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„Die Situation vor dem LaGeSo ist Berlin nicht würdig!“

Am 31. August 2015 habe ich zum zweiten Mal das Gelände vor dem Landesamt für Gesundheit und Soziales (Lageso) besucht - und war gelinde gesagt entsetzt! Mein vorheriger Besuch fand nachmittags, dieser nun über den Mittag gemeinsam mit meinem Bundestagskollegen Klaus Mindrup statt. Was hat sich in der Woche dazwischen geändert? Nach Augenschein sage ich: Sehr wenig! Das ist Berlin nicht würdig. Wo ist die sogenannte Organisationskompetenz, die uns Deutschen nachgesagt wird. Hier vor dem LaGeSo ist davon sehr, sehr wenig zu spüren. Ich schäme mich für die Zustände dort!

Bis zum Abend haben sich die Zustände gemäß telefonischer und SMS-Mitteilungen verschlimmert - zahlreiche neue Flüchtlinge, die per Zug Ungarn verlassen haben, sind neu angekommen.

Kein Medicalpoint vorhanden

Zwar waren mittlerweile Sanitätszelte für die ärztliche Versorgung gekommen, die auch einen ebenfalls aus Zeltplane bestehenden festen Boden haben. Diese Zelte stehen auf Pflastersteinen, sich hier auf den Boden zu legen ist daher nicht möglich. Sie sind also leer. Und was für ein Schildbürgersteich: Jegliche Form von „Zubehör“ in Form von Personal, Möbel, Sachmittel, also allem, was MedizinerInnen für eine Behandlung brauchen, fehlt. Sogar weitere Medikamente. Die im Augenblick vorhandenen sind noch die, die das Bündnis „Moabit hilft!“ gesammelt hat. Das Problem der ärztlichen Versorgung ist entgegen der Behauptung von Senator Czaja keinesfalls gelöst. Noch während meiner Anwesenheit erfahre ich, dass die Zelte nun doch nicht als Medicalpoint genutzt werden sollen. Und wo gibt es diesen dann?

Medizinische Härtefälle sollten bei der Registrierung bevorzugt werden. Während ich neben MitarbeiterInnen und Ehrenamtlichen der Caritas stehe, erlebe ich „Härtefälle“: schwangere Frauen und für mich unvorstellbar: ein jungen Mann rund um die 20, ist mit seinen jüngeren Brüdern hier. Während der Flucht hat er die Verantwortung für zwei weitere Kinder übernommen, eines davon querschnittsgelähmt. Wie dieses Kind im Rollstuhl es bis nach Berlin geschafft hat, ist mir ein Rätsel.  

Essen und Trinken nicht ausreichend vorhanden

Zwar steht ein Zelt, in dem Vivantes das Catering übernommen hat - doch hier fehlt ausreichendes Personal für die Austeilung der 1.300 Portionen. Aus ein wenig Abstand sieht eine Essensportion aus wie zwei Burger und jeweils drei Obstteile. Freiwillige vom Bündnis „Moabit hilft!“ helfen aus. Sie verweisen darauf, dass diese Anzahl der Portionen wohl über den ganzen Tag nicht ausreichen werde. Erwartet wird, dass im Laufe des immer noch heißen Tages das Wasser ausgehen wird. Und da war von Flüchtlingen aus Ungarn noch gar nicht die Rede.

Koordinierung von Ehrenamtlichen

Ich gehe zum Haus R, wo Ehrenamtliche weitere Ehrenamtliche koordinieren, ihnen sagen, an welcher Stelle gerade eine zupackende Hand fehlt. Es kamen spontan junge Menschen. Das Bündnis „Moabit hilft“ bittet darum, sich nicht einfach auf den Weg zu machen, sondern sich auf deren Website zu erkundigen, an welchem Ort gerade welche Hilfe benötigt wird.

Warteschlange vor dem LaGeSo

Die Warteschlange von Menschen, die sich hier registrieren lassen wollen, ist nicht geringer geworden. Einige Menschen warten bis zu acht Tagen auf die Registrierung. Ich habe Verständnis dafür, dass neue MitarbeiterInnen erst eingearbeitet werden müssen - für die Notlagen der Wartenden allerdings nicht. Hier versagt die Behörde. Schließlich dauert dieser Zustand schon Wochen.

Eine Unterbringung, ein Schlafplatz - Behördenversagen auch hier

Mittlerweile gibt es kriminelle Menschen, die mit unseriösen Hostelbetreibern zusammenarbeiten und die Flüchtlinge betrügen. Sie lassen Flüchtlinge mit Hostelgutschein gesondert bezahlen, ziehen diese ein - ein Bett, eine Unterkunft gibt es allerdings nicht. Noch immer organisieren Freiwillige des Bündnis Moabit hilft jeden Tag private Unterkünfte für die Nacht.

Ich erfahre, dass mittlerweile einige Hostels sich mittlerweile weigern, weitere Flüchtlinge mit diesem Hostelgutschein aufzunehmen. Nicht, weil sie dieses grundsätzlich nicht wollten – sondern weil seit Monaten ausstehende Rechnungen von der Behörde nicht bezahlt werden. Familienunternehmen, mittelständige Einrichtungen können sich dieses einfach nicht leisten. Es seien zu wenige BuchhalterInnen mit der Anweisung zur Auszahlung beschäftigt - diese Begründung kann ich einfach nicht akzeptieren!

Sachspenden

BürgerInnen bringen Sachspenden – da Regale fehlen, werden diese auf dem Boden ausgebreitet und so den Flüchtlingen präsentiert. Auch unhaltbar – wie geht es bei Regen weiter?

Flüchtlingskoordination

Es sind aktuelle und ehrenamtliche MitarbeiterInnen der Caritas da. Ich danke diesen. Aber um nachhaltige Strukturen aufzubauen, sind es zu wenige. Auch hier gilt: Ohne Freiwillge des Bündnis Moabit hilft geht auch hier gar nichts!

Nach langer Zeit war an diesem Morgen auch Sozialsenator Mario Czaja (CDU) mal wieder anwesend. Was ich an Begründung gehört habe, warum er so lange brauchte, wiederhole ich hier nicht. Ich schäme mich fremd!

Die Politik ist gefragt:

Ja, auf Bundesebene sind noch wesentliche Entscheidungen zu treffen. Das entschuldigt das behördliche Versagen vor Ort aber nicht.