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Solidarische Gesundheits- und Pflegepolitik

Seit den Zeiten Bismarcks gibt es ein umlagefinanziertes, generationenübergreifendes, beitragsbezogenes Krankenversicherungssystem. Diese gesetzliche Krankenversicherung (GKV) ist ein Erfolg unseres Sozialstaates. Jede/r von uns hat gleichen Zugang zur Gesundheitsversorgung, jede/r hat Anspruch auf die bestmögliche Versorgung und Therapie. Mit der Einführung der Pflegeversicherung und den damit gesetzlich zugesicherten Leistungen ist zu Recht Bezug genommen worden auf unsere älter werdende Gesellschaft. Auch wenn gerade in der Pflege noch Handlungsbedarf in vielen Feldern besteht: Die solidarische Pflegeversicherung selbst ist ein Segen für die meisten von uns. Ich freue mich, dass inzwischen in Tempelhof-Schöneberg zwei Pflegestützpunkte eröffnet worden sind, die Allen mit umfassendem Rat und Tat zur Seite stehen.

 Nur zu häufig passiert es, dass Mensch das nicht schätzen und würdigen mag, was er „besitzt“. Im fernen Amerika kämpft Barack Obama dafür, dass die schon Versicherten mehr Sicherheit erhalten und dass die bisher 47 Millionen AmerikanerInnen ohne Krankenversicherung endlich einen vom individuellen Geldbeutel unabhängigen Zugang zum Gesundheitswesen erhalten. Ein weiteres Ziel ist die Senkung der explodierenden Kosten für das US-Gesundheitswesen, das ein Sechstel der gesamten Wirtschaftsleistung der USA ausmacht.

 Auch in Deutschland muss konsequent auf die Ausgabenseite, z.B. im Arzneimittelbereich, geschaut werden. Wir haben mittlerweile ca. 50.000 Produkte auf dem Markt. Diese werden von den herstellenden Pharmazieunternehmen auch kräftig beworben. Jede Krankenhausapotheke wird aber bestätigen, dass es auf die Wirkstoffe in den Arzneimitteln ankommt und wir in der Regel mit rund 1500 Medikamenten auskommen.

 Unsere Bundesregierung geht einen anderen Weg als Barack Obama: Sie will die gesetzliche Krankenversicherung und auch die Pflegeversicherung privatisieren. Sie beabsichtigt u.a. einen einkommensunabhängigen Beitrag einzuführen und hat deshalb den Arbeitgeberbeitrag auf 7 Prozent eingefroren. Die Versicherten werden die Kostensteigerungen für den medizinischen Fortschritt in der Gesundheitsversorgung in einer älter werdenden Gesellschaft alleine tragen müssen. Nicht die bislang gesetzlich verankerte Solidarität, sondern die individualisierte Kopfpauschale ist das erklärte Ziel.

 Umfragen weisen darauf hin, dass rund 80 Prozent der Bevölkerung eine vom Gedanken der Solidarität getragene Bürgerversicherung bevorzugen. Sie wollen keine Privatisierung der Lebensrisiken. Viele ältere Privatversicherte erfahren derzeit was es heißt, alleine für die Lebensrisiken zu sorgen Mittlerweile sind viele finanziell überfordert von sprunghaft ansteigenden Beiträgen.

 Die Bürgerinnen und Bürger wollen ein Finanzierungskonzept, in dem die Jüngeren für die Älteren, die Gesunden für die Kranken und die Finanzstärkeren für die Finanzschwächeren einstehen.

Kolumne von Mechthild Rawert im Tempelhofer Journal, Ausgabe März/April 2010