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Pflege und Politik im Dialog

Zu hohe Personalschlüssel und belastende Arbeitszeiten einerseits und der Fachkräftemangel andererseits führen dazu, dass sich tiefer Frust unter den Berufstätigen in der Pflege breit macht. Sie fühlen sich im Stich gelassen.  

In einem Gespräch mit über 70 Studierenden der Katholischen Hochschule Köln wurde schnell klar, welche Herausforderungen die Fachkräfte im Alltag bewältigen müssen. Stattgefunden hat das Gespräch am 12. Januar 2015 im Paul-Löbe-Haus im Rahmen eines Seminars der Arbeitsgemeinschaft Statt und Gesellschaft. Bereits zuvor habe ich mich mit Studierenden derselben Hochschule getroffen, zuletzt 2013. Ein grundlegender Unterschied zum Gespräch vor zwei Jahren ist die veränderte politische Lage: Wir SozialdemokratInnen regieren. Am 1. Januar 2015 trat das Pflegestärkungsgesetz I und das Familienpflegezeitgesetz in Kraft.

Personalschlüssel, Organisationsgrad, Pflegekammer und Fachkräftemangel

Anhand mehrerer Beispiele wurde deutlich, dass insbesondere ein verbindlicher Personalschlüssel als Lösungsansatz für die laufende Unterbesetzung angesehen wird. Während für ambulant durchgeführte Operationen immer das nötige Personal bereitgestellt wird, bleiben die restlichen Stationen unterbesetzt. Grund dafür sind die höheren Profite, die Operationen den Krankenhäusern einbringen.

Zwar spielt die Pflege in den betroffenen Familien eine große Rolle, doch der allgemeine öffentliche Diskurs hinkt immer noch hinterher. Unbefriedigend ist der mangelnde Organisationsgrad der Pflegekräfte - eine rein ehrenamtliche Vertretung des Berufsstandes reicht längst nicht mehr.

Eine Pflegekammer wird kontrovers diskutiert. Der Zusammenschluss in einer Kammer alleine bringt das nötige berufspolitische Engagement noch nicht hervor. Vielmehr forderten einige der TeilnehmerInnen, die Teilnahme an Fortbildungen um eine wissensbasierte Pflegekompetenz  auch im Berufsalltag stärker anzuerkennen. Politische Bildung soll ein verbindlich eingeführtes Unterrichtsfach werden. Die Auseinandersetzung mit der Gesundheitspolitik führe schließlich zu mehr Beteiligung und einem höheren Organisationsgrad.

Aus den Reihen der älteren Pflegekräfte wurden vor allem zwei Probleme an mich heran getragen: Der Fachkräftemangel kann nicht durch die Rekrutierung sogenannter „Youngsters“ ausgeglichen werden. Das heißt junge Pflegekräfte alleine, die wahrscheinlich auch nicht lange im Berufsfeld bleiben, lösen den Fachkräftemangel nicht. Die dreijährige Ausbildung zur Pflegefachkraft erleide derzeit einen Ansehensverlust. Schon während der Ausbildungszeit erleben die SchülerInnen Rahmenbedingungen in der Praxis, die eher zu einer hohen Frustration als zu einer höheren Motivation unter den Pflege-AktivistInnen führt. Ebenfalls schwierig sei die Kommunikation mit ausländischen Pflegekräften. In der Anerkennungszeit wird die Zusammenarbeit oftmals durch Sprachbarrieren erschwert. Die Pflegekräfte fühlen sich im Stich gelassen, weil statt Entlastung immer mehr Probleme auf sie zukommen.

Alle Anwesenden üben ihren Beruf gerne aus. Durch die Missstände in der Pflege breitet sich aber vor allem ein Motivationsverlust aus. Das persönliche Bild von einer „guten Pflege“ kann so nie erreicht werden.

Ich bin der Meinung, dass die Informationsvermittlung zwischen Pflegefachkräften und Politik unbedingt ausgebaut werden muss. Ich wünsche mir eine stärkere Organisationskultur aller an der Pflege Beteiligten. Pflege ist „Dienst am Menschen“ und muss als solcher mehr gewürdigt werden. Dafür bedarf es aber einer stärkeren Selbstinitiative.

Die Studierenden der katholischen Hochschule Köln haben mir versprochen, selbst ein Punktepapier zu entwerfen, welches dann Grundlage für weitere Gespräche und Diskussionen sein kann. Ich bedanke mich für ein lebendiges und anregendes Gespräch!