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„Auf ein Wort, Frau Rawert“: Die Bedarfslagen von Frauen verbessern

In meiner themenbezogenen Reihe: „Auf ein Wort, Frau Rawert“ lade ich verschiedene Communities jeweils zu Frühstücken ein. Am 13. Juni 2014 waren Vereine, Projekte und Initiativen aus dem frauenpolitischen Bereich zu Gast. Wie immer gabt es keine thematischen Vorgaben. Es wurde über den politischen Handlungsbedarf aus Sicht der Akteurinnen diskutiert - und der ist groß!

Interkulturelles Frauenzentrum S.U.S.I.
Das Sommerfrühstück Frauen fand beim Interkulturellen Frauenzentrum S.U.S.I. statt, welches seit dem letzten Herbst am Bayerischen Platz in Schöneberg ansässig ist. Die Sommerfrühstücke sind immer auch vom Vernetzungsgedanken getragen, deshalb frage ich dazu gern „neue“ Projekte im Bezirk als örtliche Gastgeberin an.

Zu Beginn unserer Gesprächsrunde stellte Janina Arigilagos die Angebote von S.U.S.I. vor: S.U.S.I. ist ein Frauenzentrum, das interkulturell arbeitet. Hier gibt es neben vielen kulturellen Veranstaltungen auch Gruppen, die sich zusammen finden zu Begegnung, Austausch und Unterstützung. Zudem gibt es aber auch soziale und psychologische Beratung. Die Mitarbeiterinnen sind alle mehrsprachig, so dass Migrantinnen ihre Probleme und Anliegen gern in ihrer Muttersprache vortragen können.

LARA, Krisen und Beratungszentrum für vergewaltigte und sexuell belästigte Frauen
Friederike Strack, Koordinatorin bei LARA, Krisen und Beratungszentrum für vergewaltigte und sexuell belästigte Frauen, freut sich sehr über den Zuzug von S.U.S.I. im Tempelhof-Schöneberger AkteurInnenfeld. Frau Strack stellte dar, was LARA zur Zeit bewegt:

  • Vergewaltigung verurteilen

Sie möchten den § 177 Sexuelle Nötigung; Vergewaltigung im Strafgesetzbuch reformiert wissen. Es gelte, Vergewaltigung
eindeutig zu verurteilen. Neue Studien besagen, dass in Deutschland jede 7. Frau schwere sexualisierte Gewalt erlebt. Nur ein Bruchteil der Taten wird angezeigt. Die wenigsten Täter werden verurteilt. Hier muss sich was ändern! Ein Nein ist ein Nein! Die geringe Zahl der Anzeigen als auch der Verurteilungen ist eng mit der Beweisbarkeit der Tat verknüpft. Derzeit gilt, dass Frauen sich massiv gewehrt haben müssen, um eine Verurteilung des Täters zu erreichen.

  • Anonyme Spurensicherung bei sexualisierter Gewalt ermöglichen

Die Spurensicherung nach sexualisierter Gewalt erfolgt in den Rettungsstellen der Charité. Verbunden ist damit aber eine polizeiliche Anzeige. Gerade diese ist für viele Frauen in den ersten Stunden aber ein Hindernis, der Vergewaltiger ist in der Regel nicht „der Fremde“. Die Erstversorgung der vergewaltigten Frauen müsse durch eine anonyme Spurensicherung erweitert werden. „Vorbild“ kann die im März an der Charité eröffnete Gewaltschutzambulanz sein. Die Grundidee der Hilfseinrichtung ist die Schaffung eines niederschwelligen Angebots für Opfer häuslicher Gewalt sowie für Betroffene, denen von anderen Personen in der Öffentlichkeit Gewalt angetan wurde. Sie haben jetzt die Möglichkeit, ihre erlittenen Verletzungen rechtsmedizinisch dokumentieren zu lassen. Die Dokumentation ist auch ohne polizeiliche Anzeige möglich. Nach Vereinbarung eines Termins wird die Dokumentation kostenfrei durchgeführt.
Opfer sexualisierter Gewalt haben diese Möglichkeit derzeit nicht. Und das muss sich ändern. Die Erfahrung der Anti-Gewalt-Projekte zeigen, dass Frauen nach einer Vergewaltigung Zeit brauchen, um für sich zu entscheiden, ob sie Anzeige erstatten oder nicht. Eine beweissichere Spurensicherung findet jedoch nur dann statt, wenn die Frau zuvor eine Strafanzeige gestellt hat. Um aus diesem Dilemma herauszukommen, wäre die anonyme Spurensicherung der ideale Weg, um die Beweissicherung zu gewährleisten und den Frauen trotzdem die Zeit des Bedenkens zu geben.

