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Eine vierte Welle kann niemand gebrauchen

Parlamentarisches Begleitgremium Covid-19-Pandemie nimmt Folgen für verschiedene Branchen in den Blick

In der öffentlichen Anhörung des Parlamentarischen Begleitgremiums zur Covid-19-Pandemie am Donnerstag, dem 10. Juni 2021, standen die Folgen der Covid-19-Pandemie für verschiedene Branchen (Kultur, Gastronomie, Einzelhandel, Innenstädte etc.) auf dem Programm. So unterschiedlich die Branchen sind, so verschieden sind sie durch die Corona-Krise gekommen und so unterschiedlich sind auch die Herausforderungen und Bedarfe, wenn es jetzt darum geht, die mittelfristigen Folgen der Einschränkungen zu bewältigen und nach dem Ende der Pandemie eine (neue) Normalität wiederherzustellen. Aber in einem Punkt sind sich alle einig: Eine vierte Welle kann niemand gebrauchen.

Dramatische Situation in der Kultur

Am härtesten hat es vielleicht die Kultur getroffen: So hilfreich die Unterstützungsprogramme im Kulturbereich auch waren, die vergangenen 15 Monate waren eine „Katastrophe“ und eine ausgesprochen dramatische Situation für zahlreiche Kultureinrichtungen und Künstler*innen , unter anderem für die Filmbranche und die Darstellende Kunst. Dementsprechend groß sind derzeit die Hoffnungen in Öffnungen.

Wichtig ist vor allem, sich bewusst zu machen, dass die Pandemie noch nicht zu Ende. Noch bestehen umfassende Schutzmaßnahmen, die einen Normalbetrieb erschweren oder zumindest aufwendiger machen. Auch ist zu befürchten, dass die Kulturfinanzierung massive Probleme bekommen wird, wenn – ebenfalls als mittelbare Folge der Corona-Krise – die öffentlichen Kassen leer(er) sind. 

Umso wichtiger war es, dass es während der Pandemie spezifische Programme und zielgerichtete Unterstützungen, unter anderem Stipendien für Künstler*innen gab. Das größte Problem lag und liegt im Bereich der Soloselbstständigen. Erklärtes Ziel im Kulturbereich sollte es sein, perspektivisch mehr sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse und damit eine bessere Absicherung zu schaffen.

Kultur ist ein „must-have“

Eine besondere Problematik kommt im Veranstaltungsbereich, namentlich bei den Clubs hinzu: Sie befanden sich in den zurückliegenden 15 Monaten im Dauerlockdown und hatten bzw. haben keine Möglichkeit, ihre Veranstaltungen nach draußen zu verlegen. Durch die sehr heterogenen Strukturen und unterschiedlichen Situation der einzelnen Kulturstätten ist es sehr schwierig, pauschale Hilfen oder Empfehlungen für geeignete Öffnungsschritte zu entwickeln.

Eine weitere Problematik besteht darin, dass die Kontrolle von Geimpften, Genesenen oder Getesteten zwar prinzipiell möglich wäre, sich viele Clubs aber aufgrund ihres besonderen Publikums gegen die Erhebung von persönlichen Daten verwehren. Das hat oftmals etwas mit der Sozialstruktur zu tun, denn beispielsweise gehören Menschen aus dem LGBTIQ-Bereich zu den Club-Gänger*innen. 

Kultureinrichtungen, auch die Clubs haben oft auch eine soziale Funktion. Bei den Clubs hat diese Dimension während der Pandemie sehr gelitten. Die Lehre, die aus der Covid-19-Pandemie für die Zukunft daher zu ziehen ist: Kultur ist systemrelevant – sie ist kein „nice-to-have“, sondern ein „must-have“.

Fehlende Fachkräfte

Ein großes Problem, das der Kulturbereich mit anderen Branchen teilt, ist die Abwanderung des Personals. Dies ist unbedingt zu beachten, wenn es um die Zukunftssicherung der Betriebe geht. Selbst im Gesundheitsbereich war das zentrale Problem während der Pandemie nicht in erster Linie die Ausstattung mit Material etc., sondern das nicht ausreichende Personal. 

In den letzten 15 Monaten wurde Corona-bedingt zu wenig ausgebildet und auch Maßnahmen der Berufsorientierung sind ausgefallen. Im Ausbildungsbereich braucht es umgehend branchenübergreifend Unterstützungsleistungen. Es sind gezielte Förderungen notwendig, um dem Fachkräftemangel in vielen Berufen entgegenzuwirken.

