Gleich am Anfang erhielt Mechthild Rawert, Bundestagsabgeordnete für Tempelhof-Schöneberg und Mitglied der Begleitgruppe zu UN-Behindertenkonvention der SPD-Bundestagsfraktion ein Lob: Mit dem Forum Gesundheit für Mädchen und Frauen mit Behinderungen realisiere sie das Prinzip „Nicht ohne uns über uns“. An der Veranstaltung am 29. März im Infocafé KoKuMa in Berlin Mariendorf nahmen Betroffene, Expertinnen und Vertreterinnen von Selbsthilfeorganisationen teil und benannten drängende Probleme, Vorschläge und Ideen für ein diskriminierungsfreies Gesundheitswesen.
Seelische, körperliche und geistige Gesundheit ist eine Voraussetzung für ein erfülltes Leben. Gesundheit ist auch Voraussetzung für eine umfassende Teilhabe, für Inklusion. Menschen mit Behinderungen erfahren aber immer noch tagtäglich massive Ausgrenzungen und Barrieren. Menschen mit Behinderungen leiden häufig auch unter Krankheiten, die sich auf besondere Art zeigen. Hierauf muss das Gesundheitswesen noch mehr teilhabeorientierte Antworten finden. Den Menschen müssen Leistungen zur Verfügung gestellt werden, die einen Ausgleich zur Einschränkung ihrer Teilhabe an der Gesellschaft ermöglichen. Es findet ein gesellschaftlicher Wandel zu mehr Teilhabe und Partizipation an. Hiervor darf gerade das Gesundheitswesen die Augen nicht verschließen. Alle Akteure müssen sich anstrengen, die UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderung umzusetzen und den Anspruch auf eine bedarfsgerechte, flächendeckende und gemeindenahe gesundheitliche Versorgung für Alle konsequent umzusetzen.
83 % aller Arztpraxen in Berlin sind nicht barrierefrei, betonten die Expertinnen Susanne Mansee und Susanne Handricks vom Netzwerk behinderter Frauen Berlin e.V.. Das betrifft auch die medizinischen Geräte und Produkte. In Berlin verfügen 82 % der gynäkologischen Praxen weder über höhenverstellbare Untersuchungsstühle, noch gibt es barrierefreie Apparate für Mammographie-Screenings. Das führt zu erheblichen Einschränkungen in der Gesundheitsversorgung für Frauen mit Behinderung. Eine große Problematik stellt die Versorgung mit Heil- und Hilfsmitteln für Menschen mit Behinderung dar. So werden z.B. Rollstühle oft nicht nach dem Bedarf der Menschen, sondern lediglich nach Kostengründen verschrieben. Das führt zu einer Unterversorgung und zu inakzeptablen Beeinträchtigungen der Lebensqualität der Betroffenen. Die Expertinnen vom Netzwerk behinderter Frauen Berlin e.V. forderten als Konsequenz mehr Flexibilität der Krankenkassen bei den Verschreibungen von Heil- und Hilfsmitteln ein.
Kompetenz spart Kosten!
Wichtig ist auch der Abbau von mentalen Barrieren. Gesundheitspolitik darf nicht mehr über die Köpfe der Betroffenen hinweg gemacht werden. In der Diskussionsrunde beklagten viele Teilnehmerinnen, dass die Kommunikation zwischen Betroffenen, Ärzten und Pflegepersonal dringend verbessert werden muss. Die Kompetenzen und der Sachverstand der Betroffenen und ihrer Verbände gehören stärker in Entscheidungen mit einbezogen, denn Kompetenz spart Kosten! Krankenhäuser und Kliniken sollten zum Beispiel über Selbsthilfegruppen informieren und - vor allem auch beim Entlassungsmanagement - intensiver mit Selbsthilfegruppen kooperieren. Als positives Beispiel wurden die Pflegestützpunkte angeführt, die mit den Betroffenenverbänden zusammenarbeiten. Dadurch können Menschen mit Behinderung in der Praxis besser beraten werden.
Tatkräftiges Agieren
Das Forum Gesundheit für Frauen und Mädchen mit Behinderung zeigte auf, dass sowohl grundsätzlich als auch für die individuell Betroffenen bzw. ihre Angehörigen noch viel getan werden muss, um die UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderung diskriminierungsfreie Wirklichkeit werden zu lassen. Zusammen mit Teilnehmerinnen wird die Gesundheitspolitikerin Rawert zwei der konkret benannten Problemlagen angehen.