Am 16. Mai war es wieder soweit: Bereits zu ihrer vierten politischen Tagesfahrt 2014 hatte Mechthild Rawert, Bundestagsabgeordnete für Tempelhof-Schöneberg, wieder 50 Bürgerinnen und Bürger aus Tempelhof-Schöneberg eingeladen. Und wie immer: Die politische Neugierde und Diskussionsfreudigkeit war bei allen Teilnehmenden sehr groß. Und wie schon so häufig wurde die Gruppe von Manuela Harling, Mitarbeiterin im Wahlkreisbüro, begleitet. Gut so!
Besuch im Reichstagsgebäude
Bei schönstem Wetter trafen sich die TeilnehmerInnen morgens um 7.45 Uhr am Rathaus Tempelhof, um zum ersten Programmpunkt zu starten. Um 8.30 Uhr erwartete sie der Sicherheitscheck am Reichstagsgebäude. Es ist erstaunlich, dass auch viele BerlinerInnen den Parlamentssitz zuvor noch nie betreten haben. Dabei macht es einem der Besucherdienst wirklich einfach. Mensch kann einfach anrufen oder sich auch per Internet zu den kostenfreien Angeboten anmelden.
Nach der leider notwendigen Sicherheitskontrolle ging es auf die Besuchertribüne des Plenarsaals. Dort wurde in einem Vortrag des Besucherdienstes des Deutschen Bundestages die Arbeitsweise des Parlamentes erklärt: Informiert wurde über die Sitzordnung der ParlamentarierInnen, der Bundesregierung und des Bundesrates. Die Arbeit des stenografischen Dienstes rief bei vielen TeilnehmerInnen Bewunderung hervor. Denn die StenografInnen stenografieren jede Rede und notieren zugleich auch die Stimmung im Plenarsaal. Reden und Zwischenrufe einzelner Abgeordneter, Applaus oder andere Bekundungen werden akribisch festgehalten. Bereits am nächsten Morgen ist das Plenarprotokoll öffentlich einsehbar. Im zweiten Teil des Vortrages erfuhren die TeilnehmerInnen viel über die Geschichte und die Architektur des Hauses.
Diskussion „rund um die Pflege“
Aufgrund gesundheitlicher Probleme konnte Mechthild Rawert die beabsichtigte Diskussion leider zu diesem Zeitpunkt nicht selber führen. Sie wurde vertreten durch ihren Mitarbeiter im Bundestagsbüro, Matthias Geisthardt.
Matthias Geisthardt stellte das Arbeitsfeld einer Gesundheitspolitikerin vor. Mechthild Rawert ist in und für die AG Gesundheit, für die SPD-Bundestagsfraktion zuständige Berichterstatterin für die Themenfelder Pflege, Frauengesundheit, Reproduktive Gesundheit und sexuelle Vielfalt, Öffentlicher Gesundheitsdienst und HIV/Aids.
Sofort wurde intensiv „rund um die Pflege“ diskutiert. Viele TeilnehmerInnen haben Angst, zu irgendeinem Zeitpunkt ihres Lebens in einem Pflegeheim zu „landen“, in dem schlecht betreut und gepflegt wird. Sie bemängelten vor allem die „Minutenpflege“. Dass das Pflegepersonal viel Stress hat, wird durchaus wahrgenommen. Gewünscht wird mehr und besser ausgebildetes Personal in den Pflegeeinrichtungen.
Sie regten an, dass Ehrenamtliche, die sich gern mit den Bewohnerinnen und Bewohnern einer Pflegeeinrichtung beschäftigen würden, mehr Kompetenz zugetraut wird. Ein als „Ehrenamtler“ in einem Pflegeheim tätiger Teilnehmer beklagte, dass er durchaus zur Unterstützung des Fachpersonals bereit wäre. Ihm würde aber immer mitgeteilt, dies sei nicht gewünscht.
Auf die Frage von Manuela Harling, wer denn die Pflegestützpunkte kenne, herrschte erst mal Ratlosigkeit. Pflegestützpunkte sind Beratungsstellen, die „rund um die Pflege“ Betroffene und Angehörige beraten. Sie sind unabhängig und ihr Beratungsangebot steht allen gesetzlich Versicherten offen. In den Pflegestützpunkten können alle Fragen rund um das Thema Pflege angesprochen werden, die Pflegeberaterinnen helfen beim Ausfüllen von Anträgen, informieren über Hilfsangebote für Betroffene und Angehörige. Jede BürgerIn hat einen Rechtsanspruch auf eine Pflegeberatung.
Es gibt zwei Pflegestützpunkte in Tempelhof-Schöneberg: in der Pallasstr. 25, 10781 Berlin- Schöneberg, Tel.: 0800 265080 26 210 (kostenfrei) und in der Reinhardtstr. 7, 12103 Berlin- Tempelhof (U-Bhf Alt-Tempelhof (U6), Tel.: 030 - 755 07 03.