Fachkräfte fehlen vor allem auch in der Gastronomie. Hier wie im Handel und in der Industrie hätten zahlreiche Unternehmen ohne die Hilfen der Bundesregierung nicht weiter existiert. Daher gibt es seitens vieler Akteur*innen, die vor der drohenden Insolvenz standen, große Dankbarkeit. Insbesondere das auf maßgebliches Betreiben der SPD-Bundestagsfraktion eingeführte und dann auch noch aufgestockte Kurzarbeiter*innengeld hat letztlich eine Massenarbeitslosigkeit verhindert.

Innenstädte (wieder)beleben

Große Freude über die aktuellen Öffnungen besteht sowohl bei den Anbieter*innen als auch bei den Gästen. Spürbar ist die Hoffnung, dass die derzeitigen Impffortschritte weitere Öffnungen möglich machen. Eine dauerhafte Erholung würde dazu beitragen, Innenstädte und Ortskerne wieder zu beleben, die durch den Online-Handel in ihrer Existenz gefährdet sind. 

Neu in der Corona-Krise sind allerdings Umfang und Breite der Verlierer*innen in Handel und Gastronomie. Um Innenstädte und Ortskerne als lebenswerte Orte wiederzubeleben bzw. zu erhalten, brauchen die Kommunen mehr Gestaltungsspielraum. Beispielsweise kann es ein Ziel sein, in den Innenstädten mehr Kultur und/oder Bildung anzusiedeln und nicht nur Handel und Gastronomie.

Allerdings ist damit auch zusätzliches Konfliktpotential verbunden, wie wir es beispielsweise von den Bedarfen von Handel und Gastronomie einerseits und Wohnen andererseits. Es gibt auch große Unterschiede: Die einen Städte sind historisch oder baulich attraktiver als andere. Eine große Herausforderung liegt auch bei den Messe- und Kongressstädten. Diese Branche hat komplett brachgelegen.

Sozialräume gestalten

Gerade im Messebereich hat sich gezeigt, das digitale Veranstaltungen reale nicht ersetzen können. Für die nahe Zukunft sind bestenfalls hybride Formate denkbar. Persönliche Begegnungen sind und bleiben zur Anbahnung von Geschäftsverhältnissen aber wichtig. Hier wie anderswo kommt es darauf an, nach den bisher geleisteten Liquiditätshilfen nun das Eigenkapital zu stärken, um Investitionen zu ermöglichen.

Im Sinne eines solidarischen Miteinanders und einer gedeihlichen gesellschaftlichen Entwicklung in den Städten sind Innenstädte nicht nur als Ort für Stadtentwicklung zu begreifen, sondern auch als Sozialräume zu gestalten, zu denen neben dem Gewerbe etwa auch personennahe Dienstleistungen gehören.

Neben den vielfältigen, vielerorts bereits bestehenden „Experimentierräumen“ sind auch weitere Instrumentarien notwendig, um andere Nutzungen in den Kommunen zu finanzieren. Mögliche Förderprogramme sind nicht nur als rein investive Maßnahmen aufzulegen, sondern sollen auch das Stadtmanagement etc. adressieren.

Gute Prognosen

Eine Rückkehr zur Normalisierung wird durch die erst allmählich für uns alle spürbar werdenden Folgewirkungen erschwert – nach wie vor auch durch die immer weiter steigenden Mieten und die allgemein höheren Lebenshaltungskosten. 

Die Corona-Krise hat die Wirtschaft sehr ungleich getroffen. In einigen Branchen ist eine langsamere Erholung zu erwarten, weil beispielsweise die weltweit gestiegenen Rohstoffpreise eine enorme Belastung für einige Industrieproduktion bedeuten. 

Summa summarum werden die Maßnahmen der Bundesregierung jedoch als ausgesprochen sinnvoll erachtet und haben den einzelnen Branchen sehr geholfen, durch die Pandemie zu kommen. Die Prognosen für Erholung der Wirtschaft sind gut, wenn die erhofften Öffnungen jetzt endlich erfolgen können.

Die nächsten Sitzungen

In der kommenden Woche wird es im Parlamentarischen Begleitgremium zur Covid-19-Pandemie um die soziale Dimension der Pandemie gehen. In der Woche darauf steht das Thema der Langzeitwirkungen und gesundheitlichen Risiken einer COVID-19-Erkrankung (Long COVID) auf der Agenda.

