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"Arbeitsmarktpolitik und Sozialpolitik - Konkurrenz oder Ergänzung?": Diskussionsveranstaltung der SPD-Bundestagsfraktion am 29. September im Berliner Abgeordnetenhaus

Mechthild Rawert, SPD-Bundestagsabgeordnete, diskutierte mit dem stv. Vorsitzenden der SPD-Bundestagsfraktion für Wirtschaft und Technologie, Arbeit und Tourismus, Hubertus Heil, der arbeitsmarktpolitischen Sprecherin der SPD-Fraktion im Abgeordnetenhaus, Burgunde Grosse, und dem Experten für Berufsbildungspolitik in Berlin, Uwe Schulz-Hofen, Erfolge, Defizite und Erwartungen an eine gute Arbeitsmarktpolitik.

Es gibt keine Alternative zum Mindestlohn

Den Rahmen der Diskussion bildeten die notwendigen Anforderungen zur Wiedereingliederung von Langzeitarbeitslosen in den freien Arbeitsmarkt bei gleichzeitiger Überwindung des herrschenden Fachkräftemangels. „Arbeitsmarktpolitik an sich schafft keine Arbeitsplätze“, so Hubertus Heil. Die jeweilige Wirtschaftslage bleibt Voraussetzung aktiver arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen. Als Beispiel nannte der SPD-Politiker das Konzept zur Zeit- und Leiharbeit. Das davon betroffene Arbeitnehmerüberlassungsgesetz wurde vom Gesetzgeber für aktive arbeitsmarktpolitische Zwecke eingesetzt, um Leistungsspitzen in Konjunkturphasen aufzufangen. Dieses Instrument sei jedoch von Arbeitgebern massiv im Namen der Tarifvertragsautonomie unterwandert und somit zum Missbrauch freigegeben worden. Dies führe zusätzlich zu einer Zunahme des Niedriglohnsektors, der einen Rückgang sozialversicherungspflichtiger Vollzeitarbeitsverhältnisse bei gleichzeitiger Zunahme atypischer und prekärer Beschäftigungsverhältnisse zur Folge habe. „Aus diesem Grund gibt es keine Alternativen zur Einführung des Mindestlohns“, bekräftigte Hubertus Heil. Die Zunahme solcher Beschäftigungsverhältnisse verschärfe zudem das Rentensystem und führe ebenfalls zum Rückgang der Binnennachfrage, die wiederum Rückwirkungen auf das Angebot von Arbeitsplätzen habe.

Fachkräftemangel kann nicht durch Zuwanderung beseitigt werden

Der Experte für Berufsbildungspolitik in Berlin Uwe Schulz-Hofen, fasste das Problem des beginnenden Fachkräftemangels in Berlin folgendermaßen zusammen: „Von Seiten der Arbeitgeber werden Arbeitnehmer nicht qualifiziert, da es keine Jobs gibt. Andererseits werden keine Jobs angeboten, da es keine qualifizierten Arbeitskräfte gibt!“ Diese Situation kann dazu führen, dass bis zum Jahre 2030 in der Region Berlin-Brandenburg ca. 460 000 Fachkräfte fehlen. Eine aktive Arbeitsmarktpolitik benötigt also auch eine nachhaltige Bildungs- und Berufsbildungspolitik: „Sozial ist, was für gute Arbeit qualifiziert“, so Uwe Schulz-Hofen. Dabei appellierte er für eine Erhöhung des Qualifikationsniveaus durch Verlängerung und Zusammenführung der Maßnahmen, Verbesserung der föderalen Zusammenarbeit sowie die Schaffung von mehr Ausbildungsplätzen. Einhellige Meinung der ExpertInnen war, dass der Fachkräftemangel nicht durch Zuwanderung beseitigt werden könne. „Das vorhandene Potential der jungen Menschen und der noch nicht Qualifizierten muss gehoben werden.“ Vor allem ein Ausbau der Aufstiegsausbildung ist notwendig; in Deutschland gibt es zu wenige Strukturen für Weiter- und Fortbildungsmaßnahmen an Hoch- und Berufsschulen. Aktive Arbeitsmarktpolitik muss für die zukünftigen Anforderungen Möglichkeiten zur Fort- und Weiterbildung von Alleinerziehenden, schlecht ausgebildeten und älteren Menschen sowie zur Gleichstellung von Frauen schaffen. Diese Zielgruppen sind bislang benachteiligt. Für den zukünftigen Bedarf an Fachkräften werden sie aber dringend gebraucht. Ebenso ist es wichtig, Maßnahmen zu entwickeln, um vorhandenes Wissen von Menschen ohne vollständige Ausbildung zu identifizieren, um darauf eine Berufsqualifikation aufzubauen. Die arbeitsmarktpolitische Sprecherin der SPD-Fraktion im Abgeordnetenhaus, Burgunde Grosse, konnte über positive Berliner Maßnahmen berichten, die durch Weiterbildung gute Chancen bei den Arbeitssuchenden eröffneten. In Berlin stehe die Qualifizierung der Aus- und Weiterbildung, als auch die Förderung von Frauen und MigrantInnen an erster Stelle.

Maßnahmen der Weiterbildung sind zu kurzfristig

Unter den zahlreich erschienenen Gästen meldeten sich viele ExpertInnen zu Wort und bestätigten die Dringlichkeit der angeführten arbeitsmarktpolitischen Forderungen aus eigenen Erfahrungen. So wurde berichtet, dass Maßnahmen der Weiterbildung oft zu kurzfristig angelegt sind. Das bestätigten auch die VertreterInnen der Ausbildungsplatzanbieter und -vermittler.

Die SPD-Bundestagsabgeordnete Mechthild Rawert fasste den Tenor der Ergebnisse dahingehend zusammen, dass eine effektive Daseinsvorsorge der Nachhaltigkeit von Förderstrukturen bedarf: „Gute Arbeit fußt auf einer nachhaltigen Aus-, Fort- und Weiterbildung.“



V.l.n.r.: Uwe Schulz-Hofen, Mechthild Rawert, MdB, Hubertus Heil, MdB, Burgunde Grosse, MdA