Hauptmenü

10. Frauen-Alterssicherungskonferenz diskutierte gleichstellungspolitische Herausforderungen

Am 1. Juli 2014 ist das Rentenpaket der Großen Koalition in Kraft getreten. Damit wurden auch etliche Forderungen der bisherigen neun Frauen- Alterssicherungskonferenzen umgesetzt. Weiterführend wurde auf der von ver.di und dem Sozialverband Deutschland organisierten 10. Frauen- Alterssicherungskonferenz gefragt: Wie geschlechtergerecht sind die Umsetzungen? Gewinnen Frauen durch diese Reform? Erfolgt in Gegenwart und Zukunft eine geschlechtssensible Betrachtung der Alterssicherung? Wird der Gender Pension Gap gemindert? Was sind die nach wie vor existierenden Herausforderungen?

Es passiert nicht so häufig, dass ich zu Veranstaltungen gehen kann, wo ich bei allen VeranstalterInnen Mitglied bin. Das ist aber nun beim Besuch der von ver.di und dem SoVD organisierten 10. Frauen-Alterssicherungskonferenz am 28. August 2014 möglich geworden. Darüber hinaus hat der Deutsche Frauenrat eine tragende Rolle. Diesem gehöre ich als Mitglied der Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Frauen an. Darüber freue ich mich.

Adolf Bauer, Präsident des Sozialverband Deutschland (SoVD), als auch Edda Schliepack, Bundesfrauensprecherin und SoVD-Präsidiumsmitglied, formulierten als diesjährige GastgeberInnen einen besonderen Dank an die Akteurinnen der bisherigen neun Frauen-Alterssicherungskonferenzen. Sie bedankten sich für die kontinuierliche Skandalisierung des Gender Pay Gap und des Gender Pension Gap und der daraus resultierenden Forderung nach Equal Pay und Equal Pension für Frauen und Männer.

Mit dem zum 1. Juli 2014 in Kraft getretenen Rentenpaket der Bundesregierung sind einige der langjährigen Forderungen umgesetzt worden. Dafür ein großer Dank. Dennoch ist klar: Die eigenständige existentielle Alterssicherung der Frauen ist noch nicht erreicht - eben so wenig die dafür notwendige eigenständige existentielle Erwerbsarbeit. Es bleiben also Fragen und Aufgaben: Gehören Frauen zu den Gewinnerinnen? Sind die Neuregelungen geschlechtergerecht? Wie wirkt sich die systemwidrige Finanzierung der Mütterrente künftig aus? Was brauchen Frauen und was erwarten sie von der Politik noch in dieser Legislaturperiode? Frauen arbeiten oft unter schwierigen Rahmenbedingungen - zeitlich wie finanziell. Prävention und Rehabilitation sind daher für den Erhalt der Erwerbsfähigkeit enorm wichtig. Wie werden dabei Anforderungen und Bedürfnisse von Frauen berücksichtigt? Diese und weitere Fragen standen im Mittelpunkt der Konferenz.

125 Jahre gesetzliche Rentenversicherung

Ein starker Sozialstaat braucht starke Sozialversicherungsträger - und die gesetzliche Rentenversicherung (GRV) gehört  als zuverlässlicher Partner dazu. In den 125 Jahren ihres Bestehens habe es nur einen Monat gegeben, in dem die Renten nicht geflossen. Das war der Mai 1945 - also der Monat des Kriegsendes. Darauf verwies Eva Maria Welskop-Deffaa, Mitglied des ver.di-Bundesvorstandes. 

Das Selbstverwaltungsprinzip ist von Anbeginn an wichtige Grundlage der Deutschen Sozialversicherung. Der aktuelle Koalitionsvertrag „Deutschlands Zukunft gestalten“ formuliert als Aufgabe die „Stärkung der Selbstverwaltung“ - und das ist gut so. Reichskanzler Bismarck hatte zwar geplant, mit der gesetzlichen Rentenversicherung die Gewerkschaften lahm zu legen, erreicht hat er aber faktisch das Gegenteil: Die Mitverantwortung in der Selbstverwaltung wurde zur Pioniererfahrung politischer Teilhabe und Partizipation, aus der heraus sich spätere politische Erfolge der Arbeiterbewegung speisten. Die Selbstverwaltung gewährleistet die Berücksichtigung der Interessen von Versicherten in allen vier Funktionen - Vorstand, Aufsicht, Widerspruchsausschuss und Versichertenberatung - von Anfang an.

