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Für Rassismus und Rechtspopulismus ist in Berlin kein Platz

Wir müssen klar machen, dass Rechtspopulisten, wie der Niederländer Geert Wilders, in Berlin nicht willkommen sind, betonte Mechthild Rawert auf der Diskussionsveranstaltung „Stop the Wilders Show“ am 2.10.2010. Anlässlich des Berlin-Besuchs des zur Zeit erfolgreichsten Rechtspopulisten Geert Wilders organisierte die SPD-Tempelhof-Schöneberg eine Diskussion über Strategien gegen Rechtspopulismus im Rathaus Schöneberg. Neben Mechthild Rawert debattierten Peter Scheffer von der Partij van de Arbeid (PvdA), den niederländischen SozialdemokratInnen, und Dirk Stegemann, Koordinator des Bündnisses „Rechtspopulismus stoppen!“.

Regierung auf Gnaden von Wilders

Den Aufstieg Wilders beschrieb Peter Scheffer (PvdA) mit sehr anschaulichen Beispielen. Wilders versucht, den Islam nicht als Religion, sondern als gefährliche politische Ideologie darzustellen. Damit trifft er die islamfeindlichen Einstellungen eines beträchtlichen Teils der NiederländerInnen. Während 66 % den Islam als Religion einschätzen, halten 28 % den Islam für eine politische Ideologie. Unter den AnhängerInnen Wilders glauben das sogar 71 %. Mit einer aggressiven Wortwahl schürt Wilders Ressentiments, Ängste und Vorurteile gegenüber Muslima und Muslimen. Forderungen nach Kopftuchsteuer, Burka-Verbot oder gezielten Knieschüssen auf „marokkanische Straßenterroristen“ stehen dafür beispielhaft. Den Islam vergleicht Wilders mit dem Faschismus, der Koran sei gefährlich wie Hitlers „Mein Kampf“. Das Programm von Wilders ist eine postmoderne Mixtur aus radikalen Anti-Islamismus, liberalen Elementen, wie die Befürwortung der Homo-Ehe und zugleich eher „linken Positionen“ bezüglich des „Sozialstaats“. Wenn es um autochthone Niederländer wie „Hank und Ingrid“ geht, ist Wilders sozial eingestellt. So protestierte er gegen die Kürzungen der Krankenkassenleistungen während der Tolerierungsverhandlungen. Wilders ist auch nicht latent antisemitisch wie Jörg Haider. Er ist ein ausgesprochener Philosemit und Unterstützer Israels. Die ideologische Klammer bildet der Anti-Islamismus. Wilders’ Methode ist Ausländerfeindlichkeit im Gewand der Religionskritik. Sein politisches Programm sei für Hank und Ingrid und nicht für Aishe und Mohammed, argumentiert Wilders.

Bei den Wahlen im Juni 2010 wurde Wilders Partei „Partij voor de Vrijheid“ mit 15,5 % drittstärkste Kraft in den Niederlanden. Dabei profitierte die PVV vor allem vom dramatischen Absturz der Christdemokraten. Aber die Analyse der Wählerwanderungen zeigte auch auf, dass die Wilders auch beträchtliche Stimmenanteile von den AnhängerInnen der Sozialistischen Partei errang. Wilders Propaganda verfängt vor allem im ländlichen Raum und kleinen Städten, also dort wo der Anteil von MigrantInnen relativ gering ist und sich aber die Mittelklasse von Abstiegsängsten bedroht fühlt. 75 % der WählerInnen der PVV waren Männer, vor allem bei den über 50jährigen schnitt die PVV überdurchschnittlich ab.

Eine besondere Aktualität erhielt die Diskussion durch den zeitgleich stattfindenden Parteitag der niederländischen ChristdemokratInnen (CDA). Eine deutliche Mehrheit von 68 % der CDA-Mitglieder entschied sich für eine Regierung auf Gnaden von Geert Wilders.Die Rechtsliberalen (VVD) und Christdemokraten (CDA) bilden nun eine Minderheitsregierung und lassen sich von Wilders tolerieren. Mit diesem Tabubruch verschiebt sich das politische Koordinatensystem nach rechts. Eine verstärkte Repressionspolitik gegenüber MigrantInnen ist zu erwarten und im Tolerierungsvertrag bereits fixiert. Als symbolisches Beispiel dafür steht das Burkaverbot. Dieses findet eine große Zustimmung in der Bevölkerung, 73 % der NiederländerInnen befürworten das Burkaverbot, vor allem die AnhängerInnen der der Wilders-Partei (100 %), der rechtsliberalen VVD (96 %), der ChristdemokratInnen CDA (83 %), aber auch die WählerInnen der sozialistischen Partei SP (80 %).

Zur Zeit steht Wilders in Amsterdam wegen Volksverhetzung vor Gericht. Ihm wird vorgeworfen, Muslime wegen ihres Glaubens und nichtwestliche Immigranten wegen ihrer Rasse diskriminiert zu haben.

Rechtspopulismus und Islamfeindlichkeit breiten sich aus

Rechtspopulismus und Islamfeindlichkeit sind indes kein niederländisches Phänomen stellte die Bundestagsabgeordnete Mechthild Rawert klar, die Mitglied der AG „Strategien gegen Rechtsextremismus“ der SPD-Bundestagsfraktion ist. Auch in Dänemark, Belgien, Frankreich, Schweiz, Österreich, Italien, Ungarn und neuerdings in Schweden verzeichnen rechtspopulistische Parteien Erfolge.

