Über die gesellschaftlichen Veränderungen der keinen Lebensbereich unberührt lassenden demografischen Entwicklung und die politisch zu gestaltenden Konsequenzen dieses Strukturwandels auf Kommunaler, Landes- und Bundesebene habe ich in einer Fraktion-vor-Ort-Veranstaltung mit Franz Müntefering (MdB), und Angelika Schöttler, Stadträtin für Familie, Jugend, Sport und Quartiersmanagement und Kandidatin für das Amt der BezirksbürgermeisterIn in Tempelhof-Schöneberg, mit über 150 Veranstaltungsgästen am 15. August in der Seniorenwohnanlage Rosenhof in Berlin-Mariendorf diskutiert. Die Veranstaltung wurde moderiert von Manuela Harling, die im Süden Mariendorfs und Norden Marienfeldes als Kandidatin für die Abgeordnetenhauswahl am 18. September antritt.
Engagierte Menschen bleiben länger gesund
Die meisten Menschen wollen älter werden, aber nicht alt sein, obwohl für zunehmend mehr Menschen der Traum, im Alter körperlich und geistig fit zu sein, Wirklichkeit ist, so mein Credo. Zur Gesundheit im Alter gehören neben gesundheitlichem Wohlbefinden und gesundheitsbewusstem Verhalten vor allem die selbständige, die selbstverantwortliche und die persönlich sinnerfüllte Lebensgestaltung. Damit Alter kein Abstellgleis wird, muss Politik altersübergreifend soziale Teilhabe ermöglichen und sinnvolle Rahmenbedingungen für zivilgesellschaftliches Engagement schaffen. Da Altern ein sehr vielschichtiger Prozess sei, muss die gerontologische Forschung dringendst ausgebaut werden.
Wir verdanken dem medizinisch-pflegerischem Fortschritt viel, allerdings ist die Verlängerung unserer durchschnittlichen Lebenserwartung vorrangig auf die positive Veränderung hin zu mehr Bildung und Einkommen, besseren Umweltfaktoren und einem gesünderem Lebensstil zurückzuführen. Damit wirklich alle von dieser Entwicklung profitieren forderte ich die Einführung eines Präventionsgesetzes.
Auch im Alter Verantwortung für Demokratie übernehmen
„Demokratie hat keine Schaukelstühle. Jede und jeder hat unabhängig vom Alter Verantwortung für unsere Demokratie zu übernehmen“, so die Hauptbotschaft von Franz Müntefering, Sprecher der AG Demographischer Wandel der SPD-Bundestagsfraktion. Seine Aufforderung: Wir müssen die Chancen des demographischen Wandels aktiv gestalten.
Derzeit finde der größte demographische Wandel der Menschheitsgeschichte statt. Seit 1960 habe sich die Zahl der Menschen verdoppelt, jede Sekunde kämen fast drei neue ErdenbürgerInnen hinzu - nicht aber in Deutschland. Statt nur über fehlende Geburten zu klagen, müssten wir uns mit einer guten Familien- und Schulpolitik um die Kinder kümmern, die wir haben. Statt nur auf Schrumpfungsprozesse zu verweisen - prognostiziert wird bis 2050 ein Bevölkerungsrückgang um 7 Millionen auf 75 Millionen bzw. schon für 2040 eine Verringerung der Menschen im erwerbsfähigen Alter von 15-64 Jahren von heute mehr als 45 auf weniger als 40 Millionen - müsste dafür gesorgt werden, dass gute Rahmenbedingungen geschaffen würden, um Menschen länger im Job zu halten. Schon heute gäbe es die neue Generation der „jungen Alten“, für die Ruhestand aktiver, selbstverantwortlicher Unruhestand sei. Politik müsse durch Bildung und Ausbildung, durch lebensbegleitende Weiterbildung Voraussetzungen für ein gutes und gesundes Altern - auch in Pflegeberufen - schaffen.
Franz Müntefering weiter: Der demographische Wandel zeige sich nicht überall gleich. Während bestimmte ländliche Regionen unter starkem Bevölkerungsschwund leiden, gewinnen Metropolregionen wie Berlin-Brandenburg an Attraktivität. Künftig würden sich Frauen und Männer noch stärker als heute zuerst drei Fragen stellen, bevor sie sich für einen Wohn- und Arbeitsort entscheiden: Haben meine Kinder die Möglichkeit an einer guten Schule ein gutes Abitur zu erwerben? Ist mein Arbeitsplatz gesichert? Ist meine Mobilität auch im Alter durch eine gut ausgebaute Infrastruktur (öffentlicher Personennahverkehr, ärztliche Versorgung etc.) gewährleistet?
v.l.n.r. - Mechthild Rawert, Franz Müntefering, Angelika Schöttler, Manuela Harling (Foto: Gudra)
Das Projekt Demografischer Wandel in Tempelhof-Schöneberg
Mit der Initiierung des Projekts „Demographischer Wandel - Strategien für Berliner Bezirke“ habe das Bezirksamt bereits 2007 einen ressortübergreifenden Planungsprozess eingeleitet, um Tempelhof-Schöneberg als attraktiven Wirtschafts- und Wohnstandort mit hoher Lebensqualität für alle Bevölkerungsgruppen zu profilieren, berichtete Angelika Schöttler, Bezirksstadträtin.
Die Untersuchung des Handlungsfeldes „Leben und Wohnen im Alter“ habe neue Strukturen zur Stärkerung der Förderung des ehrenamtlichen Engagements bewirkt: freie Träger werden vernetzt, die Öffentlichkeitsarbeit verstärkt, die Stärkung der Anerkennungskultur vorangetrieben, Ehrenamtliche geworben. Eingerichtet wurde ein Ehrenamtsbüro und das Bezirksamt habe sich ein Demographie-Controlling auferlegt.
Fazit: Die TeilnehmerInnen forderten in der regen Diskussion vor allem eine ausreichende Finanzierung zur Sicherstellung einer altersgerechten kommunalen Infrastruktur. Gefordert wurde auch eine würdevolle Pflege für alle. Voraussetzung hierfür ist allerdings, dass der neue Pflegebedürftigkeitsbegriff umgehend eingeführt wird. Das Berufsfeld Pflege müsse attraktiver werden, wozu eine Modernisierung der Pflegeausbildungen gehört. Die Soziale Pflegeversicherung ist - ohne individuelle Zusatzbeiträge - langfristig abzusichern.