„Man muss nicht verrückt sein, um hierher zu kommen“, lacht Heidrun Pahl, Mitarbeiterin im KommRum, und zeigt auf den leckeren Kuchen. Wir sind im öffentlichen Café KommRum, wunderschön gelegen im Herzen von Berlin-Friedenau: Hier kann jede/jeder „rum kommen“, mit und ohne Probleme, kann es sich bei einer Auswahl an Getränken und kleinen Speisen bequem machen, Zeitung lesen, mit Bekannten oder noch Unbekannten plaudern, sich an den ständig wechselnden Ausstellungen im Café erfreuen und sich über unsere Angebote informieren. Das Café ist gleichermaßen der Raum der psychosozialen Kontakt- und Beratungsstelle (KBS). Während der Café-Öffnungszeiten haben alle die Möglichkeit, mit den MitarbeiterInnen das gerade Anstehende zu bereden. Mit diesem integrativen Ansatz werden AnwohnerInnen, Menschen auf der Suche nach Kontakten und neuen Erfahrungsmöglichkeiten, Menschen in psychosozialen Krisen oder aus dem Umfeld der Psychiatrie gleichermaßen angesprochen. So ist das KommRum ein lebendiger Ort der Begegnung.
Sommertour „gesund, sozial, queer“
An diesem sonnigen 20. August 2013 trafen hier Psychiatrieerfahrene und Menschen aus der Politik zum bereichernden Gespräch zusammen. Der Verein KommRum e.V. ist Träger des Cafés mit integrierter Kontakt- und Beratungsstelle und organisiert weiterhin betreutes Wohnen und therapeutische Wohngemeinschaften mit mehr als 100 Plätzen für Menschen mit psychischen Krankheiten in den Bezirksteilen Schöneberg und Wilmersdorf.
Der Besuch im KommRum ist Teil der SPD-Sommertour „gesund-sozial-queer“, mit der wir SozialdemokratInnen aus der Bezirksverordnetenversammlung Tempelhof-Schönebergs und dem Deutschen Bundestag die Aufmerksamkeit auf Gesundheits-, Sozial- und Queerprojekte lenken wollen. Diese sind für viele Menschen die Garanten für eine selbstbestimmte und selbständige Lebensführung, für Teilhabe und Partizipation, spielen aber in der öffentlichen Wahrnehmung und gesellschaftlichen Anerkennungskultur häufig nur eine Nebenrolle. An diesem Termin nahmen neben mir Marijke Höppner und Dr. Jörg Tänzer als Bürgerdeputierter im Sozialausschuss teil.
Psychische Erkrankungen auf dem Vormarsch - Was muss die Politik tun?
In den öffentlichen Medien wird zunehmend berichtet, dass psychische Erkrankungen auf dem Vormarsch sind, Patientinnen und Patienten sehr lange auf einen Termin oder Therapieplatz warten müssen. Nach wie vor sind psychische Erkrankungen mit einem stärkeren Tabu belegt als somatische. Die Gründe sind vielfältig, einige liegen auch in unserer gesellschaftlichen Verfasstheit. Die SPD-Bundestagsfraktion will, dass psychische Erkrankungen ebenso wie jede andere Erkrankung gut und schnell behandelt werden. Dafür müssen die Versorgungsstrukturen weiterentwickelt sowie Versorgungsmängel und Zugangsbarrieren abgeschafft werden.
Teilhabe trotz psychischer Erkrankung ist der Wunsch aller
„Große Benachteiligungen liegen auf dem Arbeitsmarkt“, so unsere GesprächsteilnehmerInnen. Hinsichtlich dieses Themas ist eine große Frustration spürbar. Teilhabe hier ist der größte Wunsch. Selbst Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr habe eine Liste der Weltgesundheitsorganisation (WHO) anerkannt, wonach fünf der zehn häufigsten Krankheiten aus dem Bereich der Psychiatrie kämen. Gleichzeitig fehle es für psychisch kranke Menschen an Möglichkeiten, gleichwertig am Leben und Arbeiten zu partizipieren.
So spricht eine Gesprächspartnerin von „Null Chancen“ auf dem Arbeitsmarkt. Entweder lüge mensch hinsichtlich der Lücken im Lebenslauf oder werde gleich nicht eingestellt. Fakt sei, dass psychisch kranke Menschen oft weniger als somatisch Erkrankte in den Arbeitsmarkt integriert seien und ein niedrigeres Arbeitseinkommen habe. Gewünscht wird mehr Flexibilität und Durchlässigkeit auch auf dem ersten Arbeitsmarkt, gewünscht werden mehr qualifizierte Erwerbsmöglichkeiten auch auf dem zweiten Arbeitsmarkt. Leider seien hier viele Instrumente zur Integration seitens der Bundesregierung gestrichen worden. Die Folge sei: Immer mehr Menschen mit psychischen Erkrankungen werden frühverrentet, leiden aber darunter, „nicht zum produktiven Teil der Gesellschaft zu gehören“.
Ein zweites großes Thema sind auch in diesem Gespräch die steigenden Mieten, die es zunehmend erschweren, Wohnungen für betreutes, für therapeutischen Wohnen zu finden.