Das Thema Pflege bewegt viele Menschen und so verflog die Zeit „wie im Fluge“. Das Gespräch musste durch die Betreuerin des Bundespresseamtes, die die Gruppe ebenfalls den ganzen Tag begleitete, jäh unterbrochen werden. Der Fotograf des Deutschen Bundestages wartete bereits auf der Dachterrasse des Reichstagsgebäudes.
Besuch im Auswärtigem Amt
Nach dem Mittagessen im Restaurant FOREIGN AFFAIRS des Hotel ARCOTEL John F Berlin, Werderscher Markt 11, ging es weiter zum Auswärtigen Amt, dem Außenministerium der Bundesregierung. Wieder erwartete die Gruppe ein Sicherheitscheck. Ursprünglich war das Auswärtige Amt als offenes Haus mit Cafébetrieb im Atrium geplant und bis zur Terrorwarnung 2010 auch so geführt worden. Die Gruppe verstand den Sicherheitscheck als notwendig und nahm ihn deshalb gleichmütig in Kauf.
Zu Beginn wurde ein kurzweiliger Film über die Aufgaben des Ministeriums gezeigt, für das anschließende Gespräch stand ein Mitarbeiter, ein Beamter im gehobenen Dienst, zur Verfügung. Er berichtete von seinem Werdegang im Auswärtigen Amt. Er hatte sich nach dem Fachabitur für ein Studium an der Fachhochschule des Bundes, Fachbereich Auswärtige Angelegenheiten, beworben und wurde angenommen. Entscheiden sich die Meisten erst am Ende eines Studiums für eine Berufsausrichtung, entscheiden bei diesem Studium die jungen Menschen über ihr zukünftiges Leben bereits sehr früh: Sie entscheiden für ihr (Berufs-)Leben, niemals länger als vier Jahre an einem Ort zu verbringen.
Obgleich erst Anfang 30 hatte auch unser Gesprächspartner bereits Auslandserfahrungen in den Deutschen Botschaften von Kasachstan, Großbritannien und den USA gesammelt. Die TeilnehmerInnen waren von diesem Berufsengagement sehr beeindruckt. Es gab viele Fragen zur Organisation des Lebens im Ausland: Wie ist das mit der Familie? Wie wird die Schulausbildung der Kinder organisiert? Wohnt mensch in der Botschaft? Unser Gesprächspartner erläuterte, dass man mit „Kind und Kegel“ sein Amt annehmen würde. Die privaten Möbel werden per Container ins Auslands gebracht, die Kinder gehen entweder auf eine Deutsche Auslandschule oder eine internationale Schule und könnten dort auch ihren Schulabschluss machen. Außerhalb von Krisengebieten, finde das Leben in ganz normalen Wohnungen statt. Nur in Krisenländern ist das Wohnen auf dem Botschaftsgelände möglich. Er selber habe das Glück, das seine Ehefrau ebenfalls beim Auswärtigen Amt arbeite. Sie würden immer gemeinsam versetzt. KollegInnen, deren PartnerInnen andere Arbeitgeber hätten, haben mit der Vereinbarkeit der Berufstätigkeiten oftmals ein Problem.
Auf die Frage, ob schon jemand die Hilfe einer Deutschen Botschaft in Anspruch genommen hätte, wurden für ihn typische Aufgaben benannt: für gestohlene Papiere neue für die Heim- oder Weiterreise ausstellen, bei der Beschaffung von Barmitteln (aus welchen Gründen auch immer) behilflich sein. Er machte deutlich, dass jede/r Deutsche, der sich im Ausland befindet, für die Heimreise selbst verantwortlich ist und die Deutsche Botschaft keinen Heimflug “spendiert“. Er wurde nach den Reisewarnungen des Auswärtigen Amtes gefragt. Diese entstehen durch die Einschätzung der Lage vor Ort und werden nicht alleine durch die MitarbeiterInnen im Auswärtigen Amt erstellt.
Besuch im Willy-Brandt-Haus
Die nächste Station der politischen Tagesfahrt war das Willy-Brandt-Haus, die SPD-Parteizentrale. Dorthin kam auch Mechthild Rawert, die ihre Gruppe auf jeden Fall treffen wollte. Nach einer Einführung über die Architektur des Hauses und Erläuterungen zur Willy-Brandt-Skulptur im Atrium wurde ein 18-minütiger Film über die 151-jährige Geschichte der SPD gezeigt.
