Frauenrechtsverbände, Beratungsstellen und die Diakonie Deutschland hatten am 28. Januar 2015 zur Pressekonferenz eingeladen. Zahlreiche MedienvertreterInnen waren der Einladung gefolgt. Anlass war ein offener Brief an die Bundesregierung und die Fraktionsvorsitzenden der Koalition zu den geplanten Verschärfungen des Prostitutionsgesetzes.
Ulrike Helwerth, Vorsitzende des Deutschen Frauenrates, erläuterte die Gründe für dieses „ad-hoc-Bündnis“. Es ist die Sorge, dass die derzeit diskutierten Details der Reform des Prostitutionsschutzgesetzes mit der Einführung von Zwangsuntersuchungen, dem Mindestalter 21 und einer Anmeldepflicht für alle Prostituierten die Situation von Prostituierten massiv verschlechtern werde. Zudem wollten sie zu einer Versachlichung der sehr emotional geführten Diskussion beitragen.
Deutscher Juristinnenbund
Dr. Maria Wersig, Deutscher Juristinnenbund, verwies in ihrer Stellungnahme darauf, dass Menschenhandel und Prostitution getrennt voneinander zu betrachten sind und nicht vermischt werden dürfen. Menschenhandel ist ein Straftatbestand, der gesondert zu betrachten ist.
Die Regelung der legalen Prostitution sei das Anliegen des Bündnisses. Der Deutsche Juristinnenbund hat massive datenschutzrechtliche Bedenken mit der Einführung von Zwangsuntersuchungen und der Anmeldepflicht. In beiden Fällen werde schwer in das Persönlichkeitsrecht von sich prostituierenden Menschen eingegriffen. Denn die zu erhebenden Daten müssten zwangsläufig Inhalte aus dem Gesundheitsbereich und dem Sexualleben der Betreffenden beinhalten. Diese sind jedoch nach dem Datenschutz ein besonders zu schützender Bereich. Eine Erhebung dieser Daten führt zudem zu einer Verwendungsbeschränkung, so dass lediglich das Gesundheitsamt - aber keine andere Behörde - darauf zugreifen dürfte. Sie wären also nicht verwendbar zum Beispiel zur Bekämpfung der Zwangsprostitution.
Deutscher Frauenrat
Susanne Kahl-Passoth, stellv. Vorsitzende des Deutschen Frauenrates, forderte, dass auch Prostituierte sich darauf verlassen können müssen, dass der Gesetzgeber ihnen ein sicheres, angstfreies Leben ohne gesellschaftliche Ächtung ermöglichen will. Dem Deutschen Frauenrat gehe es daher um mehr Schutz für die in der Prostitution arbeitenden Frauen und Männer, keinesfalls darum Menschenhändler, Zuhälter oder Bordellbetreiber zu schützen.
Der Deutsche Frauenrat weiß, dass ein Verbot der Prostitution oder das „schwedische Modell“ der Freierbestrafung nicht taugt und das „Gewerbe“ lediglich in den Untergrund treibt, so dass Prostituierte vollends rechtlos werden.
Diakonie Deutschland
Maria Loheide, Diakonie Deutschland, verwies darauf, dass sich die Diakonie bereits im Jahr 2000 für die soziale Sicherung von Prostituierten eingesetzt hat. Sie hält das Prostitutionsgesetz für unzureichend umgesetzt. Die Lebensbedingungen für Prostituierte sind nach Auffassung der Diakonie durch das Prostitutionsschutzgesetz nicht verbessert worden.
Die Diakonie fordert bei der Reform auf den Schutz und die Stärkung der Rechte von Prostituierten zu setzen. Sie fordert zudem den Ausbau von Beratungsstellen und Hilfsangeboten zum Ausstieg.
Soziale Beratungsstellen
Die Vertreterinnen der Beratungseinrichtungen, Monika Nürnberger vom Frauentreff Olga Kontakt- und Beratungsstelle für drogenabhängige Frauen und Prostituierte in Berlin-Schöneberg und Andrea Hitzke von der Dortmunder Mitternachtsmission, haben aus ihrer Beratungspraxis abgeleitete Bedenken gegen die diskutierten Verschärfungen. So sehen sie insbesondere das diskutierte Mindestalter von 21 Jahren äußerst kritisch. Dies würde dazu führen, dass der Kontakt zu den unter 21 jährigen Frauen abbrechen bzw. nicht entstehen könnte. Sie könnten und dürften Frauen zwischen 18 und 21 Jahren dann nicht mehr beraten. Das im Frauentreff Olga zur Verfügung stehende Gesundheitsangebot wäre für diese Altersgruppe nicht mehr erreichbar. Es sei schlichtweg ein „Wunschtraum“, dass durch die Einführung der Heraufsetzung des Mindestalters auf 21 Jahre Frauen und Männer nicht mehr der Prostitution nachgehen würden: Sie würden lediglich im Versteckten arbeiten.
Auch gegen die Zwangsuntersuchungen würde die Praxiserfahrung sprechen. Die Frauen wissen, dass ihr Körper ihr Kapital ist und würden deshalb in einer vertrauensvollen Umgebung gern die Gesundheitsangebote annehmen. Eine Zwangsuntersuchung wäre kontraproduktiv, sie würde als Repression erlebt, der sich viele verweigern würden.
Deutsche Aidshilfe e.V.
Maria Rademacher, Deutsche Aidshilfe, teilt diese Einschätzung und verwies darauf, dass die Erfahrungen mit den früher verpflichtenden Gesundheitschecks (im Volksmund „Bockschein“ genannt) keinerlei positive Auswirkungen hatte und sich damit auch keine Zwangsprostitution erkennen ließ. Zudem hätte sich mit dem Wechsel vom Geschlechtskrankheitengesetz zum Infektionsschutzgesetz auch ein notwendiger Paradigmenwechsel vollzogen. Ziel und Aufgabe sei es nun, die Befähigung zum Schutz vor Infektionen zu vermitteln.
Das Gesundheitsschutzverhalten wird von den Lebensbedingungen und den Strukturen beeinflusst. Man müsse statt der zwangsweisen Vorführung zur Gesundheitsuntersuchung in einen Vertrauensaufbau investieren. Dies ginge nur mit einem anonymen und kostenlosen Angebot.
Breite Diskussion
Von Seiten der Medien wurde noch nach der diskutierten bundesweiten Einführung der Kondompflicht gefragt. Sei dies nicht eine Stärkung der Position der Prostituierten? Die Antwort auf diese Frage war kurz und knapp: In Bayern gelte die Kondompflicht bereits. Der Wunsch nach ungeschütztem Verkehr würde nicht von den Prostituierten ausgehen, sie müssten aber die Strafe zahlen, wenn sich als Freier ausgebende Polizisten nach ungeschützten Verkehr fragen würden. Die Freier, denen ihr eigener Gesundheitsschutz egal ist, blieben unbehelligt.
Eine Medienvertreterin fragte zum Schluss welche Forderung das Bündnis bereit wäre aufzugeben, wenn sie dadurch die anderen „durchbekämen“. Auch diese Antwort war kurz: Keine wolle das Bündnis aufgeben! Es sind die Knackpunkte, die entscheiden, ob Frauen und Männer der Prostitution legal nachgehen können oder in den Dunkelbereich abgedrängt werden.
Das Bündnis hofft, dass ihre Argumente in die Entscheidung der Regierung und der Koalition eingehen werden.