Der Auftritt von Wilders in Berlin passt in die Strategie, die islamfeindlichen Kräfte in den USA, Kanada und in Europa in einer gemeinsamen „Allianz für die Freiheit“ besser miteinander zu vernetzen. Eingeladen wurde Wilders durch den ehemaligen CDU-Abgeordneten René Stadtkewitz, das islamfeindliche Netzwerk Pax Europa und das rassistische Internetportal „Politically Incorrect“. Wilders machte deutlich, dass seine „Internationale Freiheitsallianz“ einen starken deutschen Partner braucht.

Der Koordinator der Bündnisses „Rechtspopulismus stoppen!“ Dirk Stegemann gab einen aktuellen Einblick über die rechtspopulistischen Bewegungen in Berlin. Sowohl „Pro Berlin“ als auch die noch zu gründende Partei „Die Freiheit“ von Stadtkewitz wollen 2011 zu den Abgeordnetenhauswahlen antreten. Zwar versucht sich „Pro Berlin“ von rechtsextremen Parteien und Kameradschaften zu distanzieren, doch die Überschneidungen der handelnden Personen bei der „Pro-Bewegung“ mit der rechtsradikalen Szene sprechen für sich. Darüberhinaus kooperiert „Pro Berlin“ mit den Republikanern für die Wahlen im nächsten Jahr. Über den Erfolg der Partei „Die Freiheit“ des CDU-Renegaten Stadtkewitz lässt sich im Moment nur spekulieren. Aber man darf nicht den Fehler machen, diese rechtspopulistischen Bewegungen zu unterschätzen.

Die Sarrazin-Debatte hat deutlich aufgezeigt, dass es ein erhebliches Potenzial an Zustimmung für islamfeindliche und rassistische Thesen gibt. Auch die aktuelle Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung "Die Mitte in der Krise -Rechtsextreme Einstellungen in Deutschland 2010" kommt zum Schluss, dass sich ein Anstieg von dezidiert antidemokratischen und rassistischen Einstellungen feststellen und zudem eine leichte Zunahme der sozialdarwinistischen Ungleichwertigkeitsvorstellung beobachten lässt. Verfestigte rechtsextreme Einstellungen gibt es nicht nur am Rand der Gesellschaft, sondern sind auch in deren „Mitte“ zu finden. Rassistische Denkmuster finden sich vielmehr auf alle Bevölkerungsschichten, Generationen und Regionen und erfordert das entschiedene Engagement aller gesellschaftspolitischen Kräfte.

Keine Kürzung der Programme gegen Rechtsextremismus

Durch Aufklärung und Bildung müsse die Politik allen BürgerInnen klar machen, dass die Welt nicht so schwarz-weiß sei, wie Populisten wie Wilders sie zeigten, sagte Rawert. Besonders gefährlich und falsch ist die Gleichsetzung von Rechts- und Linksextremismus, wie sie die jetzige Bundesregierung verfolgt. Damit wird ein politischer Brandherd gelegt, der die Gefahr und die Brutalität der Rechtsextremen verharmlost. Gewachsene zivilgesellschaftliche Strukturen im Kampf gegen den Rechtsextremismus dürfen nicht Opfer der Umwidmung des Kampfes gegen Rechtsextremismus durch die schwarz-gelbe Bundesregierung werden. Eine institutionelle Förderung der Arbeit für Demokratieentwicklung und gegen Rechtsextremismus ist weiter notwendig, um demokratische Alltagskulturen und Konfliktlösungskompetenzen in Zivilgesellschaft, Wirtschaft und staatlichen Institutionen zu stärken. Erfolgreiche Bundesprogramme „Vielfalt tut gut“ und „kompetent für Demokratie“ müssen auf eine sichere Basis gestellt werden. Die SPD schlägt daher die Errichtung einer Stiftung gegen Rechtsextremismus auf Bundesebene vor.

Gut arbeitende Projektstrukturen wie Mobile Beratungsteams und Opferberatungsstellen müssen weiter unterstützt werden. Die SPD fordert bundesweit spezialisierte Beratungsstellen für die Opfer rechter Gewalt. Erfahrene zivilgesellschaftliche Akteure müssen bei der Ausgestaltung einer längerfristig angelegten Bundesförderung einbezogen werden.

Die Bundespolitikerin Rawert tritt nach wie vor für ein Verbot der NPD ein. Die NPD ist eine Partei, die den Nationalsozialismus offen verherrlicht und eine aggressiv-kämpferische Grundhaltung gegenüber unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung aufweist. Deshalb muss das Verbot der NPD angestrebt werden.

Die Hoffnung, dass sich rechtspopulistische Parteien durch die Übernahme von Regierungsverantwortung entzaubern lassen, ist trügerisch. Das gesellschaftliche Klima wird durch rassistische und antiislamische Hetze vergiftet und bestehende Ressentiments werden bestärkt und hoffähig gemacht. Repressive Gesetzgebung gegenüber MigrantInnen und anderen Minderheiten sind die Folge, wie die Beispiele Dänemark und Österreich verdeutlichen.

Wir müssen den Rechtspopulisten ein europäisches Bündnis der progressiven Kräfte gegen Rechtspopulismus, Rassismus und Islamfeindlichkeit entgegenstellen, darüber waren sich alle DiskutantInnen einig. Gerade die Sozialdemokratie war immer internationalistisch und europäisch ausgerichtet. Ein solches  fortschrittliches Bündnis zu schmieden ist gerade auch eine Aufgabe der Europäischen SozialdemokratInnen. Aber wir brauchen aktive zivilgesellschaftliche Bündnisse gegen Rassismus auf allen Ebenen.













v.l.n.r.: Peter Scheffer, Marijke Höppner, Mechthild Rawert, Dirk Stegemann