Die UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderung setzt neue Maßstäbe in der Behindertenpolitik. Das gilt gerade für den Bildungsbereich. „Es muss Druck erzeugt werden, um ein inklusives Schulsystem zu erreichen!“ erklärte Mechthild Rawert auf ihrem Diskussionsforum „Ein Jahr UN-Behindertenrechtskonvention“.
Die SPD-Politikerin diskutierte mit hochrangigen Expertinnen über die Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention in der Friedenauer Fläming-Grundschule. Die Einladung zum Diskussionsforum nutzten viele LehrerInnen, Eltern und VertreterInnen von Vereinen und Selbsthilfegruppen.
Seit März 2009 gilt die Konvention in Deutschland. Aus Sicht der ehemaligen Behindertenbeauftragten der Bundesregierung Karin Evers-Meyer machen zwei Dinge die UN-Konvention einzigartig: bei der Erarbeitung saßen die Vereine und Verbände behinderter Menschen aus vielen Ländern mit am Verhandlungstisch und wurden von den Regierungsvertretern in die Abstimmungen eingebunden. Diese Konvention gewährt erstmals den weltweit mehr als 600 Millionen Menschen mit Behinderung ihre Menschenrechte.
Gerade im Schulbereich ist Deutschland Entwicklungsland: nur 15 % der Kinder mit Behinderung besuchen eine Regelschule, in vergleichbaren EU-Nachbarländern sind es bis zu 80 %. Evers-Meyer betonte: „ein inklusives Schulsystem gibt es nicht sofort und nicht umsonst“.
Einen anschaulichen Überblick über die Entwicklung der Konvention und ihre rechtlichen Wirkungen gab Claudia Tietz vom Sozialverband Deutschland. Nicht nur die Bundesregierung, sondern auch die Bundesländer haben im Bundesrat und im Bundestag der UN-Konvention zugestimmt. Mit der Konvention hat sich Deutschland mit allen Bundesländer verpflichtet, Inklusion Schritt für Schritt umzusetzen.
Vor allem die Umsetzung des Artikel 24 ist eine große Herausforderung. Er schreibt ein inklusives Bildungssystem als Ziel fest. Deswegen hat der Sozialverband Deutschland ein Gutachten zu seiner Umsetzung in Auftrag gegeben. In diesem Gutachten von Prof. Riedel wird erläutert, dass allen Kinder ein diskriminierungsfreier Zugang gewährt werden muss. Dem entsprechend müssen die Landesschulgesetze so geändert werden, dass inklusive Schulen die Regel werden.
Ein inklusives Schulsystem meint inklusive Bildung an allen Schulen. Rita Schaffrinna, die Schulleiterin der Fläming Grundschule, fordert deshalb für alle Schulen auch eine angemessene Ausstattung, d.h. Kontinuität der Lehrkräfte, Supervisionen für Lehrkräfte, Beratung für Eltern und kompetenten Beistand.
An der Fläming-Grundschule werden bereits seit 1975 behinderte und nichtbehinderte Kinder gemeinsam unterrichtet. Zur Zeit beteiligt sich die Schule am Modellversuch „Inklusiver Unterricht und inklusive Erziehung“. Hier leisten die LehrerInnen, ErzieherInnen, die Eltern und die SchülerInnen Pionierarbeit für ein inklusives Schulsystem.
Die vielen kompetenten Beiträge aus dem Publikum spiegelten die hohe Bedeutung der Umsetzung der UN-Konvention wider. So wurde gefordert, dass die Kompetenzen der bisherigen Förderschulen für die Regelschulen genutzt werden sollten. Kritisiert wurde in diesem Zusammenhang auch der Umgang mit Förderzentren im Bezirk Tempelhof-Schöneberg. Denn 90 % aller FörderschülerInnen schaffen nicht den Schritt auf den ersten Arbeitsmarkt, sondern gehen später direkt in geschützte Behindertenwerkstätten.
Die Ausbildung der Lehrkräfte, z.B. von GrundschullehrerInnen in Sonderpädagogik, war ein weiterer Diskussionspunkt. Über eine Veränderung dieser Studiengänge muss nachgedacht werden.
„Wir müssen hier vor Ort dafür sorgen, dass inklusive Schulen durchgesetzt werden.“ betonte Mechthild Rawert und wies zum Abschluss auf die nächste Veranstaltung zu diesem Thema am 28.6.2010 mit Senator Prof. Dr. E. Jürgen Zöllner und der Professorin für Schulpädagogik Jutta Schöler hin. Dort sollen viele der aufgeworfenen Fragen weiter diskutiert werden.
v.l.n.r.: Mechthild Rawert, MdB, Karin Evers-Meyer, MdB, Claudia Tietz, Fachreferentin des Sozialverbandes Deutschland und Rita Schaffrinna, Schulleiterin der Fläming-Grundschule
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