Fraktion-vor-Ort-Veranstaltung „Weiblich, arm, von Wohnungslosigkeit bedroht – Was wird getan? Was ist zu tun?
Die Verfestigung prekärer sozialer Lebenslagen, die zunehmende Ungleichheit der Lebensverhältnisse, eine zunehmende Re-Traditionalisierung der Geschlechterrollen – dies und noch vieles mehr ließe sich aufzählen, um die gegenwärtige Situation in Deutschland zu beschreiben, wo sich Armut und soziale Ausgrenzung durch die Covid-19-Pandemie noch einmal verschärft haben. Auch das Aufstiegsversprechen, das es in früheren Zeiten einmal gab, gilt offensichtlich nicht mehr. Dabei haben wir in unserem Land durchaus ein funktionierendes Hilfesystem, wenn es um soziale Notlagen oder Gefährdungen geht. Die entscheidende nicht befriedigend gelöste Frage ist die des Zugangs zum Hilfesystem. Auch deshalb stehen viel zu viele Menschen gesellschaftlich am Rand, ihnen wird nicht genügend Aufmerksamkeit geschenkt.
Ziel der digitalen Fraktion-vor-Ort-Veranstaltung „Weiblich, arm, von Wohnungslosigkeit bedroht – Was wird getan? Was ist zu tun?“
Wohnungslosigkeit.mechthild-rawert.de
am Mittwoch, dem 30. Juni, war dementsprechend, insbesondere die weiblichen Bevölkerungsgruppen in den Fokus zu rücken, sich damit zu beschäftigen, in welcher sozialen Lage sie leben, um ihnen die Hilfe und Unterstützung zukommen zu lassen, die sie brauchen. Ein wichtiges Element ist dabei die Vernetzung der Akteur:innen im sozialen Bereich, die sich um Menschen mit besonderen Bedarfslagen kümmern. Sie können diese Online-Veranstaltung auf meinem Youtube-Kanal noch nachverfolgen. Auch so leisten wir einen Beitrag zur Vernetzung.
Einführung der Wohnungslosenberichterstattung und der Einstieg in eine bundesweite Statistik
Wohnungslosigkeit ist seit Jahren in der Mitte der Gesellschaft angekommen, Wohnungslosigkeit gehört zu den fatalsten Formen von Armut, Wohnungslosigkeit führt zu sozialer Ausgrenzung und bringt die betroffenen Menschen in eine extrem kritische Lage. Auf Initiative der SPD und zahlreicher Sozialverbände beschloss der Deutsche Bundestag Anfang 2020 das Gesetz zur Einführung einer Wohnungslosenberichterstattung sowie einer Statistik untergebrachter wohnungsloser Personen
https://dserver.bundestag.de/btd/19/156/1915651.pdf
. Dank dieses Gesetzes können wir 2022 erstmals mit belastbaren Daten rechnen, wie viele Menschen in welchen sozialen Lebenslagen von Wohnungslosigkeit betroffen sind. Diese Daten werden dazu beitragen, die Wissensbasis im Bereich Wohnungslosigkeit für die regelmäßige Armuts- und Reichtumsberichterstattung zu vergrößern und vor Ort passende Maßnahmen und Präventionsprogramme auf den Weg zu bringen, die Wohnungs- und Obdachlosigkeit effizient bekämpfen.
Zudem wird die Datengrundlage für die in jeder Legislaturperiode vorgesehene Armuts- und Reichtumsberichterstattung durch das Vorhaben deutlich verbessert. Sozialpolitische Maßnahmen zur Armutsbekämpfung auf Ebene von Bund, Ländern und vor allem der Kommunen, die in Deutschland sehr weitgehende Verpflichtungen zur Unterbringung haben und bedeutende Akteure im sozialen Wohnungsbau sind, können auf einer solchen Basis weiterentwickelt werden. Dies ist ein bedeutsamer Meilenstein auf dem Weg hin zu einer bedarfsorientierten Sozialpolitik. Leider war Daniela Kolbe
https://www.spdfraktion.de/presse/pressemitteilungen/bundesweit-einheitliche-wohnungslosenstatistik-eingefuehrt
, damalige Berichterstatterin der SPD-Bundestagsfraktion für dieses Gesetzgebungsverfahren, krankheitsbedingt kurzfristig an einer Teilnahme verhindert.
