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Zusammenfassung der Rede von Peer Steinbrück und der nachfolgenden Diskussion

Die Landesgruppe Berlin hat Peer Steinbrück eingeladen, über die Finanzkrise, die Ursachen und die Folgen zu sprechen.

In seiner Rede schilderte er seine Unzufriedenheit über den Umgang mit der Krise bei den seit 1999 abgehaltenen G 20-Gipfeln der wichtigsten Industrie- und Schwellenländer. Dieses Forum für Kooperation und Konsultation in Fragen des internationalen Finanzsystems hat bisher keine Fortschritte bei der dringend notwendigen Regulierung der internationalen Finanzmärkte gebracht. Die Staats- und Regierungschefs der G 20-Staaten haben bisher umfangreiche Einsparziele zu Lasten der Bürgerinnen und Bürger vereinbart, aber sie verschonen weiterhin die eigentlichen Verursacher der Krise aus der Finanzindustrie.

Forderung nach einer Finanztransaktionssteuer

„Wir brauchen dringend wirksame Regeln gegen die ungebremste Spekulation an den Finanzmärkten“, forderte Peer Steinbrück. Um grundsätzliche Richtungsentscheidungen für das internationale Finanzsystem umzusetzen muss Deutschland mit weiteren EU-Staaten, die ähnlich denken, voran gehen. Als größte Wirtschaftsmacht der EU käme dem einiges Gewicht zu. Die Regulierung des Finanzsystems bedarf internationaler Koordinierung und kann sich nicht auf eine nationale Finanzpolitik begrenzen, bekräftigte der ehemalige Bundesfinanzminister. So steht Peer Steinbrück fest hinter der Forderung nach einer Finanztransaktionssteuer, um kurzfristige Spekulationen einzudämmen und um die Mitverursacher an den Folgekosten der Krise zu beteiligen. „Die größte Gefahr bestehe immer noch in der mit spekulativen Leerverkäufen betriebenen Schattenwirtschaft, die weiterhin eine tickende Zeitbombe darstellt.“

Sozialstaat und Verschuldungskrise

Deutschland war bis 2011 auf dem Weg zu einem ausgeglichenen Bundeshaushalt. Wegen der größten Wirtschafts- und Finanzkrise seit 80 Jahren mussten Regierungen weltweit gigantische Summen in den internationalen Finanzmarkt pumpen, um ihn vor einem Kollaps zu bewahren Die Folge war eine massive Verschuldung der Staatshaushalte. Nun fehlt dieses Geld für Investitionen in Schulen und Bildung, zur Bekämpfung der Armut und für den Schuldendienst. Diese Situation stellt unseren Sozialstaat vor große Herausforderungen. Der föderale Aufbau der Bundesrepublik Deutschland ist dabei nicht immer hilfreich. Nach Steinbrück kam es gab es bei der Föderalismusreform einen folgeschweren Fehler: „Der Bund hat die Zuständigkeit für die Bildung aufgegeben.“ Das macht Investitionsvorhaben in Betreuungs- und Ganztagsschulprogramme enorm schwierig.

In der Diskussion wurde die Investitionsproblematik wieder aufgegriffen. Ein Teilnehmer fragte, ob ein Erhalt des Sozialstaats unter den herrschenden Zwängen der Schuldentilgung und Rückgang des Wirtschaftswachstums noch möglich sei. Peer Steinbrück antwortete mit einem Exkurs über den Begriff des „Bruttosozialprodukts“. Denn dieser einseitige, auf quantitatives Einkommen orientierte Indikator, ist nicht in der Lage, Verbesserungen in der Schulbildung oder bei der Abbrecherquote eines Landes abzubilden. Ebenso kann er relevante gesellschaftliche Entwicklungen nicht sichtbar machen, ohne eine Ergänzung um qualitative Elemente. Die heutigen Herausforderungen stellen vor allem die Frage nach Gerechtigkeit, da greift der Maßstab des „Bruttosozialproduktes“ viel zu kurz.

Heute gilt es zu klären, wie Einbußen fair verteilt werden sollen. „Stärkere Schultern müssen zu Gunsten des Gemeinwohls mehr auf sich nehmen, als schwache Schultern“, führte er fort. Daher sieht Peer Steinbrück den Sozialstaat mehr durch den demografischen Wandel bedroht, als durch die Außenverschuldung. Die andauernde Finanzmarktkrise und das geringe Steueraufkommen hinterlässt ein schweres Erbe für die künftigen Generationen. Die Verschiebung des Generationsaufbaus führt zu großen Zerwürfnissen im Rentensystem. Waren früher neun Erwerbstätige an der Altersrente einer Person beteiligt, sind es heute im Durchschnitt nur noch 2,5 Erwerbstätige. Folglich geht Peer Steinbrück davon aus, dass es für die Aufrechterhaltung des Sozialstaates zu weiteren Rentenkürzungen kommen wird.

Europäische Wirtschaftspolitik

Steinbrück prognostizierte eine Erhöhung der Steuern und Zinsen für die nächsten Jahre. Den Hintergrund für diese Äußerungen lieferten Fragen über die Auswirkungen der „Politik des billigen Geldes“. Dieses geldpolitische Konzept wurde zur Verbesserung der Konjunktur angewandt. Darunter fällt beispielsweise die Senkung des Leitzinses der Europäischen Zentralbank für die Geldvergabe an Geschäftsbanken. Diese Maßnahme soll die Möglichkeiten der Kreditaufnahme durch Investoren erhöhen und somit eine Belebung der wirtschaftlichen Tätigkeit auslösen. Dementsprechend sei zumindest eine Zinserhöhung der EZB zur Inflationsbekämpfung nach dem Jahr 2011 sicher. Der SPD-Politiker und ehemalige Finanzminister fügte hinzu, dass es in Zukunft sogar zu mehr Kontrolle über die gesamte Wirtschaftspolitik seitens der EU kommen könne. Konkret stellte er sich dabei ein Koordinationsrecht des Europäischen Rates über die Haushaltspolitik der nationalen Parlamente vor. Abschließend plädierte Peer Steinbrück dafür, solange von einer Erweiterung der Europäische Wirtschafts- und Währungsunion abzusehen, bis der Euro stabilisiert ist.

Zur vorherrschenden Bankensituation sprach sich Peer Steinbrück noch einmal für die erfolgte Verstaatlichung der Hypo Real Estate aus. Jedoch gäbe es seiner Meinung nach keine Rechtfertigung für die erhöhten Boni-Zahlungen an die Bank-ManagerInnen. Neben der Einführung des Finanzmarktstabilisierungsfonds sei vor allem das Konzept der „Bad Bank“ ein adäquates Mittel, um der Bankenkrise zu begegnen. Die Einrichtung einer Abwicklungsbank zur Aufnahme von „faulen Krediten“ helfe den in Zahlungsschwierigkeiten geratenen Banken, eine akute Insolvenz abzuwenden.

Insgesamt beurteilte Steinbrück die Krise als noch nicht überwunden, aber auch als bewältigbar. Allerdings müsse aus den gemachten Fehlern jetzt auch gelernt werden. Er mahnte die Verbesserung der Kontrollen und Abgaben auf die Finanztransaktionen an.

Die Mitglieder der Landesgruppe Berlin und ihr Gast v.l.n.r.: Wolfgang Thierse, Petra Merkel, Peer Steinbrück, Mechthild Rawert, Swen Schulz