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Wie entwickelt sich das Betreuungsrecht? BG-Talk zur Bundestagswahl

Wie entwickelt sich das Betreuungsrecht seit dem am 5. März 2021 vom Deutschen Bundestag neu beschlossenen „Gesetz zur Reform des Vormundschafts- und Betreuungsrechts“ und der Zustimmung des Bundesrates am 26. März 2021?

Was muss notwendigerweise bis zum Inkrafttreten dieser Betreuungsrechtsreform am 1. Januar 2023 für die Weiterentwicklung getan werden? Und was können Wähler:innen von den am 26. September zur Bundestagswahl antretenden Parteien an betreuungspolitischem Einsatz nach der Wahl erwarten?
Nur einige von vielen Fragen, die ich gemeinsam mit meinem MdB-Kolleg:innen von der CSU, Bündnis 90/Die Grünen und der FDP am 8. September beim „Abgeordnetengespräch zum Betreuungsrecht“ des Deutschen Betreuungsgerichtstags e. V. diskutiert habe. Falls Sie die Veranstaltung verpasst haben sollten, können Sie sie jederzeit auf dem YouTube-Kanal des Vereines anschauen.

Das Recht der Betroffenen auf Selbstbestimmung steht im Mittelpunkt -
die Erfolge der Betreuungsrechtsreform 

Zunächst haben wir über die Erfolge der Betreuungsreform gesprochen. Mit der Reform ist es uns gelungen, die Bedürfnisse und Wünsche der betreuten Person in den Mittelpunkt zu stellen – das gilt gleichermaßen für das Betreuer:innenhandeln, die Eignung der Betreuer:in und die Wahrnehmung der gerichtlichen Aufsicht, insbesondere auch bei der Vermögenssorge und im Rahmen von Genehmigungsverfahren. In diesem Punkt waren wir uns alle einig: Der wichtigste Erfolg ist, dass das Selbstbestimmungsrecht der Betroffenen zum Maßstab erhoben wurde. Zudem haben wir dank der SPD-Bundestagsfraktion klarer geregelt, dass eine rechtliche Betreuung in erster Linie eine Unterstützung der betreuten Person bei der Besorgung ihrer Angelegenheiten durch eigenes selbstbestimmtes Handeln ist. Die Betreuer:in darf nur dann stellvertretend für die betreute Person handeln, wenn es wirklich erforderlich ist. 

Ein weiterer großer SPD-Erfolg ist aus meiner Sicht die Einrichtung einer niederschwelligen Beratungs- und Beschwerdestelle bis zum 1. Januar 2023. Diese Forderung war mir in den Verhandlungen mit der Unionsfraktion besonders wichtig, denn eine unabhängige Beschwerdestelle ist ein wichtiger Beitrag für mehr Selbstbestimmung der betroffenen Menschen. Niedrigschwellige Anlaufstellen sind unverzichtbar, insbesondere bei Beschwerden über die Betreuer:in, weil der Weg zum Gericht häufig eine zu hohe Hürde ist. Gerade psychisch erkrankte Menschen haben einen hohen Bedarf an Beratung und benötigen Unterstützung bei Problemen mit Betreuer:innen. 

Die UN-Behindertenrechtskonvention als zentraler Maßstab der Reform 

Ein großer SPD-Erfolg ist auch die Änderung der Sterilisationsregelung in § 1905 BGB: Eine Sterilisation ist nur noch möglich, wenn dies dem natürlichen Willen der Frau, sprich der betreuten Person entspricht. Zuvor war es möglich eine Sterilisation auch gegen den Willen der betreuten Person durchzuführen, wenn diese nicht aktiv widersprochen hat. Mit der jetzigen Regelung kommen wir unseren Verpflichtungen aus der UN-BRK und der Istanbul-Konvention nach – denn meist sind es Frauen, die von Zwangssterilisation betroffen sind. Außerdem wird auf Initiative der SPD-Bundestagsfraktion endlich anerkannt, dass eine Behinderung für sich kein Grund ist, ein Kind von seiner Mutter zu trennen. Um sicherzustellen, dass die Änderungen das Selbstbestimmungsrecht der Betroffenen entsprechend der Vorgaben der UN-BRK bestmöglich wahren, wird die Anwendungspraxis der Regelung ein Jahr vor und ein Jahr nach Inkrafttreten evaluiert. Die Änderungen sind wichtige Schritte hin zu mehr Selbstbestimmung für die betroffenen Menschen. 

Uneinigkeit über das Ehegattennotvertretungsrecht.

Größter Diskussions- und Differenzpunkt auf dieser Veranstaltung war mit Sicherheit das Ehegattennotvertretungsrecht. Das auf starkem Drängen der CDU/CSU-Bundestagsfraktion eingeführte Ehegattennotvertretungsrecht regelt, dass sich Ehepartner:innen auch ohne Patient:innenverfügung bzw. Vorsorgevollmacht künftig gegenseitig vertreten können, wenn eine Person seine/ihre rechtlichen Angelegenheiten, beispielsweise auf Grund einer Erkrankung, nicht mehr regeln kann.
Es ist kein Geheimnis, dass die SPD hier eine andere Ansicht als CDU/CSU vertritt – es war aber der Preis, den wir für das Erreichen der anderen Punkte zahlen mussten. Zumindest konnte ich erreichen, dass zum Zeitpunkt der Verehelichung auf dem Standesamt über diesen Fakt aufgeklärt werden muss. Ich hoffe, dass dann auch frischgebackene Ehepartner:innen statt einer automatischen Vertretung sich lieber für die selbstbestimmten Instrumente der Patient:innenverfügung bzw. Vorsorgevollmacht entscheiden werden.

