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Inklusive Bildung in Berlin

In der Reihe „Diskussionsforum Inklusive Bildung“ hat sich am 28.06.2010 erstmals Prof. Dr. Zöllner, Senator für Bildung und Wissenschaft, dazu geäußert, wie die UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen im Berliner Bildungswesen umgesetzt werden soll.

Auf Einladung von Mechthild Rawert kamen über 180 Interessierte, betroffene Eltern, LehrerInnen, Engagierte aus Behinderten- und Sozialverbänden und Selbsthilfegruppen, aus Krankenkassen, Hochschulen und verschiedenen Bezirksverwaltungen zusammen, um mit dem Bildungssenator Zöllner und Frau Prof. Dr. Jutta Schöler, Expertin für inklusive Schulpädagogik, zu diskutieren. Die Aula der Fläming-Grundschule war hoffnungslos überfüllt.

Mit der UN-Konvention, die Deutschland im März 2009 in Bundestag und Bundesrat ratifiziert hat, sind wir verpflichtet, einen Paragdimenwechsel in der Behindertenpolitik zu vollziehen. Das heißt für die Bildungsinstitutionen: nicht mehr der einzelne Mensch soll in das Bildungs-System eingepasst werden durch erfolgreiche Integrationsarbeit, sondern das System soll so verändert werden, dass allen Menschen die Voraussetzungen zur Teilhabe und zu bestmöglichen Bildungschancen ermöglicht werden. Deutschland ist hier ein Entwicklungsland: Nur etwa 17% der Kinder mit Behinderung besuchen eine Regelschule, in vergleichbaren EU-Nachbarländern sind es bis zu 80%.

In Berlin gibt es rund 7,6 % SchülerInnen mit besonderem Förderbedarf in insgesamt 10 Schwerpunktbereichen. Davon werden rund 42% integrativ, das heißt an Regelschulen, beschult. Der Bundesdurchschnitt liegt bei 19%. Aber die Berliner Bezirke sind nicht einheitlich: die Spanne geht hier von 19% bis zu 70%. Tempelhof-Schöneberg liegt bei 62% integrativer Beschulung. Nicht zuletzt dank der Fläming-Grundschule, die 1975 die erste Integrationsschule Deutschlands wurde.

Mit der Schulstrukturreform und der Einführung der Sekundarschulen ist bereits ein großer Schritt zu besserer individueller Förderung vorgezeichnet, aber inklusive Bildung geht weit darüber hinaus.

Senator Zöllner hat seinen Willen zur vollständigen Umsetzung der Konvention nachdrücklich bestätigt und alle Schulen von der Grund- über die Sekundärschule und den Gymnasien bis zur Berufsschule in die notwendige Umgestaltung einbezogen. Zugleich hat er in 5 Punkten deutlich gemacht, dass es einer längeren Übergangszeit bedarf, um zur Regelbeschulung für Alle zu kommen. Die in Berlin geltende Wahlfreiheit, die Eltern ermöglicht, zwischen Sonder- und Regelschule zu wählen, soll erhalten bleiben, ohne dass beide Systeme sich gegenseitig behindern. Aber auch im Bereich der Ausbildung von LehrerInnen, Erziehern und den Fachleuten in den Verwaltungen muss viel verändert werden.

Künftig soll keine Auswahl von SchülerInnen nach Förderdiagnostik stattfinden, sondern nach der Aufnahme an der Schule muss ein jeweils individueller Förderplan erarbeitet werden, nach dem dann besondere Maßnahmen oder Hilfen für das Kind organisiert werden. Dazu braucht es eine zusätzliche Qualifizierung der Kollegien, aber auch eine andere Ausstattung der Schulen. Denn wenn alle Kinder überall individuelle Förderung erfahren können sollen, müssen z.B. auch die Musterraumpläne für Schulen überarbeitet werden, nach denen die Kosten für einen SchülerInnenplatz pro Schule kalkuliert sind.

Die größte Sorge der LehrerInnen und Eltern war, dass die Mittelverteilung in Berlin für die schwierigen Übergangsphase zulasten derer gehen könnte, die bereits jetzt inklusiv arbeiten. Damit sind sie bei dem auf Defizitkriterien basierenden Zuwendungsrecht benachteiligt. Prof. Zöllner hat versprochen, Lösungswege auszuarbeiten, die das ausschließen.
Wie der Übergang zur Inklusion für das Bildungswesen konkret gestaltet werden kann, will der Bildungssenator dem Parlament nach der Sommerpause mit einem Umsetzungsplan und Vorschlägen für Gesetzesänderungen vorlegen.

Die Veranstaltung war laut Prof. Zöllner die erste öffentliche Diskussion, die sich mit den konkreten Umsetzungen der Behindertenrechtskonvention für die Bildung in Berlin befasst hat. Weitere müssen folgen!

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Prof. Dr. Jutta Schöler, Mechthild Rawert und Prof. Dr. E. Jürgen Zöllner

Weiter Fotos finden Sie auf Flickr.

Medienecho:

Schulleiter fürchten um die Förderung der behinderten Kinder, Berliner Morgenpost, 1.7.2010

Zöllner: Behinderte auch ans Gymnasium, Berliner Zeitung, 30.6.2010