Liebe Frau Rawert,
ich hoffe, Sie sind genauso gut ins neue Jahr gekommen wie ich, denn ich habe Silvester in New York City mit meiner Gastfamilie verbracht. Wir sind am 30. Dezember mit dem Flugzeug gelandet. Ich hatte im Flieger gehofft, schon einen Blick auf die Freiheitsstatue zu erlangen, aber leider hatte ich kein Glück. Mein Gastvater hat wegen seines Jobs viele Kontakte in der Hotelbranche, so dass wir im Grant Hyatt wohnen konnten. Dieses Hotel ist nur vier Blocks entfernt vom Time Square und liegt direkt an der Grant Central Station. Der erste Eindruck war überwältigend: Die Gebäude sind drei Mal so hoch wie in Chicago, und ich kam mir klein wie eine Legofigur vor, außerdem waren wir umringt von lauter gelben Taxen. Mit Hilfe von Stadtplänen und auskunftsfreudigen Bewohnern der Stadt haben wir uns nach dem Auspacken auf den Weg zur 5th Avenue gemacht. Diese Shoppingmeile hat alles was das Herz begehrt: von einem unterirdischen Apple Store bis hin zu Saks Fith Avenue. Da gerade Ferien waren, waren auf den Straßen New Yorks viele Touristen aus der ganzen Welt anzutreffen.
Nach langem Shopping hatte meine Gastschwester schon Krämpfe vor Hunger, und wir trafen uns mit Freunden, die sich zur selben Zeit in New York aufhielten, zum Dinner. An diesem Tage habe ich bemerkt, dass New York eine einzigartige Stadt mit vielen Facetten ist. Seit langer Zeit durfte ich meine Vorliebe zur Großstadt wieder kräftig ausleben und meiner Gastfamilie beibringen, wie man in New York City U- Bahn fährt.
Am zweiten Tag in New York waren wir in Sachen Sightseeing unterwegs. Von der Fähre aus fotografierten wir die Freiheitsstatue und machten dann eine Audioführung in Ellis Island. Meine Gastfamilie hat eine lange Familiengeschichte, und als am Ende der Tour die Möglichkeit bestand, Verwandte im Index zu suchen, haben wir nach jedem Familienmitglied gesucht.
Danach hat sich meine Gastfamilie aufgeteilt, meine Gastmutter Heather und ich haben uns auf den Weg zu Little Italy gemacht. Der Rest der Familie wollte ins Museum. Die Stunden bis zum Abend vergingen schnell, und wir trafen uns alle im Hotel, um uns für das Steakhouse fertig zu machen. Meine Gastmutter hatte vergessen nachzusehen, wo das Restaurant genau liegt. Wegen Silvester war alles rund um den Time Square schon seit Stunden abgesperrt, so dass kein Fahrzeug auch nur ansatzweise in die Nähe kam. Der Weg mit dem Taxi gestaltete sich dann schwierig.
Das Essen war einmalig, und wir haben die Zeit gut überbrückt, denn wir wollten draußen nicht erfrieren. Durch Heathers Gabe, Small Talk zu halten und schnell neue Kontakte zu knüpfen, hatte wir die Chance, ins Hotel nebenan zu gehen und auf einer hoch gelegenden Etage mit Live Musik ins Neue Jahr zu feiern. Doch wir hatten uns nach langem Tanzen dann in den Kopf gesetzt, durch die letzte Absperrung zu kommen und mit Millionen von Menschen zu feiern – mit Erfolg.
Da standen wir: Neil, Natalie, Jim, Heather und ich - frierend in der Menschenmasse, 45 Minuten vor Ball drop (wenn sich um Mitternacht eine erleuchtete Kugel herabsenkt). Ich rief noch kurz meine Mutter in Deutschland an. Um uns herum wurde Italienisch, Spanisch, Holländisch, Chinesisch, Japanisch und viele andere Sprachen gesprochen. Doch am Ende, als der Ball langsam herunter fällt und die letzten zehn Sekunden abgezählt werden, schrien alle in Englisch die Zahlen 2009! Es war einmalig! Menschen fielen sich in die Arme, um dann anschließend alle aus dem Zentrum herauszukommen.
Es war anders als Silvester am Brandenburger Tor in Berlin: Nach einer Stunde war am Time Square kaum mehr jemand zu sehen, eine Polizeikarawane auf Pferden kam an uns vorbei. Diese Nacht werde ich in meinen ganzen Leben nie vergessen! Der Aufenthalt mit meiner neu gewonnenen Familie war einzigartig und wunderschön. Meinen größten Traum, im Central Park zu joggen, konnte, oder besser gesagt, wollte ich nicht verwirklichen, denn es war viel zu kalt dazu.
Ich habe die letzten Tage sehr genossen und mir immer wieder vorgestellt, hier einmal für ein paar Jahre zu leben und zu arbeiten. Eines weiß ich genau: Dass ich eines Tages noch einmal nach New York kommen werde.
Liebe Grüße wieder aus Mequon in Wisconsin
Laura Duve