beeinträchtigungen, die in Einrichtungen der Behindertenhilfe oder Sozialpsychiatrie untergebracht sind, haben im zurückliegenden Jahr hinsichtlich ihrer sozialen Kontakte und ihres Lebensumfelds erhebliche Einschränkungen hingenommen. Wenn es nun darum geht, Kontaktbeschränkungen schrittweise wieder aufzuheben, dürfen Menschen mit Behinderungen oder psychischen Erkrankungen nicht wieder vergessen oder vernachlässigt werden.

Auch Menschen, die von Wohnungslosigkeit betroffen sind und auf der Straße leben, waren im Verlauf der Pandemie zusätzlichen Benachteiligungen und Schwierigkeiten ausgesetzt. Dass sie in Zeiten, in denen zahlreiche Hilfeangebote nur eingeschränkt erreichbar oder ganz geschlossen waren und auch keine gesonderten Maßnahmen zu ihrem Schutz stattgefunden haben, im Zusammenhang mit Ausgangssperren teilweise noch zusätzlich kriminalisiert und drangsaliert wurden, ist meiner Meinung nach nicht hinnehmbar.

Die weitere Arbeit des PGB Covid-19-Pandemie

Der Arbeitsbereich des Parlamentarischen Begleitgremiums Covid-19-Pandemie umfasst im Wesentlichen drei große Themenblöcke. Zunächst wird es im weiteren Verlauf um Fragen der Pandemiebekämpfung gehen, wozu beispielsweise die Erforschung des Virus und seiner Mutationen, Chancen durch Digitalisierung sowie internationale Aspekte gehören.

Der zweite Themenblock umfasst den Komplex der Impfungen, mit dem sowohl die Entwicklung und Zulassung von Impfstoffen als auch der Zugang zur Impfung und die damit verbundenen ethischen, sozialen und rechtlichen Aspekte gemeint sind. Schließlich sollen auch die gesellschaftlichen Auswirkungen der Pandemie und der damit verbundenen Kontaktbeschränkungen in den Blick genommen werden.

Als Erkenntnisquelle dienen dem Begleitgremium öffentliche Anhörungen von Sachverständigen und Expert*innengespräche. Zudem wird die Bundesregierung das Gremium regelmäßig über das aktuelle Infektionsgeschehen und anlassbezogen zu aktuellen Fragen der Pandemiebekämpfung unterrichten.

Ich selbst werde mich zusammen mit den Kolleg*innen der SPD-Bundestagsfraktion auch weiterhin dafür einsetzen, dass die sozialen Auswirkungen der Pandemie, die notwendigen Unterstützungsmaßnahmen und die besonderen Bedarfslagen von bestimmten Bevölkerungsgruppen nicht aus dem Blick geraten, sondern immer wieder ausdrücklich thematisiert werden. Denn die Bewältigung der Covid-19-Pandemie ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, die uns alle angeht und bei der niemand vergessen werden darf.

(Foto: Mechthild Rawert, MdB) 


Erste Anhörung des Parlamentarischen Begleitgremiums Covid-19-Pandemie zu Kontaktreduzierung und Kontaktsettings

Das Parlamentarische Begleitgremium Covid-19-Pandemie (PBG) hat sich am Donnerstag, dem 29. April 2021 in einer Öffentlichen Anhörung mit dem Thema „Evidenzbasierte Kontaktreduzierung und risikoarme Kontaktsettings im Alltag“

https://www.bundestag.de/#url=L2Rva3VtZW50ZS90ZXh0YXJjaGl2LzIwMjEva3cxNy1wYS1nZXN1bmRoZWl0LWtvbnRha3RyZWR1emllcnVuZy04MzY5MjQ=&mod=mod531790



 befasst. Dieses Gremium wurde jüngst vom Deutschen Bundestag als Unterausschuss des Gesundheitsausschuss eingerichtet, um sich intensiver mit den zahlreichen gesundheitlichen und sozialen Fragen zu befassen, die die Bewältigung der Covid-19-Pandemie als gesamtgesellschaftliche Herausforderung mit sich bringt. Ihm gehören 21 Mitglieder aus allen Fachausschüssen an. Als Ordentliches Mitglied des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz nehme ich als stellvertretendes Mitglied an den von nun bis zur Bundestagswahl wöchentlichen Sitzungen des PBG Covid-19-Pandemie

https://www.bundestag.de/ausschuesse/a14/pandemie

 teil.

Zusammenspiel der Maßnahmen

In den Eingangsstatements der Sachverständigen ging es zunächst um Forschungsergebnisse zur Effektivität von kontaktbeschränkenden Maßnahmen, um Modelle zur Beschreibung des Infektionsgeschehens und um wirksame Möglichkeiten zur Eindämmung der Pandemie. Schwer identifizierbar sei der genaue Anteil einzelner der bundesweit geltenden Regelungen des vom in der vergangenen Woche im Deutschen Bundestag beschlossenen 4. Infektionsschutzgesetzes am Anstieg oder Rückgang der Inzidenzzahlen. Sicher sei aber die Wirksamkeit des Verbots von Großveranstaltungen. Einigkeit bestand darin, dass nur ein „Bündel von Maßnahmen“ dazu führen wird, die Corona-Pandemie in absehbarer Zeit zu besiegen. Dazu gehören auch Schutzmaßnahmen wie das Tragen der Masken und eben auch die Beschränkungen von Kontakten. 