Vorsorge ist ein gesellschaftlich äußerst relevantes Thema, was jedoch leider viel zu wenig öffentlichkeitswirksame Beachtung findet. Denn Vorsorge hängt wesentlich mit Selbstbestimmung zusammen – und das gilt nicht nur für betreute Menschen. Jede:r von uns kann in die Situation eines medizinischen Notfalls kommen, in welcher der eigene Wille nicht mehr artikuliert werden kann. Umso wichtiger ist es deshalb, im Vorfeld eines Notfalls aktiv zu werden und selbstbestimmte Entscheidungen über das eigene Leben zu treffen. Das geht nur mit Hilfe von Patient:innenverfügungen und Vorsorgevollmachten. 

Die Schaffung barrierefreier Kommunikation ist notwendig für gelingende Betreuung

Leider ist es uns als SPD-Bundestagsfraktion nicht gelungen, bereits im Rahmen dieser Reform eine verbindliche Erstattungsregelung beispielsweise für Gebärdensprache und andere Kommunikationshilfen durchzusetzen. Eine barrierefreie Kommunikation zwischen der betreuten Person und ihrer Betreuer:in ist jedoch essentiell für das Gelingen einer Betreuung. Der persönliche Austausch bildet den Kern der Betreuer:innentätigkeit. Nur wenn die Betreuer:in die Wünsche der betreuten Person kennt, kann sie auch den Wünschen entsprechend handeln. Wir Sozialdemokrat:innen konnten durchsetzen, dass spätestens im Rahmen der Verhandlungen über die Neuregelung der Vergütung hierüber intensiv beraten werden muss. Ich hoffe sehr, dass in der kommenden 20. Legislatur dank aktiver Parlamentarier:innen ein umfangreiches Mehr an umfassender barrierefreier Kommunikation ermöglicht wird. 

Evaluation der Betreuer:innenvergütung bis 2024 muss genau beobachtet werden

Ein weiterer Diskussionspunkt der Veranstaltung betraf die Evaluation der Betreuer:innenvergütung. Die Vergütung der beruflichen Betreuer:innen wurde zum 27. Juli 2019 erhöht. Die neu eingeführten Fallpauschalen werden über einen Zeitraum von vier Jahren evaluiert, um sicherzustellen, dass die pauschale Vergütung dem Aufgabenfeld entspricht. Das BMJV wird dann einen Bericht über die Evaluierung veröffentlichen, sodass wir einen genauen Einblick auch in ggf. nicht vergütete Mehraufwände erhalten. Die Evaluation dient auch dazu, ausreichende Betreuungszeit für die Klient:innen seitens der Berufsbetreuer:innen zur Verfügung zu haben. Sollte die Evaluation einen hohen Mehrbedarf ergeben, wird sich die SPD-Bundestagsfraktion im Interesse der Berufsbetreuer:innen als auch der Klient:innen dafür einsetzen, dass der Mehraufwand in die Vergütungshöhe einfließt. 

Diskutiert haben wir auch über einen gesetzlich einzuführenden Index der Dynamisierung der Vergütung. Für mich ist jedoch noch wichtiger, bundeseinheitliche Qualitätskriterien für die Betreuung festzulegen.

(Foto: Mechthild Rawert, MdB. v. l. n. r.: Tom Hegermann (Moderation), Mechthild Rawert (SPD), Katja Keul (Bündnis 90 / Die Grünen), Paul Lehrieder (CSU), Katrin Helling-Plahr (FDP))  

Wie entwickelt sich das Betreuungsrecht seit dem am 5. März 2021 vom Deutschen Bundestag neu beschlossenen „Gesetz zur Reform des Vormundschafts- und Betreuungsrechts“ 

https://www.mechthild-rawert.de/inhalt/2021-03-12/die_betreuungsrechtsreform_kommt_endlich_mehr_selbstbestimmung_f

und der Zustimmung des Bundesrates am 26.3.2021? Was muss notwendigerweise bis zum Inkrafttreten dieser Betreuungsrechtsreform am 1.1.2023 für die Weiterentwicklung getan werden? Und was können Wähler*innen von den am 26.9.2021 zur Bundestagswahl antretenden Parteien an betreuungspolitischem Einsatz nach der Wahl erwarten? – Nur einige von vielen Fragen, die ich gemeinsam mit meinem MdB-Kolleg*innen von der CSU, Bündnis 90/Die Grünen und der FDP am 08.09. beim „Abgeordnetengespräch zum Betreuungsrecht“ des Deutschen Betreuungsgerichtstags diskutiert habe. Falls Sie die Veranstaltung verpasst haben sollten, können Sie sie jederzeit auf YouTube anschauen: https://www.youtube.com/watch?v=OTwmHJEJjL0