Hauptmenü

Digitalisierung im Gesundheitswesen voranbringen

Parlamentarisches Begleitgremium zur Covid-19-Pandemie diskutiert über die Notwendigkeit digitaler Maßnahmen zur Pandemiebekämpfung.

Um die Bedeutung digitaler Maßnahmen als Mittel der Pandemiebekämpfung ging es in der Öffentlichen Anhörung des Parlamentarischen Begleitgremiums zur Covid-19-Pandemie am Donnerstag, den 15. Juli 2021.

Die Corona-Pandemie hat wie ein Brennglas gezeigt, wie weit wir in den verschiedensten gesellschaftlichen Bereichen mit dem Stand der Digitalisierung hinterherhängen. Vor allem zu Anfang der Pandemie waren beispielsweise die Gesundheitsämter mit der Kontaktnachverfolgung überfordert und mussten teilweise Excel-Tabellen per Fax versenden. Doch nicht nur für die Pandemiebekämpfung, sondern auch für die generelle Gesundheitsversorgung spielt die digitale Ausstattung von Krankenhäusern, Arztpraxen sowie Gesundheitsämtern eine maßgeb-liche Rolle.

Schauen Sie sich nachträglich die Öffentliche Anhörung an, um die vielfältigen Aspekte der Sachverständigen im Einzelnen nachzuhören und nachzusehen.

Software in den Gesundheitsämtern ausbaufähig

Viele Gesundheitsämter sind während der Pandemie auf eine neue Software umgestiegen und arbeiten nun mit SORMAS (Surveillance, Outbreak Response Management and Analysis System). SORMAS ist eine E-Health-Software und soll die Gesundheitsämter bei der Identifizierung und Überwachung von Kontaktpersonen unterstützen. Dr. Bernhard Bornhofen - Sprecher des Bundesverbands der Ärztinnen und Ärzte des Öffentlichen Gesundheitsdienstes sowie Amtsleiter Stadtgesundheitsamt in Offenbach am Main - berichtete, dass vieles mit der neuen Software gut funktioniere. Dennoch sei insbesondere die automatische Auswertung beispielsweise über die Anzahl der täglich neu gemeldeten Fälle sowie der Anteil von Infizierten mit der Delta-Variante ausbaufähig.

Für die Installation der Software in den Gesundheitsämtern braucht es eine saubere Infrastruktur, damit das neue System problemlos an das alte angegliedert werden kann. Die entsprechenden Gegebenheiten liegen jedoch nicht in allen Gesundheitsämtern vor, da sich die Ausstattung von Amt zu Amt unterscheidet.

In absehbarer Zeit wird zudem auf Grund des hohen Impftempos in Deutschland nicht mehr alleinig die 7-Tage-Inzidenz zur Einordnung und Bewertung des Pandemiegeschehens von Bedeutung sein. Auch andere Parameter wie beispielsweise die Hospitalisierungsrate der Krankenhäuser werden zukünftig zum Tragen kommen. Damit die entsprechenden Zahlen von den Krankenhäusern an die Gesundheitsämter gemeldet werden können, wird es notwendig sein, die digitale Infrastruktur der Krankenhäuser weiter auszubauen.

Positives Fazit zur Corona-Warn-App

Die Corona-Warn-App wurde inzwischen mehr als 30 Millionen Mal gedownloadet und beinhaltet neben Möglichkeiten der Erfassung von Risikobegegnungen, Warnung von Kontaktpersonen, Eintragung von Testergebnissen nun auch die Bereitstellung eines digitalen Impf- sowie Genesenenzertifikates. Die App ist damit ein effektives Mittel zur digitalen Unterbrechung von Infektionsketten und leistet einen wichtigen Beitrag zur Pandemiebekämpfung. Sie sei zudem sehr datensparsam und erfülle höchste Ansprüche des Datenschutzes, so Henning Tillmann, Softwareentwickler und Co-Vorsitzender von D64 Zentrum für digitalen Fortschritt. Alles in allem könne so eine positive Bilanz der App verzeichnet werden.

Aus medizinscher Sicht würde es jedoch Sinn ergeben, die App um eine automatische Cluster-Erkennung zu erweitern: „Insbesondere die fehlende Clustererkennung hätte die zweite und dritte Infektionswelle vermutlich verringern können und auch andere Software-Lösungen wären dann vermutlich nicht notwendig gewesen“, erläutert Tillmann in seiner Stellungnahme.