In der öffentlichen Anhörung des Parlamentarischen Begleitgremiums zur Covid-19-Pandemie am Donnerstag, dem 10. Juni 2021, standen die Folgen der Covid-19-Pandemie für verschiedene Branchen (Kultur, Gastronomie, Einzelhandel, Innenstädte etc.) auf dem Programm.
So unterschiedlich die Branchen sind, so verschieden sind sie durch die Corona-Krise gekommen und so unterschiedlich sind auch die Herausforderungen und Bedarfe, wenn es jetzt darum geht, die mittelfristigen Folgen der Einschränkungen zu bewältigen und nach dem Ende der Pandemie eine (neue) Normalität wiederherzustellen. Aber in einem Punkt sind sich alle einig: Eine vierte Welle kann niemand gebrauchen.

(Hier finden Sie die öffentliche Anhörung online.)

Dramatische Situation in der Kultur

Am härtesten hat es vielleicht die Kultur getroffen: So hilfreich die Unterstützungsprogramme im Kulturbereich auch waren, die vergangenen 15 Monate waren eine „Katastrophe“ und eine ausgesprochen dramatische Situation für zahlreiche Kultureinrichtungen und Künstler*innen , unter anderem für die Filmbranche und die Darstellende Kunst. Dementsprechend groß sind derzeit die Hoffnungen in Öffnungen.

Wichtig ist vor allem, sich bewusst zu machen, dass die Pandemie noch nicht zu Ende. Noch bestehen umfassende Schutzmaßnahmen, die einen Normalbetrieb erschweren oder zumindest aufwendiger machen. Auch ist zu befürchten, dass die Kulturfinanzierung massive Probleme bekommen wird, wenn – ebenfalls als mittelbare Folge der Corona-Krise – die öffentlichen Kassen leer(er) sind. 

Umso wichtiger war es, dass es während der Pandemie spezifische Programme und zielgerichtete Unterstützungen, unter anderem Stipendien für Künstler*innen gab. Das größte Problem lag und liegt im Bereich der Soloselbstständigen. Erklärtes Ziel im Kulturbereich sollte es sein, perspektivisch mehr sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse und damit eine bessere Absicherung zu schaffen.

Kultur ist ein „Must-have“!

Eine besondere Problematik kommt im Veranstaltungsbereich, namentlich bei den Clubs hinzu: Sie befanden sich in den zurückliegenden 15 Monaten im Dauerlockdown und hatten bzw. haben keine Möglichkeit, ihre Veranstaltungen nach draußen zu verlegen. Durch die sehr heterogenen Strukturen und unterschiedlichen Situation der einzelnen Kulturstätten ist es sehr schwierig, pauschale Hilfen oder Empfehlungen für geeignete Öffnungsschritte zu entwickeln.

Eine weitere Problematik besteht darin, dass die Kontrolle von Geimpften, Genesenen oder Getesteten zwar prinzipiell möglich wäre, sich viele Clubs aber aufgrund ihres besonderen Publikums gegen die Erhebung von persönlichen Daten verwehren. Das hat oftmals etwas mit der Sozialstruktur zu tun, denn beispielsweise gehören Menschen aus dem LGBTIQ-Bereich zu den Club-Gänger*innen. 

Kultureinrichtungen, auch die Clubs haben oft auch eine soziale Funktion. Bei den Clubs hat diese Dimension während der Pandemie sehr gelitten. Die Lehre, die aus der Covid-19-Pandemie für die Zukunft daher zu ziehen ist: Kultur ist systemrelevant – sie ist kein „nice-to-have“, sondern ein „must-have“.

Fehlende Fachkräfte

Ein großes Problem, das der Kulturbereich mit anderen Branchen teilt, ist die Abwanderung des Personals. Dies ist unbedingt zu beachten, wenn es um die Zukunftssicherung der Betriebe geht. Selbst im Gesundheitsbereich war das zentrale Problem während der Pandemie nicht in erster Linie die Ausstattung mit Material etc., sondern das nicht ausreichende Personal. 

In den letzten 15 Monaten wurde Corona-bedingt zu wenig ausgebildet und auch Maßnahmen der Berufsorientierung sind ausgefallen. Im Ausbildungsbereich braucht es umgehend branchenübergreifend Unterstützungsleistungen. Es sind gezielte Förderungen notwendig, um dem Fachkräftemangel in vielen Berufen entgegenzuwirken.