Selbstverwaltung ist einordbar in gutes Verwaltungshandeln, gefordert ist „responsibles Verwaltungshandeln“, welches die Lebenswirklichkeit der Versicherten zum Ausgangspunkt hat. Den Versicherten stehen dafür zahlreiche, ehrenamtliche VersichertenberaterInnen sowie Versichertenälteste bei der Beantwortung aller Fragen „rund um die Rentenversicherung“ zur Seite. Diese HelferInnen sind selbst Mitglieder der Rentenversicherung, kennen die Probleme der Versicherten ganz genau und werden für die Beantwortung aller Fragen regelmäßig geschult. 

Sozialwahlen als breites Feld für die Gleichstellungspolitik

Bei den Sozialwahlen galt das aktive und passive Wahlrecht von Frauen von Anbeginn an. Also schon lange vor dem politischen Wahlrecht für Frauen ab 1919. Selbstverwaltungsorgane sind ein Stück gelebte Demokratie. Leider kann von verwirklichter Geschlechterdemokratie aber bis heute nicht die Rede sein: So gehörten in den je zur Hälfte aus VertreterInnen der Arbeitgeber und der Versicherten gebildeten Selbstverwaltungsorganen (Verwaltungsrat, Vorstand, Vertreterversammlung) in der vergangenen Amtsperiode (2005 bis 2011) insgesamt nur 15 Prozent der Mitglieder Frauen. In der jetzigen Amtsperiode sind es auch nur 17 Prozent. Dieser geringe Anteil korrespondiert mit dem geringen Anteil von Frauen in beispielsweise großen Aufsichtsräten: 19 Prozent. Hier liegt ein großes Feld für die Gleichstellungspolitik!

Was haben Frauen vom Rentenpaket 2014?

Das von der Bundesregierung verabschiedete Rentenpaket wurde von Hannelore Buls, Vorsitzende des Deutschen Frauenrates, unter dem Gesichtspunkt der Geschlechtergerechtigkeit einer kritischen Betrachtung unterzogen.

Die Alterssicherung hat sich gewandelt: Galt die Gesetzliche Rentenversicherung lange Zeit als alleinige Lebensstandardsicherung, basiert Alterssicherung heute zunehmend mehr auf dem Drei-Säulen-Modell: Absicherung zu 60 Prozent durch die GRV und je zu 20 Prozent durch die betriebliche und private Vorsorge. Dieser Paradigmenwechsel führt nicht automatisch zu einer Gleichstellung der Alterssicherung der Frauen. Die damit verbundenen geschlechterspezifischen Herausforderungen sind immer mehr zu einer Querschnittsaufgabe geworden. Diese gilt es angesichts der bestehenden Rentenlücke von 59 Prozent zu Lasten der Frauen noch zu erfüllen!

Die Rente ist der Spiegel des Erwerbslebens

Wer eine existenzsichernde eigenständige Rente für Frauen will, muss daher die Rahmenbedingungen für Frauen in der vorherigen Phase des Erwerbslebens unter die Lupe nehmen. Das ist auch eine zentrale Forderung des Ersten Gleichstellungsbericht der Bundesregierung. Dieser umfasst das Gutachten der unabhängigen Sachverständigenkommission "Neue Wege - gleiche Chancen. Gleichstellung von Frauen und Männern im Lebensverlauf" sowie die dazugehörige vom Bundesfamilienministerium erarbeitete Stellungnahme der Bundesregierung. Ein Hauptkritikpunkt des Ersten Gleichstellungsberichtes ist: Die einzelnen Politikfelder sind nicht lebensphasenorientiert aufeinander abgestimmt. Negative Folge davon ist die spätere Benachteiligung der Frauen in der Alterssicherung.