Aktivitäten in Berlin
Wiebke Neumann, AWO-Mitglied und politisch im Sozialwesen stark engagierte Tempelhof-Schönebergerin berichtete über vielversprechende Ansätze zur Prävention von Wohnungsnot und Wohnungslosigkeit in Berlin. Auch wenn sich die Situation durch die Corona-Krise noch einmal verschärft hat, ist der rot-rot-grüne Senat bundesweit Vorreiter auf dem Gebiet der Wohnungslosenpolitik. Dem Beispiel Paris folgend fand in Berlin Ende Januar 2020 erstmals die „Nacht der Solidarität“ zur Zählung der Obdachlosen auf Berlins Straßen statt.
Diese Aktion, an der Wiebke Neumann selbst mitgewirkt hat, brachte trotz großer logistischer Herausforderungen wertvolle Erkenntnisse und soll beizeiten wiederholt und stetig verbessert werden. Ein nicht zu unterschätzender, positiver Nebeneffekt ist, dass die vielen Freiwilligen, die an der Zählung teilgenommen und sich oftmals zum ersten Mal überhaupt mit der Thematik beschäftigt haben, durch die Aktion sensibilisiert wurden.
Auch das Modellprojekt „Housing First“
https://housingfirstberlin.de/
, das den Ansatz verfolgt, Wohnungslose in einem ersten Schritt eine feste Unterkunft inkl. einen Mietvertrag zu vermitteln und dies als Grundlage für weitere sozialarbeiterische Betreuung und Begleitung zu nehmen, sowie die in Berlin angestrebte zentrale Steuerung der Unterbringung von Wohnungslosen sind bedeutende Maßnahmen, um der steigenden Wohnungslosigkeit in der Hauptstadt zu begegnen.
Hohe Dunkelziffer
Einen Praxiseinblick gewährten Claudia Peiter und Josefine Berning, die „Doppelspitze“ von Evas Haltestelle
https://skf-berlin.de/offene-sozialarbeit/wohnungslose-frauen/evas-haltestelle/
, einem Projekt des Sozialdienst katholischer Frauen e.V. Berlin, das speziell die Vermeidung von und Hilfen bei weiblicher Wohnungslosigkeit zum Ziel hat. Denn bei Frauen haben wir es oft mit einer verdeckten Wohnungslosigkeit zu tun, die durch Zählungen nicht erfasst wird, so dass von einer hohen Dunkelziffer auszugehen ist.
Hinzu kommt, dass die Situation von Frauen oft besonders prekär ist. Zur Vermeidung von Obdachlosigkeit begeben sie sich häufig in Abhängigkeitsverhältnisse und damit der Gefahr von (häuslicher und sexualisierter) Gewalt. Für Frauen bedeutet Wohnungslosigkeit oftmals eine höhere psychische Belastung als für Männer. Es gibt keine ausreichenden spezialisierten Angebote für Frauen. Ein großes Thema ist auch hier die Altersarmut.
In einem spontanen Beitrag stellte Lea Bruckmann, SkF e.V. Berlin, das Projekt „Housing First“ vor. Sehr beeindruckend war, welche kurzfristigen Erfolge hier erzielt werden: Die eigene Wohnung hat einen derart stabilisierenden Effekt, dass alle weiteren Schritte zur Rückkehr in ein normales Leben und zur Wiedererlangung von Lebensperspektiven und -chancen, die Voraussetzung für gesellschaftliche Teilhabe sind, sich schon fast zwangsläufig ergeben. Wir sollten unbedingt mehr Angebote hierfür schaffen.
Zu wenig barrierefreier Wohnraum
Einen gänzlich anderen Aspekt brachte Jessica Schröder mit ihrem Vortrag zur Situation von Menschen mit Beeinträchtigung aus Sicht der Interessenvertretung Selbstbestimmt Leben in Deutschland e.V. (ISL) ein. Die Ursache für drohende Wohnungslosigkeit von Menschen mit Beeinträchtigung besteht natürlich zuallererst darin, dass es schlichtweg zu wenig barrierefreien Wohnraum gibt. Anhand konkreter Beispiele und anschaulicher Fotos wurde deutlich, wie dieser in der praktischen Umsetzung aussehen könnte bzw. sollte, aber eben auch, welche Defizite es hier gibt.
Ein großes Problem stellt die Bauordnung dar. Außerdem werden angehende Architekt:innen viel zu wenig in einem „Design für alle“ geschult. Zahlreiche Widerstände und Vorbehalte gibt es auch seitens der Bauherren und/oder der Vermieter:innen. Um hier Abhilfe zu schaffen, braucht es eindeutige und schärfere Gesetze und Vorschriften. Um eine barrierefreie Umgebung, um barrierefreie Wohnungen zu schaffen, muss innerhalb der Bevölkerung noch mehr Aufklärungsarbeit und Bewusstseinsbildung geleistet werden.