In der anschließenden Fragerunde wurde unter anderem darauf hingewiesen, dass bei den getroffenen Maßnahmen – u.a. bei den vorübergehenden Kontaktbeschränkungen, den flächendeckenden Testungen oder dem Fortschritt bei den Impfungen – immer auch die sozio-ökonomischen Verhältnisse berücksichtigt werden müssen. So trage nach den vorliegenden Erkenntnissen beispielsweise eine enge Wohnsituation maßgeblich zur Ausbreitung von Infektionen bei. Überzeugend fand ich die Warnung von möglichen Jojo-Effekten. Gemeint ist letztlich, dass wir die Inzidenzzahlen erst wirklich niedrig bekommen müssen, bevor es zu einer großen Aufhebung der kontaktreduzierenden Maßnahmen kommen kann. Ansonsten würde es ein fortwährendes Auf und Zu, Auf und zu der Lockdown-Maßnahmen.  

Besondere Bevölkerungsgruppen

Seitens der SPD-Fraktion wurde auf meine Initiative hin im Kontext der Angemessenheit von Kontaktbeschränkungen darauf verwiesen, dass besondere Bevölkerungsgruppen gesondert in den Blick zu nehmen sind, da sie im Hinblick auf ihre Lebensgestaltung und ihr soziales Umfeld spezifische Bedingungen und Bedürfnisse haben.

So werden beispielsweise bei den derzeitigen Debatten über Öffnungen und Privilegien für Geimpfte und Genesende ausgerechnet Kinder und Jugendliche – für die noch kein zugelassener Impfstoff vorliegt - nicht genügend berücksichtigt. Diese mussten im zurückliegenden Jahr auf vielerlei Dinge – nicht nur die Schule! – verzichten. Während (junge) Erwachsene manche Einschränkungen wie eine nächtliche Ausgangssperre schon als Zumutung empfinden, befinden sich Kinder und Jugendliche in einer wichtigen Lebensphase, in der sie für ihre Identitätsfindung, Persönlichkeitsentwicklung usw. auf unterschiedliche Bezugspersonen (bspw. Lehrer*innen, Trainer*innen, Gleichaltrige) angewiesen sind. Natürlich muss es in allererster Linie darum gehen, sie zu schützen, aber irgendwann brauchen sie ihre Normalität zurück. Dass geimpfte Erwachsene meinen, sich nun auf einen Sommer im Schwimmbad freuen zu können, die Kontaktbeschränkungen am Arbeitsplatz aber noch nicht wirksam genug sind, während Kinder und Jugendliche weiter Verzicht üben sollen, empfinge ich als ungerecht.

Auch andere Gruppen wie Menschen mit Beeinträchtigungen, die in Einrichtungen der Behindertenhilfe oder Sozialpsychiatrie untergebracht sind, haben im zurückliegenden Jahr hinsichtlich ihrer sozialen Kontakte und ihres Lebensumfelds erhebliche Einschränkungen hingenommen. Wenn es nun darum geht, Kontaktbeschränkungen schrittweise wieder aufzuheben, dürfen Menschen mit Behinderungen oder psychischen Erkrankungen nicht wieder vergessen oder vernachlässigt werden.

Auch Menschen, die von Wohnungslosigkeit betroffen sind und auf der Straße leben, waren im Verlauf der Pandemie zusätzlichen Benachteiligungen und Schwierigkeiten ausgesetzt. Dass sie in Zeiten, in denen zahlreiche Hilfeangebote nur eingeschränkt erreichbar oder ganz geschlossen waren und auch keine gesonderten Maßnahmen zu ihrem Schutz stattgefunden haben, im Zusammenhang mit Ausgangssperren teilweise noch zusätzlich kriminalisiert und drangsaliert wurden, ist meiner Meinung nach nicht hinnehmbar.

Die weitere Arbeit des PGB Covid-19-Pandemie

Der Arbeitsbereich des Parlamentarischen Begleitgremiums Covid-19-Pandemie umfasst im Wesentlichen drei große Themenblöcke. Zunächst wird es im weiteren Verlauf um Fragen der Pandemiebekämpfung gehen, wozu beispielsweise die Erforschung des Virus und seiner Mutationen, Chancen durch Digitalisierung sowie internationale Aspekte gehören.

Der zweite Themenblock umfasst den Komplex der Impfungen, mit dem sowohl die Entwicklung und Zulassung von Impfstoffen als auch der Zugang zur Impfung und die damit verbundenen ethischen, sozialen und rechtlichen Aspekte gemeint sind. Schließlich sollen auch die gesellschaftlichen Auswirkungen der Pandemie und der damit verbundenen Kontaktbeschränkungen in den Blick genommen werden.

Als Erkenntnisquelle dienen dem Begleitgremium öffentliche Anhörungen von Sachverständigen und Expert*innengespräche. Zudem wird die Bundesregierung das Gremium regelmäßig über das aktuelle Infektionsgeschehen und anlassbezogen zu aktuellen Fragen der Pandemiebekämpfung unterrichten.

Ich selbst werde mich zusammen mit den Kolleg*innen der SPD-Bundestagsfraktion auch weiterhin dafür einsetzen, dass die sozialen Auswirkungen der Pandemie, die notwendigen Unterstützungsmaßnahmen und die besonderen Bedarfslagen von bestimmten Bevölkerungsgruppen nicht aus dem Blick geraten, sondern immer wieder ausdrücklich thematisiert werden. Denn die Bewältigung der Covid-19-Pandemie ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, die uns alle angeht und bei der niemand vergessen werden darf.