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Erinnerungsstätte Notaufnahmelager Marienfelde - ein Ort der politischen Bildungsarbeit

Die deutsch-deutsche Flucht war eine der größten europäischen Migrationsbewegungen der Nachkriegszeit. Wenige Orte repräsentieren so eindringlich wie das ehemalige Notaufnahmelager Marienfelde, dass Deutschland faktisch schon seit langem ein Einwanderungsland ist.
Ein Besuch des historischen Ortes „Erinnerungsstätte Notaufnahmelager Marienfelde“, der in meinem Wahlkreis Tempelhof-Schöneberg liegt, fordert zu nachhaltiger politischer Gerstaltung heraus.

Die „Erinnerungsstätte Notaufnahmelager Marienfelde“ wurde 2005 im Hauptgebäude des ehemaligen Notaufnahmelagers Marienfelde in der Marienfelder Allee 66/80 gegründet. An diesem authentischen Ort erinnert die ständige Ausstellung „Flucht im geteilten Deutschland“ daran, dass zwischen 1949 und 1990 rund vier Millionen Menschen aus der SBZ/DDR in die Bundesrepublik und West-Berlin kamen - eine der größten Migrationsbewegungen der Nachkriegszeit. Über 900 Exponate verweisen anschaulich auf die „Gründe zu gehen“, auf „Wege in den Westen“ sowie auf die Chancen und Probleme beim Neubeginn in der Bundesrepublik.

Für 1,35 Millionen DDR-Flüchtlinge, Ausgereiste oder Freigekaufte war das Notaufnahmelager Marienfelde das „Tor zum Westen“. Hier wurden sie mit dem Notwendigsten versorgt und durchliefen das mehrstufige Aufnahmeverfahren, um die Aufenthaltserlaubnis für die Bundesrepublik und West-Berlin zu erhalten. Nach der Deutschen Einheit 1990 wurde auf dem Gelände des ehemaligen Notaufnahmelagers die „Zentrale Aufnahmestelle des Landes Berlin für Aussiedler“ eingerichtet. Hier erhielten die von der Erstaufnahmestelle in Friedland dem Land Berlin zugeteilten sogenannten (Spät-)AussiedlerInnen, während des durchschnittlich dreimonatigen Aufenthalts, Beratung und Unterstützung. Diese „Migranten“ kamen vor allem aus den Ländern der ehemaligen Sowjetunion. Hier wurden die Weichen für die Integration gestellt. Nach einer vorübergehenden Schließung des Geländes und Gebäudes wurde das ehemalige Notaufnahmelager im Dezember 2010 reaktiviert und ist nun ein Übergangswohnheim für rund 40 Flüchtlinge und AsylbewerberInnen, die überwiegend aus dem Irak und dem Iran kommen.

Unvollendete Vergangenheit
Für Bettina Effner, Leiterin der "Erinnerungsstätte Notaufnahmelager Marienfelde", sind die Folgen der deutsch-deutschen Teilung für viele DDR-Flüchtlinge und -ÜbersiedlerInnen nicht überwunden. Sie fordert eine Korrektur des Rentenüberleitungsgesetzes vom 25. Juli 1991. Eine Forderung, die auch von der SPD-Bundestagsfraktion erhoben wird und auch Gegenstand der Großen Anfrage „Zwanzig Jahre Rentenüberleitung - Perspektiven für die Schaffung eines einheitlichen Rentenrechts in Deutschland“ an die CDU/CSU und FDP-geführte Bundesregierung ist.

Viele Flüchtlinge und -ÜbersiedlerInnen, die die DDR in den 1970er und 1980er Jahren verlassen haben, sind bzw. kommen nun ins Rentenalter und erfahren, dass sie, entgegen bisheriger Auskünfte, nur eine Minimalrente erhalten. Folglich sind sie bei der Rentenberechnung den westdeutschen Berufstätigen nicht gleichgestellt. Ihre besondere Flucht-Biografie bleibt unberücksichtigt.

Im Jahr 2011 finden zwei Jubiläen zum fünfzigsten Mal statt, die nach Meinung von Bettina Effner und mir nachdrücklich die anhaltenden gesamtgesellschaftlichen Herausforderungen von Migration und Integration symbolisieren:

Das Massenphänomen der Flucht und Abwanderung waren Hauptgrund für den Bau der Mauer am 13. August 1961. Für die DDR, wie auch für die Bundesrepublik, hatten Flucht und Abwanderung tiefgreifende gesellschaftliche, wirtschaftliche und politische Folgen - Flucht und Abwanderung prägten beide deutsche Gesellschaften in hohem Maße.

Weiterhin ist unsere Gesellschaft heute noch nachhaltig durch den Umstand geprägt, dass es in den 50ger und 60ger Jahren sehr viel mehr Arbeit als ArbeiterInnen gab. Sowohl in der DDR als auch in die Bundesrepublik kam es zu zahlreichen Anwerbeabkommen. So auch das am 30. Oktober 1961 abgeschlossene Anwerbeabkommen zwischen Deutschland und der Türkei. Obgleich Deutschland mittlerweile anerkennt, dass es ein Einwanderungsland ist, haben wir mit der Annerkennung zu kämpfen, dass die deutsche Industrie vor 50 Jahren zwar nach GastarbeiterInnen gerufen hat – allerdings Menschen gekommen sind.