25. Mai: Europawahlen
Mechthild Rawert warb im Anschluss für die Europa-Wahlen: Sie forderte alle auf, von ihrem Wahlrecht am 25. Mai Gebrauch zu machen und mitzubestimmen für ein soziales und gerechtes Europa. Die demokratischen Kräfte im Europa-Parlament sind zu stärken, Rechtsextremisten und Rechtspopulisten dürften nicht so stark werden, dass sie eine Fraktion bilden können. Für sie sei es schier unerträglich, dass Prognosen zufolge die NPD ein Mandat erringen würde.
100% Berllin
Am 25. Mai findet auch die Volksabstimmung zur Zukunft des Tempelhofer Feldes statt. Bezahlbarer Wohnraum ist Thema zahlreicher BürgerInnengespräche, bezahlbarer Wohnraum werde mittlerweile auch von vielen Wohnfahrtsorganisationen, Verbänden und Initiativen als großes Problem thematisiert. Für soziale Arbeit, für betreutes Wohnen gäbe es innerhalb des S-Bahn-Rings kaum noch Möglichkeiten. Die Träger der Jugendhilfe berichteten, dass sie enorme Schwierigkeiten hätten, die Übergänge vom betreuten Jugendwohnen in Wohnungen zu organisieren. Dabei sei dieses doch der normale Weg der Verselbständigung für junge Erwachsene. Aus diesem Grund warb Mechthild Rawert für eine Beteiligung am Volksentscheid Tempelhof, warb für den Gesetzentwurf des Berliner Abgeordnetenhauses. Berlin braucht für die Alt- und NeuberlinerInnen neuen Wohnungsbau. Auch mit der Randbebauung sei die gesetzlich garantierte 230 ha große Freifläche fast so groß wie der Staat Monaco.
Es gibt derzeit zahlreiche Falschmeldungen: Es werden Miet- und keine Eigentumswohnungen entstehen, es wird nicht nach und nach das gesamte Feld bebaut, am Tempelhofer Damm entstehen keine Hochhäuser. Mit dem Tempelhofer Feld habe das Land Berlin eine der wenigen Möglichkeiten innerhalb des S-Bahn-Rings positiv auf den Wohnungsmarkt einzuwirken: Hier gehören die Flächen dem Land Berlin und zwei städtische Wohnungsgesellschaften und eine Wohnungsgenossenschaft haben mit dem Senat vertraglich vereinbart, dass sie dort bauen wollen. Die Hälfte der Wohnungen soll mit Mietpreisen zwischen 6 Euro und 8 Euro angeboten werden. Dafür bekommen sie die Grundstücke zum Verkehrswert und erhalten eine Förderung aus dem Wohnungsbaufonds.
Wenn der Gesetzentwurf von 100%Tempelhof sich durchsetzen würde, herrscht Stillstand auf dem Tempelhofer Feld. Die Chance für bezahlbaren Wohnraum vertan. Um die Freifläche wirklich für alle nutzbar zu machen, für Ältere, für Menschen mit Behinderungen, ist es notwendig, Bänke aufzustellen, schattenspendende Bäume zu pflanzen, sanitäre Einrichtungen zu errichten. All diese, die Verweilqualität steigernden Aspekte sind laut Initiativen-Gesetz nicht möglich. Also: Erst mit Nein und dann mit Ja stimmen!
Ein weiterer Diskussionspunkt war die anstehende Rentenerhöhung. Ein Teilnehmer fragte, warum RentnerInnen nicht 3% Erhöhung bekommen würden, das wäre doch die Höhe der Tarifabschlüsse der Gewerkschaften für ArbeitnehmerInnen im letzten Jahr gewesen; die Rentenerhöung würde sich doch durch die Lohnentwicklung berechnen. Es stimmt, dass RentnerInnen die Rentenerhöhung bekommen, die die ArbeitnehmerInnen als Bruttolohnerhöhung bekommen. Allerdings kann dabei nicht allein der Maßstab der Tarifabschlüsse genommen werden. Denn es unterliegen nicht alle Beschäftigten einer Tarifbindung. In der sozialen Arbeit zum Beispiel haben nur 52% der Beschäftigten eine Tarifbindung. Es gibt vielmehr eine komplizierte Formel zur Berechnung der Rentenerhöhung, die allerdings auch bewirkt, dass bei negativen Brutolohnentwicklungen die Rente nicht gekürzt werden muss.
Auch bei dieser Diskussion verging die Zeit viel zu schnell, erfolgte der Diskussionsabbruch jäh. Aber Schiffe warten nicht warten.
Schifffahrt durch die Mitte Berlins
Beim Abendessen auf dem Schiff konnten die TeilnehmerInnen den Tag noch einmal Revue passieren lassen. Anschließend ging es zum Rathaus Tempelhof zurück. Ein Tag mit vielen guten Erlebnissen neigte sich dem Ende.