Bereits zum 12. Mal wurden im Berliner Abgeordnetenhaus die „German Jewish History Awards“ durch Dr. Arthur Obermayer, Präsident der Obermayer Foundation, Boston/USA, verliehen. Mit den Preisen wurden am 23. Januar fünf nicht-jüdische deutsche Bürgerinnen und Bürger geehrt, die einen hervorragenden Beitrag zur Wahrung des Gedenkens an die jüdische Vergangenheit geleistet haben. Die PreisträgerInnen wurden von JüdInnen aus aller Welt vorgeschlagen, die damit die Leistungen deutscher Bürgerinnen und Bürger für die Dokumentation und Bewahrung jüdischer Kultur anerkennen wollen.
Die Verleihung der deutsch-jüdischen Geschichtspreise geschah im Rahmen einer vom Präsidenten des Abgeordnetenhauses von Berlin Ralf Wieland durchgeführten Gedenkveranstaltung. Wieland betonte in seiner Ansprache, das Nazi-Regime habe zur zeitweiligen Auslöschung der jüdischen Gemeinden geführt, Auschwitz sei zum Inbegriff einer menschenverachtenden Vernichtungsmaschinerie geworden. Zu viele Menschen hätten weggeschaut, zu wenige hingeschaut. Jede Erinnerungskultur müsse sich auch daran messen lassen, wie sie auf aktuelle Geschehnisse reagiere.
Dr. Arthur Obermayer, dessen Vorfahren aus Deutschland stammten und in der Zeit des Nationalsozialismus emigrieren mussten, verwies darauf, dass alle fünf PreisträgerInnen hervorragende Beispiele dafür seien, dass Deutschland sich mit seiner Vergangenheit auseinandergesetzt habe. Die deutsche Regierung und das deutsche Volk sei sich heute jederzeit bewusst, wie gefährlich kurz der Weg von der Arroganz über Selbstgerechtigkeit, Intoleranz, Hass und Unterdrückung bis hin zur Entmenschlichung und Barbarei sein könne - und sie seien die Ersten, die sagen: „Nie wieder!“
Preisträgerin aus Tempelhof-Schöneberg: Christa Niclasen
Als Christa Niclasen 1986 an die Schöneberger Löcknitz-Grundschule kam, fand sie heraus, dass die Schule auf dem Grundstück einer ehemaligen Synagoge stand. 1994, in ihrem ersten Jahr als Schulleiterin, öffnete Christa Niclasen ein Gedenkbuch mit 6.029 Namen von Jüdinnen und Juden, die im Bezirk Schöneberg lebten - viele von ihnen im damals häufig auch als „jüdische Schweiz“ bezeichneten Stadtviertel. Zusammen mit einer Kollegin entwickelte sie eine einzigartige Idee des Gedenkens mit dem Projekt „Denk-mal an jüdische Mitbürger: Seit 1994 entsteht auf dem Schulgrundstück der Löcknitz Grundschule durch Initiative der Schülerinnen und Schüler der 6. Klassen ein „Denk-mal“ in Form einer Gedenkmauer für die ehemaligen Nachbarn jüdischen Glaubens, die in Konzentrationslagern gewaltsam zu Tode gekommen sind. Auf jedem Stein steht ein Namen geschrieben. Bei der jährlichen Gedenkstunde trägt jedes Kind nach dem Verlesen eines Namens einen Satz aus dem Leben der Person vor, der damit beginnt „Ich denke an diesen Menschen, weil …“
Am 14. Juni 2012, 12.00 Uhr wird der 1000. Gedenkstein verlegt. Mit diesem langjährigen Gemeinschaftsprojekt der Löcknitz-Schülerinnen und Schüler werden Menschen nicht vergessen. „Menschen, die man vergisst, sterben ein zweites Mal. Wir sorgen dafür, dass sie nicht vergessen werden“, so Christa Niclasen. Vorgeschlagen wurde Frau Niclasen von der Stadtführerin und Bezirksverordneten Gudrun Blankenburg sowie von den ZeitzeugInnen Judith Blumenhein, Rahel R. Mann und Peter Zander aus London.
Denk-mal an jüdische Mitbürger
Das Projekt mit dem Titel „Denk-mal an jüdische Mitbürger“ stärkt das Bewusstsein gegen Vorurteile in unserer heutigen Gesellschaft, indem die Schülerinnen und Schülern einen direkten Bezug zu den Opfern aufbauen. Sehr bewegend ist, dass tatsächlich einige der ehemaligen jüdischen MitschülerInnen zu den Gedenkveranstaltungen an jene Schule zurückkehren, von der sie 1938 im Anschluss an die Reichsprogromnacht wegen ihrer jüdischen Herkunft entfernt worden waren. Frau Niclasen ist der Überzeugung, dass es wichtig ist, dass schon die SchülerInnen der 6. Klasse etwas über diese Vergangenheit erfahren sollen, damit eine solche Barbarei nie wieder geschehen kann. Danke für dieses Engagement!