Am 20. April fand die zweite meiner Berliner „Politischen Tagesfahrten“ statt, zu der ich Bürgerinnen und Bürger meines Wahlkreises Tempelhof-Schöneberg herzlich einlade. Die insgesamt sechs „BPA-Fahrten“ 2012 finden in Kooperation mit dem Bundespresseamt statt. Um diesen Tag rundum zu Gesprächen mit den Bürgerinnen und Bürgern zu nutzen, werden die Teilnehmerinnen und Teilnehmer dabei ganztägig von Manuela Harling, Mitarbeiterin im Wahlkreisbüro und Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Frauen in Tempelhof-Schöneberg, begleitet. Mit dabei ist jeweils auch eine MitarbeiterIn des Bundespresseamtes und selbstverständlich nicht zu vergessen der Busfahrer, der die fast 50 Teilnehmerinnen und Teilnehmer den gesamten Tag von einem Programmpunkt zum Nächsten bringt.An diesem Tag startete die Tour um 8.45 Uhr vom Rathaus Tempelhof aus, um das Reichstagsgebäude zu aufzusuchen. Für die Gruppe war ein Vortrag über das Parlament, die Abgeordneten und das Gebäude auf der Besuchertribüne des Plenarsaals des Deutschen Bundestages bestellt. Bei vielen war das Erstaunen groß: Gemäß ihres Eindrucks aus Fernsehübertragungen hätten sie einen viel größeren Plenarsaal erwartet. Die Referentin des Besucherdienstes konnte auch über die häufig leeren Reihen bei Plenarsitzungen aufklären, die Fernsehzuschauer bei Übertragungen der Plenarsitzungen auffallen. Denn kaum jemand weiß, dass zeitgleich zu den Debatten im Plenum auch Arbeitsgruppen tagen, Ausschusssitzungen vorbereitet werden oder die Abgeordneten im Gespräch mit Verbänden, Vereinigungen oder aber auch Bürgerinnen und Bürgern aus ihren Wahlkreisen sind - wie heute Frau Rawert auch. Deshalb befinden sich im Plenarsaal oftmals nur die FachpolitikerInnen zum gerade verhandelten Tagesordnungspunkt.
Die Diskussion mit Mechthild Rawert fand in einem der Besucherräume des Reichstagsgebäudes statt. Schwerpunktthema war die Pflege und die Pflegeausbildung. Was muss sich ändern und wie will die SPD auf die Herausforderungen des demografischen Wandels reagieren? Da viele der Anwesenden bereits eigene Erfahrungen mit der Pflege von Angehörigen haben, wird auch immer wieder von sehr bewegenden Lebenssituationen erzählt. Um so größer ist das politische Bedauern, dass wir unter Schwarz-Gelb derzeit eine Legislatur des Stillstands haben. Pflege- und Gesundheitspolitische Themen werden aus Sicht von Mechthild Rawert zu Lasten der Bevölkerung nicht umfassend genug angepackt. Dass diese Koalition den noch zu Zeiten der Großen Koalition zusammen mit vielen ExpertInnen entwickelten neuen Pflegebedürftigkeitsbegriff nicht weiter umsetzen werde, sei „eine gesundheitspolitische Sünde“. Vieles werde angekündigt, Weniges aber in die Praxis umgesetzt - verschenkte Gestaltungszeit auf Kosten der beruflich und ehrenamtlich Pflegenden und der zu Pflegenden!
Nach dem Gespräch wartete schon der Fotograf des Bundestages schon auf der Dachterrasse. Das „Erinnerungsfoto“ mit Mechthild Rawert ist zur lieb gewordenen Tradition geworden, alle TeilnehmerInnen erhalten es im Anschluss nach Hause zugeschickt. Viele nutzen die verbleibende Zeit für einen Rundgang auf die Kuppel, andere genießen den unbeschreiblichen Blick auf Berlin von der Dachterrasse aus.
Führung durch das Willy-Brandt-Haus
Nach dem Mittagessen im Restaurant im Willy-Brandt-Haus gab es eine sehr informative Führung durch das Willy-Brandt-Haus, der SPD-Bundeszentrale, in der Kreuzberger Wilhelmstr. 140. Es ist wahr, das markante Gebäude von Helge Bofinger gehört zu den architektonischen Glanzlichtern unserer Hauptstadt Berlin. Die überlebensgroße Willy-Brandt-Skulptur von Rainer Fetting im lichten Atrium war innerhalb der Gruppe Diskussionsgegenstand. Die einen waren von der Darstellung Willy Brandts begeistert, die anderen entsetzt. So lässt sich auch über ein Kunstwerk trefflich diskutieren!
Konstruktiv gestritten wurde auch beim anschließenden Gespräch über vergangene und zukünftige SPD-Politik mit einem Referenten des Parteivorstands. Wie sieht soziale Gerechtigkeit in Zeiten der Krise aus? Die SPD wird die Reichensteuer und Vermögenssteuer einführen, schließlich können sich nur Reiche einen armen Staat leisten. Sie wird die 3 Klassenmedizin abschaffen, in dem sie die solidarische Bürgerversicherung einführt. Soziale Gerechtigkeit wird schließlich nur dann hergestellt, wenn nicht der Geldbeutel des Einzelnen über die Chancen zum Beispiel auf Bildung, auf Gesundheit, auf Teilhabe und Partizipation am gesellschaftlichen Leben entscheidet. Wie üblich verflog die Zeit zu schnell, gern hätten die TeilnehmerInnen noch weitere Felder sozialdemokratischer Politik „durchgekaut“.
Topografie des Terrors
Auf dem heutigen Gelände der „Topographie des Terrors”, neben dem Martin-Gropius-Bau und unweit des Potsdamer Platzes, befanden sich von 1933 bis 1945 die wichtigsten Zentralen des nationalsozialistischen Terrors: das Geheime Staatspolizeiamt mit eigenem „Hausgefängnis”, die Reichsführung-SS und während des Zweiten Weltkriegs auch das Reichssicherheitshauptamt. Es stellte sich heraus, dass das 2010 eröffnete Dokumentationszentrum zu diesem Täterort den meisten TeilnehmerInnen unbekannt war. Nun lernten sie es, in kleinen Gruppen von Mitarbeitern der Topografie des Terrors durch die ständige Ausstellung geführt, kennen. Die Resonanz auf die Ausstellung war eindeutig: Die Ausstellung sei gut gemacht und das schwierige Thema werde von den MitarbeiterInnen der Topografie des Terrors gut vermittelt. Herzlichen Dank.
Dampferfahrt auf der Spree
Zum guten Abschluss dieses Tages stand eine abendliche Schifffahrt auf dem Programm. Beim Abendessen auf der Spree ließen die TeilnehmerInnen das Erlebte noch einmal Revue passieren und konnten ein wenig entspannen. Um 20 Uhr stand der Bus für die Rückfahrt zum Rathaus Tempelhof bereit. Dort ging eine lange und prallgefüllte Tour wieder zu Ende.