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An der Reform der Pflegeberufe darf nicht gerüttelt werden

Wo drückt den Ausbildenden in der Pflege der Schuh? Das möchte ich wissen und führe deshalb regelmäßig Gespräche mit Klassen von Pflegeschulen durch. Am 22. Oktober 2015 besuchte eine Klasse von der Krankenpflegeschule an der Ruhr den Reichstag. Sie werden an der Krankenpflegeschule an der Ruhr zu Gesundheits- und KrankenpflegerInnen ausgebildet. Mit ihnen diskutierte ich über die generalistische Ausbildung, über die Wichtigkeit von Interessensvertretung und natürlich auch über Flüchtlinge.

Vor allem wollten die Auszubildenden wissen, wie ich zur generalistischen Ausbildung stehe und was die Vorteile einer generalistischen Ausbildung sind. Gerade in Zeiten des demographischen Wandels brauchen wir eine zukunftsgerechte Berufsausbildung, die Pflegefachkräfte zur Pflege von Menschen aller Altersgruppen in allen Versorgungsformen befähigt. Ihnen sollen Kernkompetenzen für ein präventives, kuratives, rehabilitatives, palliatives und sozial-pflegerisches Handeln vermittelt werden. Die bisherigen drei Ausbildungen zur (Kinder-) Gesundheits- und Krankenpflegekraft sowie zur Altenpflegekraft sollen zu einer gemeinsamen - „generalistischen“ - Ausbildung mit einem einheitlichen Berufsabschluss zusammengeführt werden. Eine Spezialisierung erfolgt dann im Anschluss an die Grundausbildung.

Mich hat es sehr geärgert, dass der pflegepolitische Sprecher der CDU/CSU-Fraktion diese Reform jetzt kurz vor Toresschluss wieder infrage stellt. Seit über zehn Jahren wird über die Reform diskutiert, sind zahlreiche Modellprojekte durchgeführt worden. Die Modernisierung der Ausbildung ist ein im Koalitionsvertrag erklärtes berufspolitisches Ziel für diese Legislaturperiode.

Ich habe von meinem Besuch in der Gesundheits- und Krankenpflegeschule der Wannsee-Schule e.V. berichtet, wo die generalistische Ausbildung seit zehn Jahren erfolgreich praktiziert wird. Zum Selbstverständnis dieser Schule gehört: „Pflege umfasst die eigenverantwortliche Versorgung und Betreuung von Menschen aller Altersgruppen, von Familien oder Lebensgemeinschaften sowie von Gruppen und sozialen Gemeinschaften, ob krank oder gesund, in allen Lebenssituationen. Pflege schließt die Förderung der Gesundheit, Verhütung von Krankheiten und die Versorgung und Betreuung kranker, behinderter und sterbender Menschen ein. Weitere Schlüsselaufgaben der Pflege sind Wahrnehmung der Interessen und Bedürfnisse, Förderung einer sicheren Umgebung, Forschung, Mitwirkung in der Gestaltung der Gesundheitspolitik sowie im Management des Gesundheitswesens und in der Bildung (in Anlehnung an die Definition des ICN).“  

Wir brauchen neue Perspektiven und mehr Attraktivität für die Pflege - im Interesse der Pflegebedürftigen, der pflegenden Angehörigen, der Pflegefachkräfte. Dafür ist die Reform hin zur generalisierten Ausbildung ein großer Schritt. Wichtig ist mir sowohl die beabsichtigte vertikale Durchlässigkeit zwischen den Berufen - von der Pflegehilfe bis hin zur akademischen Ausbildung - als auch die horizontale Durchlässigkeit zwischen den verschiedenen Versorgungssektoren der Pflege. Diese steigert die Attraktivität des Dienstleistungsbereiches Pflege für die hier Beschäftigten. Kurzum: ich bin eine klare Befürworterin der generalisierten Pflegeausbildung.

Wie können wir Flüchtlingen helfen?

In der Diskussion stellte sich heraus, dass viele Auszubildenden bereits über Erfahrungen mit der Versorgung von Flüchtlingen in unserem Gesundheitswesen verfügen. Deutlich wird, dass ihnen die gesundheitliche Versorgung der Flüchtlinge Sorgen macht. Sie berichten von zahlreichen Erfahrungen:

  • von Schwierigkeiten zur notwendigen Überwindung von Sprachbarrieren, um richtig helfen zu können - vor allem, wenn kranke Flüchtlinge nur arabisch sprechen und  lange dauere, bis ein/e SprachmittlerIn kommen kann
  • aber auch von positiven Beispielen in Krankenhäusern, wo es bereits Listen von SprachmittlerInnen gibt, die in diesen Fällen sofort angerufen werden können.

Sehr beklagt wird, dass auf solche Erfahrungen und besonderen Herausforderungen im Unterricht aufgrund eines strikten Stundenplanes nicht näher eingegangen werden kann.

Ich habe die jüngst beschlossenen Verbesserungen durch das Asylpakets erklärt in Bezug auf den Impfschutz, auf die Hinzuziehung von Angehörigen aus Gesundheitsberufen unter den Flüchtlingen, auf die Möglichkeit, auf Länderebene die elektronische Gesundheitskarte für Flüchtlinge einzuführen. Problematisch ist dabei, dass die elektronische Gesundheitskarte nicht bundesweit einheitlich eingeführt wurde. Das führt zu einem föderalen Flickenteppich in der Gesundheitsversorgung. Erkrankte Flüchtlinge müssen sich erst einen Behandlungsschein in der Verwaltung holen, bevor sie zur/m ÄrztIn gehen können. Das ist nicht nur ein bürokratischer Irrsinn, sondern auch für die Flüchtlinge eine große Belastung. Auf Unverständnis stieß die Einschränkung der gesundheitlichen Versorgung aufgrund des Asylbewerberleistungsgesetzes.

Interessensvertretung ist gerade für die Pflege wichtig

Pflegekräfte müssen ihre Interessen besser bündeln und durchsetzen. Deshalb appelliere ich immer wieder - so auch hier - an Auszubildende in der Pflege, dass sie sich in Gewerkschaften, Fachverbänden oder Parteien engagieren sollen. Denn im Gesundheitsbereich sind anderen Berufsgruppen, wie z.B. die ÄrztInnen, besser organisiert und können dadurch besser ihre Interessen durchsetzen. Das muss sich ändern!