Die Gesundheitshandwerke in Deutschland - AugenoptikerInnen, HörgeräteakustikerInnen, Orthopädie-SchuhtechnikerInnen, Orthopädie-TechnikerInnen und ZahntechnikerInnen - versorgen die Bevölkerung mit individuell ausgewählten und angepassten Medizinprodukten und Hilfsmitteln. Sie zählen überwiegend zu kleinen und mittleren Unternehmen. Deutschlandweit gibt es etwa 26.000 Betriebe der Gesundheitshandwerke, die als ArbeitgeberInnen und Aus- sowie Fortbildungsbetrieb ca. 185.000 Menschen beschäftigen. Gesundheitshandwerke leisten einen wertvollen medizinischen Beitrag zur Gesunderhaltung (Prävention) und Wiederherstellung (Rehabilitation) sowie zum Ausgleich von Behinderungen und Einschränkungen. Ihre Leistungen sind damit ein bedeutender Teil des Versorgungsgeschehens in Deutschland.
Gespräch mit Mitgliedern des AK Berliner Gesundheitshandwerke
Der Einladung des Arbeitskreises Berliner GesundheitshandwerkerInnen zu einem Austausch bin ich am 20. Februar 2015 gerne gefolgt. In den Räumlichkeiten der in Neukölln ansässigen Nitschke Zahntechnik GmbH Gelegenheit habe ich Judith Behra, Geschäftsführerin der Zahntechniker-Innung Berlin-Brandenburg, Bernd Rosin-Lampertius, Geschäftsführer der Orthopädie-Schuhtechnik Innung, Martin Sinell, Geschäftsführer des Fachverbandes für Orthopädietechnick und Sanitätsfachhandel Nordost e.V., Rainer Struck, Zahntechnikermeister und Irene Wattler, Hörgeräteakustikerin getroffen.
Gewünscht wird eine stärkere Einbeziehung der GesundheitshandwerkerInnen in gesetzliche Vorhaben zur Sicherstellung von Gesundheit und Pflege, aktuell beispielsweise das Präventions- und GKV-Versorgungsstärkungsgesetz.
Die Zusammenarbeit zwischen ÄrztInnen und LeistungserbringerInnen im Gesundheitswesen regelt der § 128 SGB V. In der Praxis häufen sich aus Sicht der GesundheitshandwerkerInnen die „kritischen Fälle“, die wettbewerbsrechtlich problematisch sind. ÄrztInnen verschreiben ein Hilfsmittel und verweisen an Betriebe, an denen sie selber finanziell beteiligt sind. Oder sie sind nicht nur AuftraggeberInnen, sondern auch WettbewerberInnen, da sie über eigene Labore verfügen. Deshalb wird die Diskussion rund um den Referentenentwurf eines „Entwurf eines Gesetzes zur Bekämpfung von Korruption im Gesundheitswesen“ sehr aufmerksam verfolgt.
Für die Berliner KMU ist auch von Belang, dass mittlerweile einzelne Krankenkassen ihren Mitgliedern auch dann eine volle Erstattung ermöglichen, wenn beispielsweise der Zahnersatz in Polen vorgenommen werde.
Auch in den Betrieben des Gesundheitshandwerks sind die Herausforderungen zur Vereinbarkeit von Beruf und Familie - Kindererziehung bzw. Pflege - virulent.
Mit hohem Interesse werden auch die Diskussionen zu Ausbildungsreformen im Gesundheitswesen verfolgt. Es braucht insgesamt mehr Durchlässigkeit. Diese ist auch innerhalb des Deutschen Qualifikationsrahmens (DQR), einer Rangliste für Berufs- und Studienabschlüsse, sehr bedeutsam. Ausbildungen in Deutschland müssen auf dem Weg zu einem Bildungsraum Europa stärker miteinander kompatibel sein. Dieses erfordere der demokratische Wandel in Deutschland.
Gesundheitshandwerker wünschen sich „näher an den PatientInnen“ dran zu sein. Sie wollen, dass nicht für jedes Hilfsmittel die Verschreibung eine ÄrztIn notwendig sein soll.
Weitere Gespräche wurden vereinbart.
Hintergrund:
Das Gesundheitswesen ist heute mit über fünf Millionen Erwerbstätigen und 300 Milliarden Euro Umsatz der größte Wirtschaftszweig und damit auch der dominierende Infrastruktursektor in Deutschland. Gesundheitsberufe haben deshalb eine hohe gesellschaftliche und arbeitsmarktpolitische Bedeutung, die auch noch zunehmen wird. Das weiß auch der Zentralverband des Deutschen Handwerks e.V. (ZDH), der die Interessen der GesundheitshandwerkerInnen vertritt. Die strukturellen, rechtlichen, ökonomischen und gesundheitspolitischen Herausforderungen stehen in einem engen Zusammenhang mit den Auswirkungen des demografischen und sozialen Wandels.
Die Menschen im Gesundheitswesen stehen für die Sicherung und Optimierung der Versorgungsqualität. Auch die Arbeitsbedingungen, -umfelder, -anreize und -anforderungen sind einem schnellen Wandel unterworfen. Es ist ein Trend zu erweiterten Handlungs- und Verantwortungsoptionen festzumachen. Eine bedeutende Rolle spielen zunehmend Fragen zur beruflichen Bildung, zu Qualifikations- und Kompetenzentwicklungen sowie zum Akademisierungs- und Professionalisierungsdiskurs der verschiedenen Gesundheitsberufe.