Was ist zu tun?
Frauen mit Behinderungen sind als vulnerable Gruppe häufig doppelt von ausgrenzenden Faktoren betroffen. Es bedarf also eines grundlegenden Ausbaus des Hilfesystems aber auch einer besonderen Hinwendung zu den Lebenslagen der Menschen, die von mehreren Ausschlusskriterien betroffen sind, also beispielsweise wohnungslose Frauen, Wohnungslose mit Suchterkrankung und viele andere mehr. Hier bedarfsgerechte und passgenaue Unterstützungsangebote zu schaffen, lautet die Aufgabe für die Zukunft.
Weitere bekannte aber dennoch wichtige Erkenntnisse der Veranstaltung „Weiblich, arm, von Wohnungslosigkeit bedroht – Was wird getan? Was ist zu tun?“ sind:
- Wohnungslosigkeit ist nicht mit Modellprojekten zu bekämpfen sondern nur durch verstetigte konzeptionelle Ansätze und Umsetzungen.
- Unabdingbar ist die Zusammenarbeit der verschiedenen politischen Ebenen. Dem Bund fällt hierbei die Aufgabe zu, geeignete Rahmenbedingungen und Voraussetzungen für Aktivitäten auf Landes- und kommunaler Ebene (im Baurecht, hinsichtlich der Finanzierung etc.) zu schaffen.
Politik muss sich stärker um vulnerable Bevölkerungsgruppen kümmern
Von der Politik wird gewünscht, dass diese sich verstärkt den besonders gefährdeten, vulnerablen Bevölkerungsgruppen zuwendet und für diese verlässliche Hilfestrukturen aufbaut. Wir dürfen nicht zulassen, dass bei politischen Entscheidungen gilt: Denn die im Dunkeln sieht mensch nicht.
Notwendig ist auch ein anderer Blick: Weg von defizit- und hin zu einer kompetenzorientierten Betrachtung der Menschen, um die es geht. Auch die vulnerablen Gruppen sind verstärkt in die politischen Entscheidungsprozesse einzubeziehen. Derzeit bestehen schon zahlreiche Bündnisse zur Bekämpfung der Wohnungslosigkeit – allerdings muss die gemeinsame Lobby-Kraft noch stärker werden.
Die Verfestigung prekärer sozialer Lebenslagen, die zunehmende Ungleichheit der Lebensverhältnisse, eine zunehmende Re-Traditionalisierung der Geschlechterrollen – dies und noch vieles mehr ließe sich aufzählen, um die gegenwärtige Situation in Deutschland zu beschreiben, wo sich Armut und soziale Ausgrenzung durch die Covid-19-Pandemie noch einmal verschärft haben.
Auch das Aufstiegsversprechen, das es in früheren Zeiten einmal gab, gilt offensichtlich nicht mehr. Dabei haben wir in unserem Land durchaus ein funktionierendes Hilfesystem, wenn es um soziale Notlagen oder Gefährdungen geht. Die entscheidende, nicht befriedigend gelöste Frage ist die des Zugangs zum Hilfesystem. Auch deshalb stehen viel zu viele Menschen gesellschaftlich am Rand, ihnen wird nicht genügend Aufmerksamkeit geschenkt.
Ziel der digitalen Fraktion-vor-Ort-Veranstaltung: „Weiblich, arm, von Wohnungslosigkeit bedroht – Was wird getan? Was ist zu tun?“, am Mittwoch, dem 30. Juni, war dementsprechend, insbesondere die weiblichen Bevölkerungsgruppen in den Fokus zu rücken, sich damit zu beschäftigen, in welcher sozialen Lage sie leben, um ihnen die Hilfe und Unterstützung zukommen zu lassen, die sie brauchen. Ein wichtiges Element ist dabei die Vernetzung der Akteur:innen im sozialen Bereich, die sich um Menschen mit besonderen Bedarfslagen kümmern. Sie können diese Online-Veranstaltung auf meinem Youtube-Kanal noch nachverfolgen. Auch so leisten wir einen Beitrag zur Vernetzung.