Bedeutung der Barrierefreiheit

Im Hinblick auf Barrierefreiheit ist die Corona-Warn-App gut aufgestellt, da sie größten Teils im Hintergrund funktioniert. Andere (private) Apps für die Kontaktnachverfolgung, die nun immer relevanter werden, wie die Luca-App weisen jedoch Mängel im Hinblick auf Barrierefreiheit auf. Dies ist besonders problematisch, wenn die Nutzung einer solchen App zur Voraussetzung gemacht wird, um am gesellschaftlichen Leben teilzuhaben beispielsweise für einen Theater-, Museums-, oder Kneipenbesuch. Deshalb ist es dringend geboten, dass die jeweiligen App-Entwickler*innen nachbessern und für alle eine barrierefreie Nutzung der Apps ermöglichen.

Digitalisierung des Gesundheitswesens unzureichend - Schaffung digitaler Identitäten

Die Dateninfrastruktur in vielen Bereichen des Gesundheitswesens ist noch nicht hinreichend vorhanden. Damit weitere Fortschritte in der Digitalisierung des Gesundheitswesens erreicht werden können, müssen die entsprechenden Bausteine zur Verfügung stehen – dafür braucht es schnelle Lösungen. Sichere digitale Identitäten helfen als Baustein weiter. Bislang konnten sichere digitale Identitäten auf Grund der zu installierenden Softwaren nicht zur Verfügung gestellt werden. Stattdessen gibt es nun nur eine 1-Faktor-Authentifizierung – auch in Apotheken und Gesundheitsämtern. Es wäre jedoch wichtig, den Sicherheitsstandard durch die Bereitstellung digitaler Identitäten zu erhöhen. Auch sind digitale Identitäten Voraussetzung für die Vernetzung zwischen den verschiedenen Stellen im Gesundheitswesen.

In den letzten Jahren und Monaten wurde aber auch schon vieles Gutes auf den Weg gebracht, wie z.B. die digitale Patient*innenakte oder die digitale Videosprechstunde. Diese digitalen Tools gilt es weiter auszubauen und im Hinblick auf Qualitätsstandards weiterzuentwickeln. Dr. Philipp Stachwitz (Experte im health innovation hub des Bundesgesundheitsministeriums) wies auch auf die Möglichkeit der Unterstützung des Ärzt*innen-Patient*innen-Verhältnisses durch digitale Kommunikationsdienste hin. Bislang fehle es an sicheren Möglichkeiten des digitalen Austausches – diese müssten endlich geschaffen werden.

Vor allem gilt es jedoch auch, die digitale Expertise und das Vertrauen hierin von Patient*innen zu stärken, damit auch alle auf dem Weg der Digitalisierung mitgenommen werden. Hierfür ist es geboten, entsprechende Schulungen und Angebote der Aufklärung durch die Bundeszentrale für Gesundheitliche Aufklärung zur Verfügung zu stellen.

Bedarfe von Patient*innen digital erfassen

Durch die Pandemie wurden viele Versorgungsketten disruptiv gestört. Dies hat insbesondere für Privatpersonen in der Pflege verheerende Auswirkungen gehabt. Von einem Tag auf den anderen konnten ambulante Pflegedienste die Versorgung auch von Bestandspatient*innen nicht mehr gewährleisten. Eine digitale Erfassung und Quantifizierung von Bedarfen könnte hier Abhilfe schaffen und es ermöglichen, den Versorgungsprozess in der Pflege zu verbessern.

Die gebotene Eile der Digitalisierung in vielen Bereichen hat jedoch auch dazu geführt, dass Aspekte der Barrierefreiheit nicht hinreichend berücksichtigt wurden. Diejenigen, die ohnehin mit besonderen Herausforderungen zu kämpfen haben, können somit auf viele Angebote nicht.

Zusammenfassend gilt es die Digitalisierung im Gesundheitswesen auf allen Bereichen mit Blick auf Datenschutz und Qualität weiterzuentwickeln und zu verbessern. Dafür muss zunächst die grundlegende Infrastruktur in Apotheken, Gesundheitsämtern, Arztpraxen sowie Krankenhäusern geschaffen werden. Auch nach dem Ende der Pandemie müssen wir digitale Möglichkeiten als Chance zur Erleichterung und Verbesserung für viele Abläufe im Gesundheitswesen begreifen. Nur durch einen kontinuierlichen Ausbau und Weiterentwicklung können wir uns auf künftige Pandemien vorbereiten und auch generelle Gesundheitsaufgaben bewältigen.