Mit der Verlegung der Stolpersteine in Anwesenheit von Rolf Hochhuth wurde an die Familie Nathan, Nechuma und Charlotte Kerz erinnert. Nur der Sohn Leo überlebte in den USA. Aus Amerika reiste die Schwiegertochter Louise Kerz-Hirschfeld mit ihren Söhnen an.
In einer von über 60 AnwohnerInnen besuchten Feierstunde sind vor dem Wohnhaus Stierstraße 4 in Berlin-Friedenau am 19. August drei Stolpersteine in das Pflaster des Bürgersteiges eingelassen worden. Sie sind für
Nathan Kerz, geb. 25.08.1886 in Gorlice, (Krakua) Polen, gestorben am 16.01.1943 in Den Haag.
Nechuma Kerz (geb. Spira), geb.17.7.1891 in Gorlice, (Krakau) Polen, Todesdatum 28.5.1943 Sobibor
Charlotte Kerz, geb. am 29.3.1914 in Berlin, Todesdatum 28.5.1943 in Sobibor.
Die Familie Kerz hatte in den Zwanzigerjahren in Berlin ein florierendes Modegeschäft. Obwohl sie sich frühzeitig um Ausreisevisa bemüht hatten, um der nationalsozialistischen Diktatur zu entfliehen, war eine Flucht letztlich nicht mehr möglich.
Bei der Stolperstein-Verlegung anwesend war auch der Dramatiker Rolf Hochhuth. Für dessen Inszenierung „Der Stellvertreter“ hatte der die Nazizeit überlebende, zwischenzeitlich verstorbene Sohn Leo Kerz Anfang der 60 Jahre das Bühnenbild geschaffen. Die Erinnerung an die Familie Kerz wachgerufen hatte die in den Staaten lebende Schwiegertochter Louise Kerz-Hirschfeld, die mit ihren beiden Söhnen für diese Feierstunde angereist war.
Die umfangreichen Recherchearbeiten zu Nathan, Nechuma und Charlotte Kerz haben Mitglieder der „Initiativgruppe Stolpersteine Stierstraße“ geleistet. Anlass zur Gründung dieser Initiativgruppe war ein Besuch in der Dauerausstellung „Wir waren Nachbarn“ im Rathaus Schöneberg. Dort waren die heutigen BewohnerInnen der Stierstraße auf frühere jüdische Nachbarinnen und Nachbarn aufmerksam geworden. Diese Nachbarn hatten wie die Familie Kerz ihren letzten Wohnsitz in der Stierstraße; sie waren von hier in ein Lager deportiert und ermordet wurden. Mittlerweile sind in der Stierstraße 42 Stolpersteine verlegt, die letzten drei für die Familie Kerz.
„Ein Mensch ist erst vergessen, wenn sein Name vergessen ist“, sagt Gunter Demnig, der mit dem Projekt Stolpersteine die Erinnerung an die Vertreibung und Vernichtung der Juden, der Sinti und Roma, der politisch Verfolgten, der Homosexuellen, der Zeugen Jehovas und der Euthanasieopfer lebendig hält. Stolpersteine vor den letzten Wohnorten der von den Nazis Ermordeten werden so zu einem sichtbaren Gedächtnisort. Weltweit sind zwischenzeitlich über 23 000 Stolpersteine verlegt worden.
(Rolf Hochhuth und Louise Kerz-Hirschfeld, Foto: Rawert)