Einführung der Wohnungslosenberichterstattung und der Einstieg in eine bundesweite Statistik
Wohnungslosigkeit ist seit Jahren in der Mitte der Gesellschaft angekommen, Wohnungslosigkeit gehört zu den fatalsten Formen von Armut, Wohnungslosigkeit führt zu sozialer Ausgrenzung und bringt die betroffenen Menschen in eine extrem kritische Lage. Auf Initiative der SPD und zahlreicher Sozialverbände beschloss der Deutsche Bundestag Anfang 2020 das Gesetz zur Einführung einer Wohnungslosenberichterstattung sowie einer Statistik untergebrachter wohnungsloser Personen. Dank dieses Gesetzes können wir 2022 erstmals mit belastbaren Daten rechnen, wie viele Menschen in welchen sozialen Lebenslagen von Wohnungslosigkeit betroffen sind. Diese Daten werden dazu beitragen, die Wissensbasis im Bereich Wohnungslosigkeit für die regelmäßige Armuts- und Reichtumsberichterstattung zu vergrößern und vor Ort passende Maßnahmen und Präventionsprogramme auf den Weg zu bringen, die Wohnungs- und Obdachlosigkeit effizient bekämpfen.
Zudem wird die Datengrundlage für die in jeder Legislaturperiode vorgesehene Armuts- und Reichtumsberichterstattung durch das Vorhaben deutlich verbessert. Sozialpolitische Maßnahmen zur Armutsbekämpfung auf Ebene von Bund, Ländern und vor allem der Kommunen, die in Deutschland sehr weitgehende Verpflichtungen zur Unterbringung haben und bedeutende Akteure im sozialen Wohnungsbau sind, können auf einer solchen Basis weiterentwickelt werden. Dies ist ein bedeutsamer Meilenstein auf dem Weg hin zu einer bedarfsorientierten Sozialpolitik. Leider war Daniela Kolbe, damalige Berichterstatterin der SPD-Bundestagsfraktion für dieses Gesetzgebungsverfahren, krankheitsbedingt kurzfristig an einer Teilnahme verhindert.
Aktivitäten in Berlin
Wiebke Neumann, AWO-Mitglied und politisch im Sozialwesen stark engagierte Tempelhof-Schönebergerin berichtete über vielversprechende Ansätze zur Prävention von Wohnungsnot und Wohnungslosigkeit in Berlin. Auch wenn sich die Situation durch die Corona-Krise noch einmal verschärft hat, ist der rot-rot-grüne Senat bundesweit Vorreiter auf dem Gebiet der Wohnungslosenpolitik. Dem Beispiel Paris folgend fand in Berlin Ende Januar 2020 erstmals die „Nacht der Solidarität“ zur Zählung der Obdachlosen auf Berlins Straßen statt.
Diese Aktion, an der Wiebke Neumann selbst mitgewirkt hat, brachte trotz großer logistischer Herausforderungen wertvolle Erkenntnisse und soll beizeiten wiederholt und stetig verbessert werden. Ein nicht zu unterschätzender, positiver Nebeneffekt ist, dass die vielen Freiwilligen, die an der Zählung teilgenommen und sich oftmals zum ersten Mal überhaupt mit der Thematik beschäftigt haben, durch die Aktion sensibilisiert wurden.
Auch das Modellprojekt „Housing First“, das den Ansatz verfolgt, Wohnungslose in einem ersten Schritt eine feste Unterkunft inkl. einen Mietvertrag zu vermitteln und dies als Grundlage für weitere sozialarbeiterische Betreuung und Begleitung zu nehmen, sowie die in Berlin angestrebte zentrale Steuerung der Unterbringung von Wohnungslosen sind bedeutende Maßnahmen, um der steigenden Wohnungslosigkeit in der Hauptstadt zu begegnen.
Hohe Dunkelziffer
Einen Praxiseinblick gewährten Claudia Peiter und Josefine Berning, die „Doppelspitze“ von Evas Haltestelle, einem Projekt des Sozialdienstes katholischer Frauen e.V. Berlin, das speziell die Vermeidung von und Hilfen bei weiblicher Wohnungslosigkeit zum Ziel hat. Denn bei Frauen haben wir es oft mit einer verdeckten Wohnungslosigkeit zu tun, die durch Zählungen nicht erfasst wird, so dass von einer hohen Dunkelziffer auszugehen ist.
Hinzu kommt, dass die Situation von Frauen oft besonders prekär ist. Zur Vermeidung von Obdachlosigkeit begeben sie sich häufig in Abhängigkeitsverhältnisse und damit der Gefahr von (häuslicher und sexualisierter) Gewalt. Für Frauen bedeutet Wohnungslosigkeit oftmals eine höhere psychische Belastung als für Männer. Es gibt keine ausreichenden spezialisierten Angebote für Frauen. Ein großes Thema ist auch hier die Altersarmut.