Die psychosoziale Versorgung ausbauen
Die Vertreterinnen von S.U.S.I als auch von LARA stellten fest, dass es einen bundesweiten Mangel an Traumatherapeutinnen gibt. Viele ÄrztInnen und PsychologInnen/PsychotherapeutInnen würden keine Traumatherapien machen wollen, weil diese Arbeit heftig, belastend und langwierig sei. Außerdem fehlten viele psychotherapeutische Angebote in den jeweiligen Muttersprachen.
 
Die Frage der Versorgung der Bevölkerung mit Traumatherapieplätzen ist ein spannendes, aber auch schwieriges Thema. In Deutschland herrscht Berufsfreiheit, es kann also niemand gezwungen werden eine Traumatherapieausbildung an das Medizin- oder Psychologiestudium anzuhängen. Die Frage wäre also: Welches Anreizsystem kann die Politik schaffen, um dieses Versorgungsangebot sicher zu stellen?

Es entwickelte sich eine intensive Debatte. Von S.U.S.I. wurde vorgeschlagen, dass es auch möglich sein muss, dass Projekte das Angebot von Therapien machen dürfen. Zugleich wurde die Forderung aufgestellt, dass es MigrantInnen, die eine entsprechende in ihren Heimatländern erworbene Berufsausbildung haben, zu erleichtern ist, einfacher eine Berufsanerkennung und Zulassung zu bekommen. Die Arbeitsagentur müsse hier fördernd eingreifen.

Es kam auch der Vorschlag, dass TherapeutInnen verschiedener Ausrichtungen und mit interkultureller Kompetenz „unter einem Dach“ kooperativ arbeiten sollten. Im Berliner Netzwerk Frauengesundheit wird an einer Erhöhung von stationären Traumatherapieplätzen gearbeitet.

Ich habe angeboten, dass wir die Frage der Berufsanerkennung bei einer gesonderten Veranstaltung mit VertreterInnen der Anerkennungsstellen zur Anerkennung ausländischer Berufsqualifikationen und entsprechender Berufsfachverbände intensiver diskutieren.

Das Prostitutionsgesetz reformieren
Auch das Thema Prostitution kam zu Sprache. Es war gut zu hören, dass die Position der Projekte deckungsgleich mit meiner und „meiner“ Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Frauen (AsF) ist. Wir alle wollen, dass die Änderung des Prostitutionsgesetzes im Sinne einer Verbesserung der Lage der Prostituierten stattfinden muss. Wir sind der Meinung, dass mit Verboten und Zwangsmaßnahmen wie verpflichtende Gesundheitsuntersuchungen nichts verbessert wird. Als sehr wohltuend haben es die frauenpolitische Sprecherin der SPD-Fraktion in der Bezirksverordnetenversammlung Tempelhof-Schöneberg, Janis Hantke, und die Vorsitzende der hiesigen AsF, Manuela Harling, empfunden, dass ihr Engagement gegen die Einführung von Sperrbezirken in Berlin wahrgenommen und gelobt wird.

Mein Wunsch nach Vernetzung trägt Früchte. Es gibt Absprachen für gemeinsame Treffen und Veranstaltungen sowohl untereinander als auch mit der ebenfalls anwesenden Frauenbeauftragten des Bezirks, Ursula Hasecke. Kurz und gut: Ein ertragreiches Sommerfrühstücksgespräch.