Als besonders kritikwürdig wird herausgestellt:

 

  • die überwiegend von Frauen genutzte Arbeits- und Beschäftigungsform der sogenannten „Minijobs“
  • die Zunahme von Eigenleistungen für eine spätere Alterssicherung stellt für Frauen neue Hürden auf und führt zur Benachteiligung - damit würden auch Vorteile durch familienpolitische Leistungen „am Ende“ wieder genommen
  • der Abzug der „Mütter-Rentenpunkte“ in der Grundsicherung ist zwar systemkonform aber nicht sozialverträglich. Von den zusätzlichen Punkten für die Anerkennung familialer Leistungen profitieren nur die Frauen, die nicht in der Grundsicherung sind. Das sei ungerecht.

 

Unter dem Motto „Die Rentenlücke - Hintergründe und Perspektiven der Altersvorsorge“ hat der Deutsche Frauenrat auch seine aktuelle Publikation gestellt.

Belastungsfaktoren in frauentypischen Berufen

Sind die Arbeitsfelder - zum Beispiel die Dienstleistungsbranchen Handel, Gesundheit, Soziales - so gestaltet, dass sie Frauen ermöglichen, gesund und ohne Abschläge in die Rente zu gehen? Damit befasste sich auf dieser Konferenz Stefanie Nutzenberger, Mitglied des ver.di-Bundesvorstandes, in ihrem Vortrag „Belastungsfaktoren in frauentypischen Berufen“.

„Die Anforderungen in den Berufswelten der frauentypischen Berufe steigen“, erklärt Nutzenberger unter Verweis auf den vorliegenden Report 2013 des „DGB-Index Gute Arbeit“. Der DGB-Index Gute Arbeit ist ein seit 2007 existierendes wissenschaftlich fundiertes Instrument zur Erfassung der Arbeitsbedingungen. Hierfür werden zufällig ausgewählte Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer aus allen Regionen, Branchen, Einkommensgruppen und Beschäftigungsverhältnissen telefonisch zu ihrer Sicht auf die Arbeitsbedingungen (Gestaltungsmöglichkeiten, Entwicklungsmöglichkeiten, Betriebskultur, Sinn der Arbeit, Arbeitszeitlage, Emotionale Anforderungen, Körperliche Anforderungen, Arbeitsintensität, Einkommen, Betriebliche Sozialleistungen, Beschäftigungssicherheit) befragt.

In den frauentypischen Berufen fehlten immer mehr die Fachkräfte, was die Arbeitsintensität erhöht. Es erhöhen sich aber auch die emotionalen Anforderungen - leicht nachvollziehbar, wenn ich allein an die Pflege denke, die ja auch mehr sein soll als die „Minutentakt-Pflege“.

Sie verwies auf das in Finnland entwickelte „Haus der Arbeitsfähigkeit“ Mit der damit verbundenen Forderung „Die Arbeit muss sich den Menschen anpassen - nicht umgekehrt“ hat Finnland die Arbeitsfähigkeit älterer Menschen konsequent verbessert. Der Erhalt der Arbeitsfähigkeit durch individuelle und betriebliche Maßnahmen ist unabdingbar, damit Menschen - in diesen Branchen überwiegend Frauen - das offizielle Renteneinstiegsalter überhaupt erreichen. Und hier liegt die Herausforderung: Frauen sollen das Renteneinstiegsalter gesund erreichen, damit sie auch was von ihrer Rente haben. Frauen sollen das Renteneinstiegsalter erreichen, um ohne Abschläge in Rente gehen zu können, auch damit sie was von ihrer Lebensleistung im Erwerbsleben und in der Familie bzw. Pflege haben.

Hier liegen zahlreiche tarifpolitische, gesundheitspolitische und gleichstellungspolitische Herausforderungen - packen wir sie an.