Ihrem Gewissen folgend werden die Parlamentarierinnen und Parlamentarier des Deutschen Bundestages fernab jeglicher Fraktionsdisziplin zu entscheiden haben: Ob und unter welchen Bedingungen dürfen Embryonen aus dem Reagenzglas vor der Einpflanzung in die Gebärmutter auf mögliche Gendefekte untersucht werden? Wird einerseits Eltern durch vorhandene medizinische Möglichkeiten zwar Leid erspart, andererseits der gesellschaftliche Druck auf Menschen mit Behinderungen, auf Eltern mit behinderten Kindern verstärkt? Wann beginnt das unverwechselbare individuelle Leben?
Präimplantationsdiagnostik, kurz PID, bezeichnet die genetische Untersuchung von Embryonen aus künstlicher Befruchtung v o r der Übertragung in die Gebärmutter. Dabei werden von mehreren Embryonen diejenigen ausgewählt, bei denen bestimmte Dispositionen für Erbkrankheiten oder chromosomale Veränderungen ausgeschlossen werden. Bisher ist die PID durch das Embryonenschutzgesetz verboten. Der Bundesgerichtshof urteilte am 6. Juli 2010 jedoch anders. Nun besteht ein gesetzlicher Regelungsbedarf.
Respektvolle Debatte über drei Gesetzesentwürfe
Mit großem Ernst tauschten am 14. April BefürworterInnen wie GegnerInnen der PID ihre ethischen und moralischen Argumente zu den drei fraktionsübergreifenden Gruppenanträgen, die von einer begrenzten Zulassung bis zum vollständigen Verbot reichen, aus:
Zulassung in Ausnahmefällen
Ich unterstütze den Vorschlag (Drs. 17/5451), dass die PID in extra lizenzierten Zentren - nach einer verpflichtenden Aufklärung und Beratung sowie einem positivem Votum einer Ethikkommission - dann zulässig ist, wenn ein oder beide Elternteile die Veranlagung für eine schwerwiegende Erbkrankheit in sich tragen oder aber - zumeist zum wiederholten Male - mit einer Tot- oder Fehlgeburt zu rechnen ist. Ich glaube, dass mit dieser Regelung für die betroffenen Frauen, für die betroffenen Eltern bereits vor der Schwangerschaft schwerste Belastungen, u.a. ein Spätabbruch, abgewendet werden können.
Verbot mit engen Ausnahmen
Ein zweiter Vorschlag (Drs. 17/5452) spricht sich für ein grundsätzliches Verbot mit engen Ausnahmen aus. Das Verbot findet dann keine Anwendung, wenn bei mindestens einem Elternteil eine humangenetisch diagnostizierte Disposition vorliegt, die mit einer hohen Wahrscheinlichkeit zu Fehl- oder Totgeburten oder zum Tod des Kindes im ersten Lebensjahr führt. Im Fokus steht demnach kein bestimmtes Krankheitsbild, sondern die (Über)Lebensfähigkeit des Embryos.
Generelles Verbot
Ein dritter Vorschlag (Drs. 17/5450) sieht ein absolutes Verbot der PID vor. Als Grundproblem wird die Unterscheidung zwischen lebenswertem und nicht lebenswertem Leben benannt. Eingeschränkt werde das Grundrecht der Menschenwürde und Menschen mit Behinderungen würden diskriminiert.
Am 25. Mai findet zur PID eine öffentliche Anhörung im Bundestag statt. Danach werden alle drei Gesetzesentwürfe in den zuständigen Ausschüssen beraten. Im Sommer wird entschieden.
Kolumne von Mechthild Rawert im Tempelhofer Journal, Ausgabe Mai/Juni 2011