"Gesundheit ist ein Zustand des vollständigen körperlichen, geistigen und sozialen Wohlergehens und nicht nur das Fehlen von Krankheit oder Gebrechen" - so die Weltgesundheitsorganisation. Dieser Zustand weist Unterschiede und Besonderheiten je nach Geschlecht auf. Nicht nur geschlechtsspezifische Lebensphasen wie eine Schwangerschaft, sondern auch die Wirkung von Arzneimitteln sind genderspezifisch. Der neue Frauengesundheitsbericht aus dem Jahr 2020 des Robert-Koch-Instituts (RKI) bietet umfassende Informationen zum gesundheitlichen Stand von Frauen in Deutschland. Denn die individuelle Gesundheit sowie die konkreten gesundheitlichen Bedarfe von Frauen unterscheiden sich deutlich je nach sozioökonomischer Lebenslage. Der Bericht ist der erste seiner Art und dies verdeutlicht: die spezifischen gesundheitlichen Bedürfnisse von (jungen) Frauen werden nur unzureichend bedacht und erforscht. Die Gesundheit von Frauen muss stärker in den Fokus genommen werden.
Wir Sozialdemokrat*innen sind aktiv für Gender in der GesundheitspolitikAm 04. Juni 2021 habe ich deshalb gemeinsam mit Sibylle Schreiber (Geschäftsführerin pro familia Berlin), Sinem Tasan-Funke (Co-Vorsitzende der Jusos Berlin und SPD-Kandidatin für das Abgeordnetenhaus Berlin), Oliver Schworck (Stadtrat für die Abteilungen Jugend, Umwelt, Gesundheit, Schule und Sport in der BVV) sowie Henriette Wunderlich (ASF-Kreisvorsitzende in Friedrichshain-Kreuzberg) über die Versorgungsbereiche „Sexuelle und Reproduktive Gesundheit“ sowie die „Gesundheit rund um die Geburt“ diskutiert. Schauen Sie die Veranstaltung gerne auf meinem YouTube-Kanal unter frauengesundheit.mechthild-rawert.de nach. Sie finden dort die Aufzeichnung der Videokonferenz als auch eine schriftliche Zusammenfassung der Veranstaltung.
Sexuelle und reproduktive Gesundheit von (jungen) Frauen
Zur Gesundheit und dem körperlichen, geistigen und sozialen Wohlergehen gehört auch die eigene Sexualität. Maßgeblich ist dabei die Möglichkeit, selbstbestimmt über den eigenen Körper frei von jeglichen Zwängen entscheiden zu können. Dies ist in vielen Ländern weltweit auf Grund von gesellschaftlichen Zwängen und heteronormativen Rollenvorstellungen jedoch nicht möglich. Auch in Deutschland behindert die Kriminalisierung durch die §§ 218 und 219a StGB Frauen schon seit 150 Jahren in ihrer sexuellen Selbstbestimmung, betonte Sinem Tasan-Funke. „Die Paragraphen müssen raus aus dem Strafgesetzbuch!“, so Tasan-Funke. Die SPD hat die Forderung in ihrem Zukunftsprogramm für die Bundestagswahl 2021 aufgegriffen und fordert zudem das Recht auf wohnortnahe Versorgungsstrukturen auch beim Schwangerschaftsabbruch ein. Leider stellt das Thema Schwangerschaftsabbruch nicht nur gesellschaftlich, sondern auch in den meisten Medizinstudiengängen weiterhin ein Tabu dar und ist dort häufig nicht Bestandteil des regulären Lehrplans. Wichtig wäre es jedoch, dass die qualitativ hochwertige Lehre zu Schwangerschaftsabbrüchen Teil der entsprechenden Ausbildungsstrukturen ist.
Verbunden mit dem gesellschaftlichen Stigma ist ein Mangel an Informationen zu Schwangerschaftsabbrüchen. Für ungewollt schwangere Frauen ist der niedrigschwellige Zugang zu Informationen vor allem in den ersten Wochen der Schwangerschaft von großer Bedeutung. Beratungsstellen wie pro familia leisten deshalb wichtige Arbeit, in dem sie zu Themen wie Sexualität, Verhütung, Kinderwunsch, Schwangerschaft und auch dem Schwangerschaftsabbruch informieren. Viele Menschen wissen beispielsweise nicht, dass der Schwangerschaftsabbruch eine Kassenleistung ist und die Bezahlung dort beantragt werden kann.
Auch pro familia setzt sich für die Abschaffung der §§218 und 219a aus dem Strafgesetzbuch ein. Nicht zuletzt auf Grund der Paragraphen wird der Widerstand von radikalen Abtreibungsgegner*innen befördert. Der Ablauf von Beratungsstellen, Praxen und Kliniken wird mitunter durch sogenannte Gehsteigbelästigungen gestört, was Frauen verängstigt und das Recht auf eine ungestörte Beratung einschränkt. „Das Tabu Schwangerschaftsabbruch gehört in die Öffentlichkeit, Frauen müssen sich deshalb nicht schämen. Sexuelle Selbstbestimmung ist ein Menschenrecht!“ – unterstrich Sibylle Schreiber, die seit 2015 Geschäftsführerin bei pro familia Berlin ist.
Aufklärung zu Sexualität und Verhütung in Schulen fördern
Ein zweiter Bereich betrifft die Themenbereiche Aufklärung und Verhütung. Sexuelle Bildung und Aufklärung leistet einen wichtigen Beitrag zur selbstbestimmten Lebens- und Liebesgestaltung. „Sexuelle Bildung mache stark und trage zu Respekt, Toleranz und der Anerkennung von Menschenrechten bei“, so Sibylle Schreiber. Vor allem der Sexualaufklärungsunterricht in den Schulen sei noch ausbaufähig. Zudem werden häufig nur heterosexuelle Beziehungen thematisiert, stattdessen muss der Sexualaufklärungsunterricht jedoch die vielfältigen Formen von Sexualität umfassen und auch über Homo- und Transsexualität informieren. Vielfe Studien belegen, dass die Aufklärung im häuslichen Umfeld vielfach nicht ausreichend ist, deshalb sind gerade Schulen in der Pflicht und Verantwortung für ausreichend Aufklärung zu sorgen.