In einem spontanen Beitrag stellte Lea Bruckmann, SkF e.V. Berlin, das Projekt „Housing First“ vor. Sehr beeindruckend war, welche kurzfristigen Erfolge hier erzielt werden: Die eigene Wohnung hat einen derart stabilisierenden Effekt, dass alle weiteren Schritte zur Rückkehr in ein normales Leben und zur Wiedererlangung von Lebensperspektiven und -chancen, die Voraussetzung für gesellschaftliche Teilhabe sind, sich schon fast zwangsläufig ergeben. Wir sollten unbedingt mehr Angebote hierfür schaffen.
Zu wenig barrierefreier Wohnraum
Einen gänzlich anderen Aspekt brachte Jessica Schröder mit ihrem Vortrag zur Situation von Menschen mit Beeinträchtigung aus Sicht der Interessenvertretung Selbstbestimmt Leben in Deutschland e.V. (ISL) ein. Die Ursache für drohende Wohnungslosigkeit von Menschen mit Beeinträchtigung besteht natürlich zuallererst darin, dass es schlichtweg zu wenig barrierefreien Wohnraum gibt. Anhand konkreter Beispiele und anschaulicher Fotos wurde deutlich, wie dieser in der praktischen Umsetzung aussehen könnte bzw. sollte, aber eben auch, welche Defizite es hier gibt.
Ein großes Problem stellt die Bauordnung dar. Außerdem werden angehende Architekt:innen viel zu wenig in einem „Design für alle“ geschult. Zahlreiche Widerstände und Vorbehalte gibt es auch seitens der Bauherren und/oder der Vermieter:innen. Um hier Abhilfe zu schaffen, braucht es eindeutige und schärfere Gesetze und Vorschriften. Um eine barrierefreie Umgebung, um barrierefreie Wohnungen zu schaffen, muss innerhalb der Bevölkerung noch mehr Aufklärungsarbeit und Bewusstseinsbildung geleistet werden.
Was ist zu tun?
Frauen mit Behinderungen sind als vulnerable Gruppe häufig doppelt von ausgrenzenden Faktoren betroffen. Es bedarf also eines grundlegenden Ausbaus des Hilfesystems aber auch einer besonderen Hinwendung zu den Lebenslagen der Menschen, die von mehreren Ausschlusskriterien betroffen sind, also beispielsweise wohnungslose Frauen, Wohnungslose mit Suchterkrankung und viele andere mehr. Hier bedarfsgerechte und passgenaue Unterstützungsangebote zu schaffen, lautet die Aufgabe für die Zukunft.
Weitere bekannte aber dennoch wichtige Erkenntnisse der Veranstaltung „Weiblich, arm, von Wohnungslosigkeit bedroht – Was wird getan? Was ist zu tun?“ sind:
- Wohnungslosigkeit ist nicht mit Modellprojekten zu bekämpfen sondern nur durch verstetigte konzeptionelle Ansätze und Umsetzungen.
- Unabdingbar ist die Zusammenarbeit der verschiedenen politischen Ebenen. Dem Bund fällt hierbei die Aufgabe zu, geeignete Rahmenbedingungen und Voraussetzungen für Aktivitäten auf Landes- und kommunaler Ebene (im Baurecht, hinsichtlich der Finanzierung etc.) zu schaffen.
Politik muss sich stärker um vulnerable Bevölkerungsgruppen kümmern
Von der Politik wird gewünscht, dass diese sich verstärkt den besonders gefährdeten, vulnerablen Bevölkerungsgruppen zuwendet und für diese verlässliche Hilfestrukturen aufbaut. Wir dürfen nicht zulassen, dass bei politischen Entscheidungen gilt: Denn die im Dunkeln sieht mensch nicht.
Notwendig ist auch ein anderer Blick: Weg von defizit- und hin zu einer kompetenzorientierten Betrachtung der Menschen, um die es geht. Auch die vulnerablen Gruppen sind verstärkt in die politischen Entscheidungsprozesse einzubeziehen. Derzeit bestehen schon zahlreiche Bündnisse zur Bekämpfung der Wohnungslosigkeit – allerdings muss die gemeinsame Lobby-Kraft noch stärker werden.
(Foto: Mechthild Rawert, MdB)