Fachkräfte fehlen vor allem auch in der Gastronomie. Hier wie im Handel und in der Industrie hätten zahlreiche Unternehmen ohne die Hilfen der Bundesregierung nicht weiter existiert. Daher gibt es seitens vieler Akteur*innen, die vor der drohenden Insolvenz standen, große Dankbarkeit. Insbesondere das auf maßgebliches Betreiben der SPD-Bundestagsfraktion eingeführte und dann auch noch aufgestockte Kurzarbeiter*innengeld hat letztlich eine Massenarbeitslosigkeit verhindert.

Innenstädte (wieder)beleben

Große Freude über die aktuellen Öffnungen besteht sowohl bei den Anbieter*innen als auch bei den Gästen. Spürbar ist die Hoffnung, dass die derzeitigen Impffortschritte weitere Öffnungen möglich machen. Eine dauerhafte Erholung würde dazu beitragen, Innenstädte und Ortskerne wieder zu beleben, die durch den Online-Handel in ihrer Existenz gefährdet sind. 

Neu in der Corona-Krise sind allerdings Umfang und Breite der Verlierer*innen in Handel und Gastronomie. Um Innenstädte und Ortskerne als lebenswerte Orte wiederzubeleben bzw. zu erhalten, brauchen die Kommunen mehr Gestaltungsspielraum. Beispielsweise kann es ein Ziel sein, in den Innenstädten mehr Kultur und/oder Bildung anzusiedeln und nicht nur Handel und Gastronomie.

Allerdings ist damit auch zusätzliches Konfliktpotential verbunden, wie wir es beispielsweise von den Bedarfen von Handel und Gastronomie einerseits und Wohnen andererseits. Es gibt auch große Unterschiede: Die einen Städte sind historisch oder baulich attraktiver als andere. Eine große Herausforderung liegt auch bei den Messe- und Kongressstädten. Diese Branche hat komplett brachgelegen.

Sozialräume gestalten

Gerade im Messebereich hat sich gezeigt, das digitale Veranstaltungen reale nicht ersetzen können. Für die nahe Zukunft sind bestenfalls hybride Formate denkbar. Persönliche Begegnungen sind und bleiben zur Anbahnung von Geschäftsverhältnissen aber wichtig. Hier wie anderswo kommt es darauf an, nach den bisher geleisteten Liquiditätshilfen nun das Eigenkapital zu stärken, um Investitionen zu ermöglichen.

Im Sinne eines solidarischen Miteinanders und einer gedeihlichen gesellschaftlichen Entwicklung in den Städten sind Innenstädte nicht nur als Ort für Stadtentwicklung zu begreifen, sondern auch als Sozialräume zu gestalten, zu denen neben dem Gewerbe etwa auch personennahe Dienstleistungen gehören.

Neben den vielfältigen, vielerorts bereits bestehenden „Experimentierräumen“ sind auch weitere Instrumentarien notwendig, um andere Nutzungen in den Kommunen zu finanzieren. Mögliche Förderprogramme sind nicht nur als rein investive Maßnahmen aufzulegen, sondern sollen auch das Stadtmanagement etc. adressieren.

Gute Prognosen

Eine Rückkehr zur Normalisierung wird durch die erst allmählich für uns alle spürbar werdenden Folgewirkungen erschwert – nach wie vor auch durch die immer weiter steigenden Mieten und die allgemein höheren Lebenshaltungskosten. 

Die Corona-Krise hat die Wirtschaft sehr ungleich getroffen. In einigen Branchen ist eine langsamere Erholung zu erwarten, weil beispielsweise die weltweit gestiegenen Rohstoffpreise eine enorme Belastung für einige Industrieproduktion bedeuten. 

Summa summarum werden die Maßnahmen der Bundesregierung jedoch als ausgesprochen sinnvoll erachtet und haben den einzelnen Branchen sehr geholfen, durch die Pandemie zu kommen. Die Prognosen für Erholung der Wirtschaft sind gut, wenn die erhofften Öffnungen jetzt endlich erfolgen können.

Die nächsten Sitzungen

In der kommenden Woche wird es im Parlamentarischen Begleitgremium zur Covid-19-Pandemie um die soziale Dimension der Pandemie gehen. In der Woche darauf steht das Thema der Langzeitwirkungen und gesundheitlichen Risiken einer COVID-19-Erkrankung (Long COVID) auf der Agenda.

(Grafik: Mechthild Rawert, MdB)