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Wider das Vergessen: Gedenkstunde am Denkmal für die im Nationalsozialismus verfolgten Homosexuellen

Wie in den vergangenen Jahren haben die Queer-Sozis Tempelhof-Schöneberg und ich gemeinsam einen Kranz am Denkmal für die im Nationalsozialismus verfolgten Homosexuellen niedergelegt. Wir gedenken gemeinsam. Und gemeinsam treten wir ein für Vielfalt und Solidarität, gegen Ausgrenzung und Diskriminierung.

Die breite gesellschaftliche und politische Teilnahme an dieser Gedenkstunde ist „ein ermutigendes Zeichen für einen immer breiter werdenden gesellschaftlichen und politischen Konsens für Teilhabe von Lesben, Schwulen und Transmenschen und gegen Ausgrenzung und Homophobie“ betonte Ulrich Keßler, Vorstandsmitglied beim Lesben- und Schwulenverband Berlin-Brandenburg. Er wies aber auch auf die zahlreichen Beschädigungen an Erinnerungsorten der homosexuellen Emanzipations- und Verfolgungsgeschichte in den vergangenen Monaten hin, die zeigen, dass eine weitere gesellschaftliche Ächtung von Homo- und Transphobie unerlässlich ist. Der Bewusstseinswandel in Staat und Gesellschaft ist „im Blick auf die immer noch ausstehende Rehabilitierung aller nach § 175 Strafgesetzbuch Verfolgten aber noch längst nicht vollendet“. Die Gesellschaft, wir alle müssen uns jeglichen homophoben Tendenzen entgegen stellen und Flagge zeigen.

Manuela Schwesig: „Flagge zeigen“
Ein gesellschaftspolitisches „Nie wieder!“ forderte Manuela Schwesig (SPD), Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. Sie erinnerte am Beispiel eines Homosexuellen aus Mecklenburg-Vorpommern an die Verfolgung und Ermordung im Nationalsozialismus. Zwanzig Jahre nach der Streichung von Paragraf 175 StGB sollten die Opfer der strafrechtlichen Verfolgung von Homosexualität endlich vollständig rehabilitiert werden. Im Bundesjustizministerium wird die Rehabilitierung derzeit geprüft.
Der aktuelle Streit um das Hissen der Regenbogenflagge vor dem Familienministerium  und anderer SPD geführten Ministerien anlässlich der "Pride Week" zeigt, „dass es nach wie vor unterschiedliche Haltungen im Umgang mit der Vielfalt in unserem Land gibt. Einige zeigen Flagge. Andere verstecken sich hinter der Flaggenordnung“. Bei diesem Streit um die Regenbogenfahne geht es um mehr als eine bunte Flagge am Fahnenmast. Zum Hintergrund: Das von CDU-Politiker Peter Altmaier geleitete Kanzleramt hatte massiv interveniert, um das Hissen der Regenbogenfahne zu unterbinden.

Für Manuela Schwesig gilt: „Es geht um Respekt, Freiheit und gleiche Rechte für alle Menschen, unabhängig von der sexuellen Orientierung.“ Zwar ist unsere Gesellschaft seit dem ersten CSD weltoffener geworden, und wir auf dem Weg zur rechtlichen Gleichstellung weit vorangekommen, dennoch ist es weiterhin nötig gegen Diskriminierung einzutreten. Noch immer ist es für Jungen und Mädchen in der Familie und in der Schule schwierig zu sagen: "Ich bin lesbisch" oder "Ich bin schwul". Es ist beschämend, dass "schwule Sau" ein beliebtes Schimpfwort auf dem Schulhof oder im Fußballstadion ist. Auch Kinder aus Regenbogenfamilien haben es aufgrund der Ausgrenzung durch ihr Umfeld häufig schwerer. Angesichts der existierenden Gewalt gegen Schwule und Lesben hat der Staat nach wie vor eine große Aufgabe: Die besorgniserregend hohe Zahl der rechtsextremen Gewalttaten muss gesenkt werden. Die Bekämpfung der Gewalt gegen Andersdenkende und Anderslebende ist eine Aufgabe für uns alle! Aktives Eintreten für Demokratie und Vielfalt, für Toleranz und Respekt ist unabdingbar.

Solidarität fördern
Auf drei nachdenkliche Aspekte wies Bodo Niendel hin, Vorstandsmitglied der Initiative Queer Nations e.V.: Erstens auf die fehlende Rehabilitierung und Entschädigung der verfolgten Homosexuellen. Noch immer gelten die etwa 50.000 in der Bundesrepublik und etwa 3000 in der DDR verurteilten Männer als Straftäter. „Das ist ein fortgesetzter Skandal.“ Zweitens auf die Vielfalt der Community. Während des Nationalsozialismus und danach  sind nicht nur schwule Männer, sondern auch andere sexuelle Minderheiten, Lesben und Transvestiten Verfolgung und Diskriminierung ausgesetzt gewesen. Drittens: „Die gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit nimmt zu. Sie betrifft Homo- und Transsexuelle aber eben auch HIV-Positive, Roma, Juden, Muslime und viele andere.“ Gefordert wird Solidarität.

Es bleibt noch viel zu tun
An der Gedenkstunde nahmen dieses Jahr viele PolizistInnen teil. Hintergrund war die in Berlin stattfindende Konferenz der "Europäischen Vereinigung homosexueller Polizisten", an der über 200 schwule, lesbische und trans* PolizistInnen aus 13 europäischen Staaten teilnahmen. Leider kam niemand aus einem der östlichen EU-Staaten.
Vielfalt und Toleranz zeigen sich im Alltag. In der Community und bei vielen anderen ist – auch im Hinblick auf den schwelenden Streit um die Flaggenordnung auf Bundesebene - kein Verständnis gegeben, dass das brandenburgische Innenministerium dem Kommissar Marco Klingberg, Dienststelle Polizeiinspektion Potsdam, verboten hat, beim CSD in Dienstuniform mitzulaufen. Berliner PolizistInnen dürfen in Uniform an der Parade teilnehmen, PolizistInnen aus drei weiteren Bundesländern auch. Die übrigen Bundesländer haben es (noch) abgelehnt. Marco Klingberg, Vorsitzender des Landesverband Berlin-Brandenburg des Verbands lesbischer und schwuler Polizisten in Deutschland (VelsPol), hat angekündigt, in Uniform an der Parade teilzunehmen. Er wurde flankiert von PolizistInnen aus zwölf europäischen Nationen, alle in Uniform. Klingberg nimmt eine Disziplinarstrafe in Kauf. Für VelsPol sind uniformierte PolizistInnen bei der Parade auch eine Art Werbung für die Polizei: „Da kann man sehen, wie tolerant die Polizeiführung gegenüber homosexuellen Kollegen ist“.