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Integrationsdebatte mal anders: Wird Deutschland zum Auswanderungsland?

In den vergangenen Monaten wurde die öffentliche Debatte immer wieder von der Frage dominiert, ob Integration gescheitert ist und wir, das heißt unser Arbeitsmarkt und unsere Bildungssysteme, weitere Zuwanderung verkraften. Dabei wird ein wichtiges Faktum der Bevölkerungsstatistik völlig übersehen: Im Jahr 2009 verließen 733.798 Menschen das Land, 12.785 mehr Menschen haben Deutschland verlassen als hergezogen sind.

Diese Negativ-Bilanz wird seit einigen Jahren kontinuierlich größer – nicht zuletzt, weil unsere guten Ausbildungen international beliebt sind. Trotzdem spielt diese Tatsache kaum eine Rolle in der allgemeinen Integrationsdebatte. Prognosen der Bevölkerungsentwicklung, die unter anderem den Kalkulationen zur Zukunft der Rentenversicherung zugrunde liegen, gehen von einer jährlichen Nettozuwanderung von 100.000 bis 200.000 Personen aus, obwohl die Statistik längst etwas anderes sagt.

Verschärft sich dieser Trend durch Auswanderung von qualifizierten Personen weiter, erleidet Deutschland Wohlstandsverluste und kann das Niveau der sozialen Sicherheit nicht halten. Vor diesem Hintergrund ist es doppelt notwendig, die Angst vor Einwanderung zu mindern und die gute Integration der meisten Zuwanderer positiv zu bewerten. Natürlich bleibt es ebenso eine wichtige Aufgabe, an den Stellen nachzubessern, wo klare Defizite vorliegen und die soziale Integration nicht gelingt.

In diesem Sinne bin ich Herrn Kronauer dankbar, dass er diese Debatte in seinem Artikel „Integration, Mulitkulti, Parallelgesellschaft“ in der letzten Ausgabe des Tempelhofer Journals (Heft 6 2010) aufgreift und bekräftigt, dass wir die Zuwanderung brauchen und auch in der Lage sind, sie für alle gewinnbringend zu gestalten.

Wichtig ist, mit Daten und Fakten ein realistisches Bild von Größenordnungen, Problemen und Chancen im Kontext von Einwanderung und Integration zu zeichnen. Der Verweis auf die Statistik, nach der Zuwanderung nach Deutschland nötig ist, reicht nicht.

Einen wesentlichen Einfluss auf gute Integration hat die frühkindliche Bildung. Für alle Kinder erhöht sich durchschnittlich die Wahrscheinlichkeit, ein Gymnasium zu besuchen, von 36 auf rund 50 Prozent (relativer Anstieg um 38 Prozent), wenn sie eine Krippe besucht haben. Besonders bei Kindern mit Migrationshintergrund wirkt sich frühe Förderung auf den späteren Bildungserfolg aus. Das hängt sicherlich mit den dann durchweg besseren Deutschkennnissen dieser Kinder zusammen.

Über ein Drittel aller Kinder im Kita-Alter hatten bundesweit zum 01.10.2009 einen Migrationshintergrund, Tendenz steigend. Aber auch bei den Studierenden des Sommersemesters 2009 sind es schon knapp 11 Prozent (in Berlin über 15) der Studentinnen und Studenten. Diese Zahl macht deutlich, dass selbst ohne die statistische Negativbilanz der Bevölkerungsentwicklung die Frage lauten muss, wie gestalten wir Integration und nicht, ob wir sie wollen. Denn dass wir sie brauchen, ist längst schon klar.